In den zurückliegenden Jahren haben viele Staaten dringend notwendige Infrastrukturmaßnahmen immer wieder auf die lange Bank geschoben. Die Chancen, dass zahlreiche Länder ihre teils marode Infrastruktur nun Schritt für Schritt auf Vordermann bringen, stehen aber gut. An dieser Entwicklung können auch Anleger partizipieren.
Lüdenscheid im Sauerland steht symbolisch für die marode Verkehrsinfrastruktur in Deutschland. Die dort Anfang Mai gesprengte Rahmedetalbrücke war zu diesem Zeitpunkt bereits seit eineinhalb Jahren nicht mehr befahrbar. Und auch nach der Sprengung wird es noch mindestens drei Jahre dauern, bis die A45 an diesem Ort wieder befahrbar ist. So lange wird der Bau einer neuen Brücke mindestens dauern – und der Verkehr mitten durch Lüdenscheid geleitet. Die Region um Lüdenscheid bleibt daher über Jahre ein Stauschwerpunkt, der Pendler und Unternehmen Zeit und Geld kostet.
Infrastruktur-Maßnahmen: Enormer Nachholbedarf
Nicht nur in Deutschland, sondern rund um den Globus besteht ein enormer Bedarf an Investitionen in die Infrastruktur. Zum einen, weil zahlreiche Industriestaaten wie etwa Deutschland, Italien, Großbritannien oder die USA in den vergangenen Jahrzehnten zu wenig in Straßen, Tunnel, Brücken, Leitungsnetz, Schienennetz, Häfen und Flughäfen investiert haben und inzwischen ein hoher Nachholbedarf besteht. Nicht von ungefähr haben die USA Ende 2021 ein Infrastrukturprogramm in Höhe von 1,2 Billionen Dollar beschlossen – unter anderem, um auch Leitungsnetze für Strom und Wasser wieder fit zu machen.
Zum anderen herrscht großer Investitionsbedarf im Bereich Infrastruktur durch die technische und gesellschaftliche Entwicklung. In Deutschland fehlt es heute etwa an Windrädern und Stromtrassen für die Verteilung erneuerbarer Energie, an Ladestationen für E-Autos, an flächendeckend schnellem Internet, an Verladehäfen und -stationen für Flüssiggasimporte und an ausreichenden Kapazitäten für den Schienengüterverkehr.
94 Billionen US-Dollar bis 2040
Vergleichbares gilt für viele Länder der Erde. Vor allem in den Schwellenländern ziehen nach wie vor viele Menschen vom Land in die Stadt, etwa in China oder Südamerika. Die Infrastruktur wird also an anderer Stelle belastet als vor zehn oder 20 Jahren. Länder wie Indien mit rasant wachsender Bevölkerung stehen vor der kaum zu bewältigenden Aufgabe, alle Bewohner mit Strom, Wasser, Abwasserkanälen, nutzbaren Verkehrswegen und Telekommunikationskanälen auszustatten. Um eine nutzbare Infrastruktur aufzubauen, sind gewaltige Summen erforderlich. Nach Schätzungen des Global Infrastructure Hub der G20-Staaten müssten bis 2040 weltweit 94 Billionen US-Dollar investiert werden, damit die Infrastruktur mit dem Wirtschaftswachstum mithalten kann und die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen erreicht werden können.
Die Politik gibt Infrastrukturinvestitionen dabei die Richtung vor. Die EU-Taxonomie etwa, als Klassifikationssystem für nachhaltige Geschäftstätigkeiten, will Investitionen so lenken, dass die Klima- und Energieziele der Europäischen Union erreicht werden. Für Unternehmen und Investoren sind die politischen Rahmenbedingungen eine Herausforderung, aber auch eine Chance auf lukrative Aufträge für jene Betriebe und Geldgeber, die sich bereits im Bereich Nachhaltigkeit positioniert haben oder entsprechend anpassungsfähig sind.
Darauf sollten Anleger achten
Das Thema Infrastruktur bietet Anlegern somit auf Jahre hinaus gute Renditechancen. Zu den Gewinnern der notwendigen Infrastrukturmaßnahmen dürfte in erster Linie die klassische Baubranche zählen. Vor allem international aufgestellte, große Baukonzerne und Spezialbaufirmen, etwa für den Brückenbau, sollten von dem großen Bedarf profitieren; ebenso Unternehmen, die in den Bereichen Energieeffizienz von Gebäuden sowie Strom- und Wasserinfrastruktur tätig sind. Nicht zuletzt gehört auch die Erneuerbare-Energien-Branche dazu.
Auf der anderen Seite bestehen bei Infrastrukturprojekten nicht zu vernachlässigende Risiken. Beispielsweise haben sich viele Unternehmen vor der Zinswende hoch verschuldet und könnten bei weiter steigenden Zinsen Schwierigkeiten mit der Refinanzierung ihrer Schulden bekommen. Zum anderen können sich Infrastrukturprojekte generell verzögern, verteuern oder auch scheitern. So hat zum Beispiel die Corona-Pandemie viele Bauprojekte zum Stillstand gebracht und es dauerte lange, bis sie wieder Fahrt aufnahmen.
Daher sollten trotz der attraktiven Aussichten Unternehmen, die im Bereich Infrastruktur tätig sind, nur einen kleinen Teil des Depots ausmachen – beispielsweise in Form von Aktien, Anleihen oder Fonds mit Schwerpunkt Infrastruktur. Ratsam ist es vielmehr, seine Investments über viele Länder, Branchen und Asset-Klassen zu streuen. Das ist und bleibt das A und O für den langfristigen Vermögensaufbau.
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