- Die Entscheidungsträger der Fed haben sich in ihren Äußerungen auf eine Anhebung um 75 Basispunkte in diesem Monat eingependelt
- Das stimmberechtigte FOMC-Mitglied Bullard fordert einen Leitzins von 4 % bis Ende 2022
- Die EZB steht vor einem Dilemma, da die Drosselung an russischem Gas die Konjunkturaussichten trübt
Die Entscheidungsträger der Federal Reserve versuchen, die Gratwanderung zwischen glaubwürdiger Inflationsbekämpfung in den USA und dem Abgleiten der Wirtschaft in eine ausgewachsene Rezession zu schaffen.
Der atemberaubende Anstieg des Verbraucherpreisindex um 9,1 % in der vergangenen Woche schürte bei den Anlegern die Befürchtung, dass die Fed überreagieren und den Schlüsselsatz um einen ganzen Prozentpunkt anheben könnte.
Der Fed-Gouverneur Christopher Waller, der frühere Chefvolkswirt der St. Louis Fed, warnte vor einem derart drastischen Schritt.
"Man sollte es mit den Zinserhöhungen nicht übertreiben. Eine Erhöhung um 75 Basispunkte ist bereits ein Riesenschritt", sagte Waller anlässlich einer Wirtschaftskonferenz in Idaho.
Zuvor hatte Waller gesagt, dass er angesichts der aktuellen Daten, einschließlich des hohen VPI, bei der Sitzung des Offenmarktausschusses am 26. und 27. Juli eine Anhebung um 75 Basispunkte unterstützen würde, wenn nicht neue Daten einträfen, die eine stärkere Anhebung erforderlich machen.
Die Anhebung um 0,75 Prozentpunkte würde den Leitzins auf eine Spanne von 2,25 bis 2,50 % bringen, der nach Ansicht von Waller nahe an dem von der Fed angestrebten neutralen Zinssatz liegt. Dann würde er vor der Sitzung am 20. und 21. September nach Anzeichen für einen Rückgang der Inflation Ausschau halten.
Raphael Bostic, der Leiter der Atlanta Fed, warnte ebenfalls vor zu schnellen Zinserhöhungen. "Ein zu drastischer Schritt kann viele der Dinge, die gut funktionieren, gefährden", kommentierte er auf einem Forum des Tampa Bay Business Journal. Bostic ist in diesem Jahr kein stimmberechtigtes Mitglied des FOMC, aber wie alle Regionalbankchefs nimmt er an den Diskussionen des Ausschusses teil.
Der Präsident der Fed von St. Louis, James Bullard, ist ein stimmberechtigtes Mitglied. Er hob am Freitag seinen Zielzins für das Jahresende auf fast 4,0 % an, zuvor hatte er sich noch für 3,5 % ausgesprochen. Zu Beginn der Woche hatte er jedoch erklärt, dass er eine Anhebung um 75 Basispunkte im Juli bevorzuge.
Dem Offenmarktausschuss stehen nach der Sitzung im Juli noch drei weitere Sitzungen im Jahr 2022 zur Verfügung, also reichlich Zeit, um die Zinsen auf 4 % anzuheben, wenn er sich in diesem Monat auf einen dreiviertel Prozentpunkt beschränkt.
Die Situation in Europa ist anders. Auch dort steigt die Inflation, allerdings vor allem wegen des starken Anstiegs der Erdgaspreise im Zuge des Ukraine-Kriegs, da Russland die Gaslieferungen drosselt. Zinserhöhungen durch die EZB hätten kaum Einfluss auf die Gaspreise, gleichzeitig trübt die Energieknappheit bereits die Konjunkturaussichten.
Die EZB tritt diese Woche zu ihrer geldpolitische Sitzung zusammen. Die Anleger rechnen mit einer Zinserhöhung um mindestens 25 Basispunkte, die starke Divergenz zu den US-Zinsen hat den Euro bereits auf Parität zum US-Dollar gebracht.
Der Gouverneur der finnischen Zentralbank Olli Rehn erklärte am Freitag, die EZB könne ihre Politik immer noch allmählich genug normalisieren, um eine Rezession zu vermeiden. Sein niederländischer Amtskollege, Klaas Knot, merkte an, dass Zinserhöhungen auf dieser Sitzung und später im Jahr mit einem langsameren europäischen Wachstum zusammenfallen würden.
Die EZB-Notenbanker wollen den Leitzins nur allmählich anheben, weswegen die Marktteilnehmer skeptisch sind, dass sie angesichts der Energiesituation und der schwächelnden Wirtschaft viel bewirken werden. Zwar haben die Finanzmärkte bereits eine Zinserhöhung im September einkalkuliert, doch gibt es kaum Gewissheit darüber, was danach noch kommen wird, selbst wenn die Inflation weiter steigt.
Die EZB will außerdem ein neues Tool auflegen, um eine zu starke Ausweitung der Renditespreads bei Staatsanleihen zu verhindern. Zu diesem Zweck kauft sie Anleihen von schwächeren Mitgliedstaaten wie Italien und Griechenland auf, wodurch deren Kurs steigt und die Renditen sinken.
Eine politische Krise in Italien hat dieser Strategie jedoch einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die populistische Fünf-Sterne-Bewegung, die der Einheitsregierung von Ministerpräsident Mario Draghi angehört, boykottierte letzte Woche eine Vertrauensabstimmung im Senat, woraufhin Draghi seinen Rücktritt anbot.
Der italienische Staatspräsident Sergio Mattarella hat sich bisher geweigert, den Rücktritt zu akzeptieren, die Regierung könnte jedoch schon in dieser Woche scheitern. Die Konsequenz wären vorgezogene Neuwahlen, was die italienische Politik für Monate lähmen und die Renditen der Staatsanleihen negativ beeinflussen würde.