- Die Wall Street hat sich vor der Fed-Sitzung an diesem Mittwoch kräftig erholt
- Marktteilnehmer erwarten offenbar, dass die Fed zu einer gemäßigteren Geldpolitik übergeht
- Diesmal geht es allerdings nicht um Wachstum, sondern um Inflation
Die Märkte haben sich in letzter Zeit von ihren Tiefstständen gelöst, vor allem weil einige Marktteilnehmer glauben, dass die Inflation ihren Höhepunkt erreicht hat und die Fed aufgrund des nachlassenden Wachstums ihren Kurs ändern wird. Das mag zutreffen oder auch nicht. Hier ist das letzte Wort wohl noch lange nicht gesprochen.
Die Maßnahmen der Fed müssen erst noch beweisen, dass sie einen signifikanten Einfluss auf die US-amerikanische Inflation haben. Zwar dauert es eine Weile, bis sich die Zinserhöhungen der Fed und das Zurückfahren der akkommodierenden Geldpolitik auf die Wirtschaft auswirken, es gibt jedoch noch keine Anzeichen dafür, dass sich die Inflation wesentlich verlangsamt hätte. Es gibt überhaupt keine signifikanten Veränderungen, die darauf hindeuten, dass die Fed diesen Krieg gewinnt.
Derzeit notiert der Zinssatz für dreimonatige Treasury-Bills mit einem deutlichen Abschlag gegenüber dem aktuellen Verbraucherpreisindex (YoY). Konkret klafft hier eine Lücke von 6,5 %. Das einzige Mal, dass dieser Spread noch größer war, war 1980, als der Verbraucherpreisindex im Jahresvergleich um mehr als 14 % stieg und die Verzinsung dreimonatiger Treasury Bills auf etwa 6,75 % fiel. In der Vergangenheit lag der Zinssatz für diese Treasury-Bills bei sinkender Inflation von 1980 bis Anfang 2000 durchweg über der jährlichen Inflationsrate. Selbst wenn sich die Inflationstendenzen abschwächen sollten, ist es noch zu früh, um zu sagen, dass ein Kurswechsel der Fed zu einer Zinssenkung führen wird.
Während der letzten zehn Jahre haben sich die Marktteilnehmer jedoch daran gewöhnt, eine Verlangsamung des Wachstums oder das Risiko einer Rezession als Signal dafür zu werten, dass die Fed zu Zinssenkungen und einer quantitativen Lockerung übergeht. Das Problem ist dieses Mal aber nicht das Wachstum, sondern die Inflation. Sie würgt das Wachstum ab. Der BIP-Preisindex lag im 1. Quartal über der nominalen BIP-Wachstumsrate, und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass dies auch im 2. Quartal der Fall sein wird. Das nominale Wachstum im 1. Quartal war mit einer saisonbereinigten Jahresrate von 6,6 % robust; der BIP-Preisindex lag bei 8,2 % - mit dem Ergebnis, dass die Wachstumsrate des realen BIPs negativ wurde.
Die Wahrscheinlichkeit, dass das reale BIP im 2. Quartal auch wieder negativ ausfällt, scheint sehr hoch zu sein, zumal der Verbraucherpreisindex im 2. Quartal bei über 8 % lag und das GDPNow-Tool der Atlanta Fed einen Rückgang von 1,6 % prognostiziert. Das würde bedeuten, dass das nominale BIP-Wachstum im 2. Quartal wahrscheinlich mehr als 6 % betrug, das passt zu der nominalen BIP-Wachstumsrate des 1. Quartals .
Selbst wenn das reale BIP zwei Quartale in Folge negativ ausfällt und die Konjunktur Anzeichen für eine Flaute zeigt, muss die Fed trotzdem nicht umgehend den Kurs ändern. In der Vergangenheit hat eine Wachstumsverlangsamung die restriktive Haltung der Fed beendet, weil die Inflation nie das Problem war. Das ist jetzt anders, die Inflation ist das Problem, und das Wachstum ist (zumindest nominal) noch kein Problem.
Darüber hinaus deutet die von der Cleveland Fed ermittelte Inflationsschätzung auf eine annualisierte VPI-Rate von 8,9 % im Juli hin und prognostiziert für das dritte Quartal eine annualisierte VPI-Rate von 9,1 %. Wenngleich sich das Inflationstempo irgendwann verlangsamen könnte, ist es wohl noch zu früh, darauf zu wetten. Der 12-Monats-VPI der Atlanta Fed (Sticky) liegt derzeit bei 5,6 % und tendiert stark nach oben. Wo der Höchststand liegt, lässt sich derzeit nur schwer abschätzen.
Es wäre nicht nur verfrüht, sondern auch äußerst gefährlich, auf eine Fed zu wetten, die die Zinsen nicht mehr erhöht oder gar senkt. Schließlich ist es nur wenigen geglückt, den Verlauf der Inflation bis zum jetzigen Zeitpunkt zu prognostizieren. Das allein zeigt, dass der Versuch einer Prognose des Gipfels lediglich ein Ratespiel ist.
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