Immer mehr Prognosen deuten inzwischen auf einen deutlichen wirtschaftlichen Einbruch hin. Noch handelt es sich dabei überwiegend um Spekulation – die Märkte sind aktuell vor allem damit beschäftigt, den drastisch veränderten makroökonomischen Ausblick einzuarbeiten, der sich aus dem steigenden Risiko eines globalen Handelskriegs ergibt.
In einem heute veröffentlichten Anlegerbrief betont der CEO von JP Morgan, Jamie Dimon, dass bislang keine konkreten Anzeichen für einen Abschwung erkennbar seien. „Ob das Menü der Zölle eine Rezession auslöst oder nicht, wissen wir noch nicht – aber es wird das Wachstum verlangsamen.“
Diese Einschätzung dürfte das obere Ende des derzeitigen Optimismusspektrums markieren. Anderswo zeichnet sich bereits ein klarer Trend in Richtung Pessimismus ab. Goldman Sachs (NYSE:GS) etwa warnt: „Sollten die meisten Zölle wie geplant ab dem 9. April greifen, würde der effektive Zollsatz um geschätzt 20 Prozentpunkte steigen – unter Berücksichtigung zusätzlicher sektoraler Maßnahmen und trotz möglicher späterer länderspezifischer Vereinbarungen. Sollte dieses Szenario eintreten, werden wir unsere Prognose in Richtung einer Rezession anpassen.“
Der Kalshi-Wettmarkt sieht die Lage ähnlich kritisch: Heute Morgen lag die geschätzte Rezessionswahrscheinlichkeit bei 67 %, nachdem sie Ende Februar noch bei etwa 25 % gelegen hatte.
Etwas Hoffnung kommt von politischer Seite: Präsident Trump hat am Sonntagabend Gesprächsbereitschaft signalisiert. Er erklärte, er sei „offen für Gespräche“ über neue Handelsabkommen mit führenden internationalen Politikern. „Ich bin bereit, mit China zu verhandeln, aber dieses Land muss seinen Überschuss abbauen“, sagte er an Bord der Air Force One. Gleichzeitig stellte er jedoch klar, dass die bestehenden Zölle vorerst in Kraft bleiben: „Solange wir dieses Problem nicht gelöst haben, werde ich keine Deals machen.“
Es besteht also möglicherweise noch eine Chance auf Entspannung. Unterstützt wird dieser vorsichtige Optimismus durch die jüngsten Konjunkturdaten, die nach wie vor auf eine solide wirtschaftliche Entwicklung in den USA hindeuten.
So zeigen die Beschäftigtenzahlen für März eine robuste Dynamik: Die Zahl der Neueinstellungen ist im vergangenen Monat um 228.000 gestiegen – deutlich mehr als der revidierte Anstieg von 117.000 im Februar.
Ein weiteres positives Signal liefert der wöchentliche Wirtschaftsindex der Dallas Fed: Bis zum 3. April hat die gesamtwirtschaftliche Aktivität in den USA demnach um über 2 % zugelegt – ein Hinweis darauf, dass es trotz aller Unsicherheiten noch Rückenwind für das Wachstum gibt.
Das Problem ist: Es droht nicht weniger als eine neue Weltordnung in Form eines globalen Handelskriegs. Die bisher veröffentlichten Daten verlieren in diesem Szenario zunehmend an Aussagekraft. Entscheidend wird sein, wie sich die Zahlen in der Zeit nach dem sogenannten „Tag der Befreiung“ entwickeln.
In dieser Hinsicht scheint Präsident Trump alle Trümpfe in der Hand zu halten. Das eigentliche Risiko für die wirtschaftlichen Aussichten liegt jedoch in der Ungewissheit darüber, wie und wann er sein Blatt ausspielen wird.
Der makroökonomische Trend kann sich also in beide Richtungen bewegen – währenddessen läuft die Zeit. Wann genau der Punkt erreicht ist, an dem wir den Rubikon in Richtung Rezession überschreiten, bleibt offen. Doch eines ist sicher: Je länger die Drohung von Zöllen im Raum steht und Regierungen weltweit dazu bringt, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, desto wahrscheinlicher wird es, dass sich Jamie Dimons verhaltener Optimismus letztlich als unbegründet erweist.