Ohne preiswerte Energie gibt es kein Wachstum. Den wenigsten Menschen ist bewusst, dass Energie direkt und indirekt in alle Prozesse einer Volkswirtschaft ein fließt. Sie werden keinen Preis für ein Produkt oder eine Dienstleistung finden, indem nicht anteilig der Preis für Energie eingearbeitet ist. Daher ist es so wichtig für das nachhaltige und gesunde Wachstum einer Wirtschaft, dass der Preis für Energie so niedrig wie möglich ist.
Mindestens genauso wichtig ist es aber, dass die Politik den Preis für Energie nicht künstlich durch Sondersteuern belastet. Denn mit jeder Erhöhung der Steuerbelastung sinkt die Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu Ländern, die Energie nicht mit Sondersteuern belasten. Oder anders gesagt: Eine Regierung, die Energie mit Sondersteuern belegt, akzeptiert explizit oder zumindest implizit, dass man die eigene Wirtschaft schwächt im relativen Vergleich zu konkurrierenden Ländern. Die (oftmals gut gemeinten) Begründungen für die Sondersteuern spielen im Übrigen keine Rolle: Wenn das konkurrierende Land nicht dieselben Sondersteuern auf Energie erhebt, schwächt die eigene Regierung die heimische Wirtschaft mit Vorsatz.
Der Grundgedanke ist deshalb so wichtig, weil uns die vergangenen Jahre gezeigt haben, wie abhängig die Industrieländer von preiswerter und stets verfügbarer Energie sind. Besonders alarmierend waren die abrupten Eingriffe in die Energieversorgung aus Russland, die ein bis dato stabiles und kontinuierlich austariertes System ins Chaos stürzten. Mit allen unerwünschten Folgen, angefangen von Preiserhöhungen, wie sie in der Zeit seit Gründung der Bundesrepublik nie zu verzeichnen waren, über Energieengpässe für die Wirtschaft bis hin zu einer tiefen Verunsicherung der Bevölkerung.
Zwei verlorene Jahre
Zwei verlorene Jahre verzeichnet die deutsche Wirtschaft inzwischen. Seit Anfang 2022 hat die deutsche Wirtschaft nicht zwei aufeinanderfolgende Quartale mit Wachstum verzeichnet.
Und wie aus Berlin zu hören ist, erwartet man inzwischen auch nicht mehr, dass die Wirtschaft 2024 wachsen wird. Was nur folgerichtig ist, denn das Wirtschaftswachstum Deutschlands basierte seit den 90er-Jahren bisher auf drei wichtigen Katalysatoren:
1) Preiswerte Energie aus Russland.
2) Preiswerte Arbeitskräfte in Osteuropa und China.
3) Eine boomende Volkswirtschaft in China, die verlängerte Werkbank und der größte Absatzmarkt zugleich war.
Alle drei Katalysatoren haben in den vergangenen Jahren drastisch an Wirkung eingebüßt. Das begründet im Kern die anhaltende Wirtschaftsschwäche Deutschlands, die nicht mit der globalen Konjunkturentwicklung zu erklären ist. Alle wichtigen Industrieländer entwickeln sich signifikant stärker als die deutsche Volkswirtschaft. Aber kein Grund zum Jammern, denn:
Die einzige Konstante ist die Veränderung. Die deutsche Wirtschaft hat keine Wahl, sondern muss sich den Gegebenheiten anpassen und sich neue Katalysatoren suchen, die das Land wieder zu neuem Wachstum führen. Offensichtlich ist, dass Künstliche Intelligenz in den kommenden Jahrzehnten das meiste Wachstum auf sich ziehen wird. Ähnlich wie die Erfindung der Dampfmaschine, des Automobils, Radios, Computers oder dem Internet. Die Frage ist jedoch, wie Deutschland von diesem Katalysator profitieren kann, um das eigene Wachstum voranzubringen, denn mit offenen Armen wird der neue Katalysator nicht empfangen. Stattdessen werden der KI-Branche Steine in den Weg gelegt.
KI leidet unter hausgemachten Hemmnissen
Die beiden wichtigsten Hemmnisse sind hausgemacht. KI wird sich noch über Jahre hinweg in einer rapiden Entwicklungsphase bewegen. Die „wilden Jahre“ sind also noch lange nicht vorbei. Und was Unternehmen und Start-Ups in diesem Umfeld brauchen, sind zwei Dinge: 1) unternehmerische Freiheit und 2) Risiko-Kapital. Während das Epizentrum der Entwicklung im Silicon Valley stattfindet, ist die größte Errungenschaft in Europa, dass der Einsatz von KI so streng reguliert wurde wie nirgendwo anders auf der Welt. Der erste Instinkt war also, wie man das Thema so gut wie möglich kontrollieren kann, indem man den Unternehmen und Start-Ups die unternehmerische Freiheit nimmt. Das zweite Hemmnis ist, dass Unternehmen und Start-Ups in den USA viel leichter und günstiger an Risikokapital kommen, das für solche innovativen Entwicklungen unabdinglich ist. Die Europäer hingegen ignorieren das Thema Risikokapital und -kultur sowohl auf staatlicher Ebene als auch in der Privatwirtschaft. Eine echte Risikokultur, die es in der Vergangenheit gab, wird in der Praxis inzwischen aktiv und passiv abgelehnt.
Würde die Regulierung von KI einen positiven Effekt haben, bräuchte man nicht zwingend über den Sinn diskutieren. Doch die Europäische Union hat ein derart unattraktives Umfeld errichtet, dass ein führendes KI-Unternehmen nach dem anderen es ablehnt, ihre KI-Produkte überhaupt in der Europäischen Union anzubieten. Aus Sorge davor, dass man sich in den kommenden Jahren Milliarden-Strafen und langjährigen Prozessen gegenübersieht und dann noch im Zweifel gezwungen wird, den eigenen hart erarbeiteten Erfolg mit den Konkurrenten zwangsweise teilen zu müssen. Damit schreckt die Europäische Union nicht nur die Innovatoren ab, sondern selbst die Nutzungsmöglichkeiten von KI-Dienstleistungen, die unsere Produktivität drastisch erhöhen können, werden von den ausländischen KI-Unternehmen eingeschränkt.
Das dritte Hemmnis ist die Energieversorgung. Die Kehrseite der beeindruckenden Leistungen und Innovationssprünge, die KI uns bringt, ist, dass die Technologie sehr energiehungrig ist. Und dieser „Hunger“ wird in Zukunft nur noch steigen. Das Beispiel von Microsoft (NASDAQ:MSFT), die mit Constellation Energy (NASDAQ:CEG) einen 20-jährigen Vertrag über die exklusive Benutzung des Meilers 1 des Three Mile Island Kernkraftwerks abgeschlossen haben, sollte ein Weckruf für die europäische Energiepolitik sein. Denn:
Keine KI mit Wind und Sonne
Wer rechnen kann, erkennt sofort, dass Europa auf dem Holzweg ist. Nicht ganz Europa, aber insbesondere die wichtigste Volkswirtschaft der Europäischen Union. Die Grundvorstellung, dass das wichtigste Industrieland in Europa in Zukunft mit Wind und Sonne betrieben werden kann, ist längst Geschichte. Die Energiemengen, die die KI ständig und ohne Unterbrechung verlangt, können preiswert und klimaneutral nur mit Kernkraftwerken produziert werden. Die Frage, die sich Deutschland kollektiv stellen muss, lautet also:
Will man in Zukunft in Deutschland am KI-Boom teilhaben oder nur aus der Ferne zusehen, wie der Wohlstand der anderen Länder wächst? Entscheidet man sich dafür, den Zug nicht komplett zu verpassen, dann muss neben der unternehmerischen Freiheit nicht nur eine neue Risikokultur etabliert werden, sondern auch der Wiedereinstieg in die Kernenergie vorangetrieben werden. Anders geht es nicht.
USA sind führend beim Energie-Boom
Die USA sind in allen diesen Bereichen führend. Insbesondere im Hinblick auf den steigenden Energiebedarf reagiert man flexibel und mit viel Engagement. Und die Börse nimmt diesen Energieboom selbstverständlich wie immer vorweg. Die gesamte Nuklear-Branche, die in den vergangenen Jahrzehnten dahinsiechte, ist in eine steile Rallye übergegangen, die man sich (auch als deutscher) Privatanleger dringend ansehen muss.
Die Auswahl ist vergleichsweise groß. Neben Kernkraftbetreibern wie Constellation Energy gibt es noch Zulieferer und Dienstleistern wie BWX Technologies (NYSE:BWXT) und Curtiss-Wright (NYSE:CW), die vom Reaktorbau über die Versorgung mit Kernbrennstoffen alles anbieten.
Nicht zu vergessen sind Uran-Minen wie Cameco (NYSE:CCJ), die nach Fukushima lange im Abseits standen, aber seit 2021 wieder sehr gefragt sind. Im kommenden Zürcher Finanzbrief 21/24 stelle ich Ihnen daher unser Atom-Depot vor, das gezielt in die Favoriten dieses Booms investiert.
Ein Artikel von
Mikey Fritz
Chefredakteur Zürcher Finanzbrief