Es scheint eine Ewigkeit her zu sein, dass der US-Regierung ein Shutdown drohte, tatsächlich aber tanzte Washington erst im vergangenen Frühjahr sehr nahe am Abgrund. Ein Da-Capo könnte bevorstehen, da die politische Pattsituation im Kongress zu einem weiteren Spielchen mit dem 30. September als Frist für die Verabschiedung eines Ausgabengesetzes hinsteuert.
Die Bedrohung steigt mit jedem Tag, an dem der politische Krieg innerhalb der republikanischen Fraktion des Repräsentantenhauses tobt. Da nur noch 10 Tage für die Verabschiedung eines Gesetzes verbleiben, wird die Zeit für eine friedliche Lösung immer knapper. Trotz des schwindenden Zeitfensters berichtet Axios: "Die meisten Analysten scheinen die Risiken ziemlich gelassen zu sehen."
"Ein regierungsweiter Stillstand würde das Wachstum direkt um etwa 0,15 % pro Woche verringern; unter Berücksichtigung bescheidener Auswirkungen auf den Privatsektor könnte der Wachstumsrückgang etwa 0,2 % pro Woche betragen. Im Quartal nach der Wiedereröffnung würde das Wachstum im gleichen Umfang steigen", schrieben die Ökonomen von Goldman Sachs (NYSE:GS) im August.
"Shutdowns sind in der Regel sehr kurzlebig und haben einen vernachlässigbaren Einfluss auf das Wirtschaftswachstum", schrieben die Fixed-Income-Analysten von UBS (SIX:UBSG) Anfang des Monats.
Morgan Stanley (NYSE:MS) veröffentlichte letzte Woche einen ähnlichen Ausblick und riet den Anlegern:
"Ein solcher Shutdown kann beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) nur bescheidene Verluste verursachen" und dass "die 20 Shutdowns, die es seit 1976 gegeben hat, nur begrenzte Auswirkungen auf die Wirtschaft zu haben scheinen." Die Geschichte deutet auch darauf hin, dass ein solcher Stillstand nur von kurzer Dauer wäre - "im Durchschnitt etwas mehr als eine Woche."
Ein mögliches Datenvakuum für wirtschaftliche Analysen könnte jedoch problematisch sein. Das gilt umso mehr in dieser Phase des Konjunkturzyklus, in der die US-Notenbank angesichts der Ungewissheit über die Inflation und die Wirtschaftstätigkeit um eine Anpassung der Geldpolitik Probleme hat, den richtigen geldpolitischen Pfad zu wählen.
Greg Daco, der Chief Economist von EY-Parthenon, prognostiziert:
"Ein Shutdown würde zu einer Verzögerung bei der Veröffentlichung von Wirtschaftsdaten führen, da sich die Datenerfassung, -verarbeitung und -verbreitung der Behörden verzögern würde."
Im Dezember 2018 und Januar 2019 führte der 35-tägige Shutdown der Regierung zu einer Datendürre mit der Verschiebung von mehr als 10 wichtigen Wirtschaftsdaten, darunter Daten zu Handel, Wohnen und Verbraucherausgaben.
Angesichts der aktuellen Wirtschaftslage und der zahlreichen Unsicherheiten, die sich am Horizont abzeichnen, könnte der Mangel an Daten für die Wirtschaftsexperten des privaten Sektors, die Investoren und die politischen Entscheidungsträger der Fed, die sich bei der Beurteilung der US-Wirtschaftsleistung teilweise im Blindflug befänden, ein erhebliches Problem darstellen.
Auch Agron Nicaj, US-Ökonom bei MUFG, sieht in der Datendürre eine problematische Entwicklung.
"Entscheidungen werden auf der Grundlage der Einheitlichkeit und Zuverlässigkeit von Regierungsdaten getroffen", sagt er. "Das gilt insbesondere im heutigen Wirtschaftsklima, in dem die Unsicherheit groß ist und die Fed kaum Spielraum für Fehler hat, wenn sie die Geldpolitik auf einer solchen Basis zu stark oder zu wenig straffen könnte."
Obwohl die Geschichte andeutet, dass ein Shutdown nur von kurzer Dauer und die Auswirkungen minimal sein würden, glauben einige Fachmänner, dass es dieses Mal anders sein könnte.
"Wenn es am 1. Oktober zu einem Shutdown kommt, könnte dieser ziemlich lange dauern, da es keinen handlungsbestimmenden politischen Katalysator gibt, der die Gesetzgeber zwingen würde, eine gemeinsame Basis zu finden und ihre Finanzstrategie zu verabschieden", prognostiziert Chris Krueger von der TD Cowen Washington Research Group in einer Notiz. "Politisch problematisch ist lediglich der 13. Oktober, wenn die Schecks für das uniformierte Militär fällig werden."
Unterdessen kletterte die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen gestern (19. September) auf ein neues 16-Jahres-Hoch und schloss bei 4,37 %.
Im weiteren Verlauf des heutigen Tages wird die US-Notenbank voraussichtlich eine Pause bei den Zinserhöhungen und neue Prognosen für die Wirtschaft ankündigen, gefolgt von der Pressekonferenz des Notenbankchefs Jerome Powell.
Die Fed befindet sich schon jetzt in einer schwierigen Lage, da sie sich auf ihr Ziel einschießen muss, die Inflation mit minimalen Auswirkungen auf die Wirtschaftstätigkeit in den Griff zu bekommen. Ein Shutdown der Regierung würde die Erreichung dieses Ziels erschweren und das Risiko politischer Fehler erhöhen, wenn der Informationsfluss der Regierung unterbrochen würde.
"Wenn die Fed die Stärke der realen Wirtschaft überschätzt und die Zinsen im November weiter anhebt - wegen der verzögerten Abwärtskorrekturen der Daten für Juli und August und des verzögerten Zugangs zu den schwächeren Daten für September und Oktober - könnten daraus unnötige Kosten und Risiken für Investoren, Unternehmen und Haushalte folgen", kommentiert Julia Pollak, Chief Economist von ZipRecruiter.
"Bis die Fed dann ihren Irrtum entdeckt hat, könnten die Auswirkungen einer übermäßigen Straffung der Geldpolitik nur noch schwer zu korrigieren sein."