Indien meldet die Entdeckung von 5,9 Millionen t Lithium. Damit wird das Land auf einen Schlag zum fünftgrößten Lithiumreservoir der Welt. Doch es gibt noch viele offene Fragen rund um politische Stabilität, Umweltrisiken, Erdbeben und auch die tatsächliche Größe des Funds.
Am 9. Februar bestätigte der Geological Survey of India den Fund: In Jammu und Kaschmir wurden 5,9 Millionen t an abgeleiteten Lithiumressourcen festgestellt.
Es ist nicht der erste große Fund. Vor zwei Jahren wurden in Karnataka 1600 t identifiziert. Gefunden wurden diese im Februar 2021 in den Pegmatiten des Gebiets Marlagalla-Allapatna im Distrikt Mandya in Karnataka. Der aktuelle Fund in Kaschmir ist jedoch deutlich größer.
Die indische Regierung hat die Entdeckung als Teil der Bewegung in Richtung "Aatmanirbhar" gefeiert – was sich in etwa mit "autark" oder "unabhängig" übersetzen lässt.
Fund liegt in seismisch aktivem Gebiet
Da noch sind viele Fragen offen. So gilt das Fundgebiet im Salal-Haimana-Gebiet des Reasi-Distrikts in Jammu und Kaschmir als seismisch aktives Gebiet. In der indischen Erdbebenzonenkarte wird das Areal der zweithöchsten Zone IV zugeordnet – eine Zone mit einem hohen Schadenrisiko. Im vergangenen Jahr gab es im August und September mehrere kleinere Erdbeben.
In der Gegend befindet sich auch eine seismische Lücke, für die Wissenschaftler ein Erdbeben mit einer Stärke von über 8 auf der Richterskala für möglich halten. Seismische Lücken sind Gebiete an Rändern von tektonischen Platten mit einem hohen Risiko für stärkere Erdbeben.
Außerdem ist das Gebiet anfällig für Erdrutsche – es kommt häufiger zu Todesfällen. Nicht zuletzt gibt es ein sensibles Ökosystem. In den Wäldern der Region leben Leoparden, Panther, Himalaya-Schwarzbären, Füchse, Wildziegen und Wildkühe.
Shailendra Yashwant, leitender Berater des Climate Action Network South Asia, forderte eine "faire und gründliche Bewertung" der Auswirkungen des Bergbaubetriebs auf die landwirtschaftliche Produktion.
Nicht einfacher wird die Rohstoffförderung durch die fragile politische Situation in der Region. Die im Kaschmir-Tal ansässige People’s Anti-Fascist Front (PAFF) – das indische Innenministerium hatte die Gruppe kürzlich aufgrund ihrer Verbindung mit der Terrorgruppe Jaish-e-Mohammed verboten – hat sich nach der Bekanntgabe des Lithiumfunds bereits zu Wort gemeldet. PAFF will demnach "Diebstahl und Ausbeutung" der Ressourcen von Jammu und Kaschmir nicht zulassen.
Wie viel Lithium liegt wirklich in Kaschmir?
Offene Fragen gibt es auch noch im Hinblick auf die tatsächliche Größe des Funds. Dies ist keine Besonderheit. Bislang handelt es sich um abgeleitete Ressourcen und damit Erkenntnisse in einem sehr frühen Explorationsstadium. Gemäß dem Mines and Minerals (Development and Exploration) Act von 1957 handelt es sich um die zweite von vier Stufen.
Deepak Krishnan, Associate Director bei World Resources Institute (WRI) India mahnte, das Land müsse seine Erwartungen dämpfen. "Es gibt noch ein paar weitere Bewertungsstufen, bevor die nachgewiesene Reserve richtig identifiziert werden kann".
Gegenüber der auf die Asien-Pazifik-Region fokussierten Zeitschrift The Diplomat konkretisierte er, dass sich der Schwerpunkt der Arbeiten "auf die Bewertung des kommerziellen Abbaupotenzials verlagern" müsse. Dabei müssten "die lokalen ökologischen und sozialen" Begebenheiten berücksichtigt werden.
In jedem Fall wird es bis zur effektiven Förderung von Lithium noch dauern – selbst, wenn alle Herausforderungen gemeistert werden können. Von der Feststellung abgeleiteter Ressourcen an dauert es regelmäßig zehn Jahre und länger bis zum Abbau von Mineralien. Kurzfristig hilft der Fund Indien also ebenso wenig wie der kürzlich in Schweden vermeldete Fund die Versorgung Europas mit Seltenen Erden sicherstellt.
Indien hat in den vergangenen Jahren verschiedene Maßnahmen zur Sicherstellung seiner Versorgung mit Lithium ergriffen. Dazu gehören strategische Partnerschaften mit Argentinien, ein vorläufiges Abkommen mit Australien und eine Absichtserklärung mit Bolivien.
Derzeit bezieht Indien sein Lithium vorwiegend aus Australien und Argentinien. Lithium-Ionen-Zellen werden weitgehend aus China und Hongkong importiert.