Die allgemein erwarteten US-Sanktionen gegen venezolanisches Öl sind da. Was nicht gekommen ist, ist die Rallye, die viele vom Abwürgen der Lieferungen von schwerem, schwefelreichem Rohöl erwartet hätten, das die amerikanischen Raffinerien benötigen, um Diesel und andere Treibstoffe zu produzieren.
Im frühen Handel am Dienstag in Singapur, lagen die beiden bekanntesten Ölbenchmarks—der US-amerikanische West Texas Intermediate und das Londoner Brent—beide weniger als ein halbes Prozent höher. Dass die globalen Ölpreise keine aussagekräftigen Zugewinne verbuchen konnte, obwohl US-Unternehmen jetzt Geschäfte mit Venezuelas staatlicher Ölgesellschaft PDVSA untersagt sind, spricht Bände über die erwarteten Folgen der Sanktionen.
Das Ausbleiben einer größeren Rallye war noch überraschender, wenn man den Preiseinbruch am Montag um drei Prozent von WTI- und Brentfutures berücksichtigt. Eine volle Erholung im Terminhandel am Dienstag wäre durch die wahrgenommene Verknappung von “saurem” Rohöl im Markt gerechtfertigt gewesen, auf das die US-Raffinerien an der Küste vom Golf von Mexiko besonders stark angewiesen sind.
Schadensbegrenzung durch Vielzahl von Faktoren
Aber wie es aussieht, könnten eine Vielzahl von Faktoren den Ölbullen ihren Zahltag vorenthalten, den sie von der politischen Krise erwartet hatten, die sich in Caracas entfaltet.
Der wichtigste unter ihnen ist der Ausblick für die Weltwirtschaft, meint Phil Davis, Gründer von PSW Investments aus New York, der sich schneller verschlechtert, als jegliche Angebotsverknappung durch die Produktionssenkungen der OPEC.
Der Absturz der Ölpreise am Montag setzte ein, als die bekannt wurde, dass die Gewinne chinesischer Industriekonzerne im Dezember den zweiten Monat in Folge gesunken sind, was die Schwächesignale aus der zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt verstärkte, nachdem der Internationale Währungsfonds einen düsteren Ausblick für die Weltwirtschaft vorgelegt hatte. Peking berichtete zudem vor einer Woche, dass seine Wirtschaft in 2018 so langsam wie in 30 Jahren nicht mehr gewachsen ist. US-Firmen, die in China produzieren, wie Caterpillar (NYSE:CAT) und NVIDIA (NASDAQ:NVDA), haben unterdessen Gewinnwarnungen herausgegeben.
Blutleere Nachfrage
Davis weiter:
“Das Ergebnis von alledem ist eine anämische Nachfrage nach Öl insgesamt, von Benzin zu Diesel und von Flugkerosin zu Eisenbahntreibstoff. In den USA werden wir keine große feiertagsbedingte Reisetätigkeit sehen, bis der US-Volkstrauertag kommt, was weniger Benzinverkäufe an den Tankstellen bedeutet. Auch beim Frachtverkehr werden außerordentliche Aufkommen wie bei der zur Lieferung von Feiertagspaketen ausbleiben. Daher, während es eine Knappheit an saurem Rohöl zur Dieselherstellung geben mag, ist die tatsächliche Nachfrage nach Diesel selbst viel geringer, als es für eine dauerhafte Ölrallye notwendig wäre.”
Trotz der Produktionskürzungen Saudi-Arabiens, Russlands und anderer Mitglieder des vergrößerten OPEC+ Produzentenkartells seit Dezember, geht der Welt nicht gerade das Öl aus.
Die Internationale Energieagentur sagte im September, dass die globale Ölproduktion im August auf ein historisches Hoch von 100 Mio Fass am Tag (barrels per day, bpd) gestiegen ist. Die US-Benzinvorräte erreichten letzte Woche neue Rekordhochs und das American Petroleum Institute warnte davor, dass die Lagerbestände zu “einer Last werden könnten” und weiter die Preise an den Tankstellen nach unten ziehen könnten, die sich bislang kaum vom 40 prozentigen Rückgang im vergangenen Jahr erholt haben, obwohl die WTI-Futures in diesem Jahr schon um 15% gestiegen sind.
Venezuela kann immer noch außerhalb der USA liefern
Die Sanktionen der Trump-Administration werden in ihrer Wirksamkeit dadurch beschränkt, dass sie PDVSA zwar den Ölexport in die USA verbieten, aber keine Restriktionen gegen den Verkauf von venezolanischem Öl an andere Länder verhängen. Das bedeutet, dass es der Regierung von Nicholas Maduro—den Washington nicht mehr als legitimen Staatschef ansieht—möglich ist, ihr Rohöl in andere Destinationen zu verschiffen.
Wegen der seit einem Jahrzehnt andauernden Verarmung des Landes und dem Mangel an Investitionen in die Produktion, sind die Ölexporte Venezuelas in die Vereinigten Staaten von einstmals 1,2 Mio bpd auf weniger als 500.000 bpd gefallen. Das entspricht weniger als 10% der gesamten US-Ölimporte, die irgendwo zwischen 5 und 8 Mio Fass die Woche liegen.
Die Raffinerien an der US-Golfküste, die über Jahre stark von venezolanischem Öl abhingen, haben versucht sich auf “süßes”, leichtes Rohöl umzuorientieren, als auch mittelschweres Ölsorten, da das Angebot an saurem Öl knapper wird, schon wegen der rückläufigen Produktion in Mexiko und in letzter Zeit wegen geringerer Exporte der OPEC. Valero (NYSE:VLO), Chevron (NYSE:CVX) und Citgo zählen zu den größte Importeuren von venezolanischem Rohöl in den Vereinigten Staaten.
Die Schwierigkeit, an schwerere Ölsorten zu kommen, führten letzte Woche zum höchsten Aufschlag seit fünf Jahren für saures Mars Blend gegenüber WTI.
Kanada, dass schon jetzt der größte Lieferant von allen möglichen Öltypen in die USA ist, hat genug schwere Rohöl, kann dieses aber nicht so einfach an die Raffinerien an der Golfküste transportieren, da die notwendigen Pipelines fehlen.
Kreatives Denken wird US-Raffinerien beim Finden von Alternativen helfen
Und doch könnten der Irak, Kolumbien und Mexiko einige ihrer schwereren Ölmischungen in die USA umleiten, sollte Venezuela versuchen, seine Förderung wegen des Importverbots in den USA nach Asien zu verkaufen.
All das beweist nur eines: Mit etwas Kreativität und Planung, können die Raffinerien mit den neuen Sanktionen fertig werden.
Der Verband American Fuel & Petrochemical Manufacturers, der 95% der Raffineriebranche repräsentiert, hat dies schon durchblicken lassen, als er sich den Sanktionen Washingtons gegen PDVSA am Dienstag kaum widersetzte, während er sich in der Vergangenheit heftig gegen jeden Versuch stark gemacht hatte, venezolanische Öllieferungen zu blockieren.
Und zu guter Letzt: Der Trump-Faktor
Angesichts des reichlichen Benzinangebots am Markt ist es unwahrscheinlich, dass die Preise an den US-Tankstellen wegen der Sanktionen stark ansteigen werden.
Natürlich könnte das alles anders werden, sollte Maduro sich weitaus länger im Amt halten als erwartet, was die Machtübernahme durch Oppositionsführer Juan Guaido blockieren würde, den Washington als den neuen Chef in Caracas anerkennt.
Sollten die Ölfutures wegen der Krise eine starke Rallye einläuten, dann gibt es immer die Möglichkeit, dass Präsident Donald Trump, dessen Abneigung gegen hohe Ölpreise allseits bekannt ist, eine neue Serie von Ausnahmegenehmigungen für iranisches Öl ausstellen könnte, um den Markt zu beruhigen, genau wie schon im letzten Jahr.
Davis von PSW meint:
“Von alle den unbekannten Faktoren am Ölmarkt ist Trump der größte. Sie wissen nie, wozu er fähig ist.”
PS: Mit unseren Apps sind Sie immer auf dem aktuellen Stand, dass Sie einfach überall das Marktgeschehen beobachten können.
Laden Sie noch heute die kostenfreie App von Investing.com herunter und überzeugen Sie sich selbst.