An den Aktienmärkten ist weiterhin ein Zerren zwischen Bullen und Bären zu erkennen. Nach der vorgestrigen Kurserholung, die unter einem volatilen Auf und Ab stattfand, haben die US-Indizes im nächtlichen Handel (MEZ) noch einmal relativ deutlich nachgegeben (zum Beispiel ca. 300 Punkte im Dow Jones) und damit die Kurserholung und Kursstabilisierung des Vortages aufs Spiel gesetzt. Doch wenig später kam es wieder zu steigenden Notierungen, womit die Chancen auf eine Vermeidung einer größeren Korrektur gewahrt blieben.
Shutdown in den USA erneut abgewendet
Ein Grund für das erneute Comeback der Bullen kann die Entscheidung über die Abwendung eines Shutdowns in den USA gewesen sein. Am späten Donnerstagabend (Ortszeit) stimmte der Senat mit 69 zu 28 Stimmen einem Gesetzentwurf für einen Übergangshaushalt zu, nachdem nur wenige Stunden zuvor bereits das Repräsentantenhaus mehrheitlich mit 221 zu 212 Stimmen dafür gestimmt hatte. Damit wurde die Finanzierung der Regierung bis zum 18. Februar gesichert. Ohne dies wäre am gestrigen Freitag um Mitternacht (Ortszeit) wohl das Geld ausgegangen.
Zwar steht der Kongress bereits vor der nächsten dringenden Frist – nach Schätzungen des Finanzministeriums könnte die Schuldenobergrenze des Bundes von 28,9 Billionen Dollar Mitte Dezember erreicht sein – doch ist die Wahrscheinlichkeit nun hoch, dass man sich auch hier einigen wird. Ansonsten würde dem Bund wieder die Zahlungsunfähigkeit drohen.
Nur eine Handvoll Aktien hält die US-Indizes oben
Kurz vor Eröffnung des Xetra-Handel kam dann aber zunächst wieder etwas Verkaufsdruck auf die Aktienkurse auf. Und angeführt wurde dieser wieder einmal von den Technologieaktien des Nasdaq 100. Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Bericht, wonach die durchschnittliche Aktie des Technologieindex auf Jahressicht bereits 17 % im Minus notiert, während sich der Index selbst noch in der Nähe des Rekordhoch aufhält. Der Spread zwischen der Durchschnitts-Aktie und dem Index ist damit so hoch wie noch nie und sogar höher als am Hochpunkt der Dotcom-Blase.
S&P 500: Ein erneuter Vergleich mit 2018
Ähnliches gilt übrigens auch für den S&P 500. Erst am Dienstag hatte ich auf das Jahr 2018 verwiesen. Damals war der S&P 500 allein im Dezember um 16 % gefallen und hatte am 24. Dezember seinen Tiefpunkt erreicht. Zugleich hatten an diesem Tag 380 Aktien aus dem S&P 500 Kursverluste von 25 % und mehr binnen eines Monats erlitten.
Jüngst ist der S&P 500 gerade einmal um rund 5 % unter sein Rekordhoch zurückgefallen. Zugleich haben aber 486 der Aktien dieses Index in den vergangenen 30 Tagen bereits 25 % oder mehr verloren. Die Performance der Einzelaktien ist also aktuell noch schlechter als 2018, der Index selbst hält sich aber wesentlich besser.
Diese Informationen verdeutlichen noch einmal, dass die Aktienindizes in den USA lediglich von einigen wenigen Aktien oben gehalten werden, insbesondere von den Schwergewichten wie Apple (NASDAQ:AAPL), Microsoft (NASDAQ:MSFT), Tesla (NASDAQ:TSLA) oder inzwischen auch Nvidia (NASDAQ:NVDA). Und dies birgt natürlich das extrem hohe Risiko, dass es zu deutlichen Kursverlusten in den Indizes kommen kann, wenn diese wenigen Aktien auch einmal in eine Korrektur gehen.
Und ich hatte am Dienstag auch auf das Verhalten der institutionellen Anleger hingewiesen. Aus Angst um ihre bislang erzielte Jahresperformance könnten diese durchaus auch geneigt sein, die Schwergewichte auf den Markt zu werfen, weil diese nicht nur in den Aktienindizes ein hohes Gewicht haben, sondern auch in den Portfolios der Fondsmanager. Würde dieses Übergewicht nur in Richtung eines „normalen“ Maßes zurückgeführt, könnte dies den Aktienindizes bereits locker zweistellige Verluste einbrocken.
Aktien wanderten von den starken in die schwachen Hände
Übrigens waren es laut Statistiken offenbar Hedgefonds, die sich bei den jüngsten Rücksetzern von ihren Aktienpositionen getrennt haben, während Privatanleger als Käufer aufgetreten sind. Wir hatten es also jüngst wieder mit einer Marktphase zu tun, in der die sogenannten starken Hände auf der Verkäuferseite aufgetreten sind, während die Privatanleger, die an der Börse als die „schwachen Hände“ gelten, noch zu den Käufern gehörten. Häufig ist es aber leider so, dass am Ende der Privatanleger der Dumme ist. An der Börse spricht man in diesem Zusammenhang auch von „dumb money“ (dummes Geld).
S&P 500: Bislang wieder nur ein normaler Rücksetzer
Aber nach wie vor besteht Hoffnung. Schauen wir dazu nach den zuletzt langfristigen Analysen auf das kurzfristige Chartbild des S&P 500:
Mit der aktuellen 5%-Korrektur hat der Index zwar erneut die steilen und engen Aufwärtstrendkanäle gebrochen (grün), doch da dies bereits wiederholt der Fall war, verlieren die Trendkanäle an Relevanz, und damit auch das bearishe Signal des Trendbruchs.
Zudem wurden mit dem Rücksetzer, der bislang lediglich das Ausmaß vorangegangener hat, nur 50 % des jüngsten Aufwärtsimpulses (Welle 5) korrigiert. Damit gilt dieser Rücksetzer noch als völlig normale Gegenbewegung im Aufwärtstrend. Auch weil zwar am Mittwoch das Hoch der Welle 3 unterschritten wurde, die Rückeroberung aber bereits am vorgestrigen Donnerstag folgte. Und mehr als zwei rote Tageskerzen in Folge hat es im aktuellen Rücksetzer noch nicht gegeben.
So könnte es noch zu einer Jahresendrally kommen
Von einer Schwäche des Index kann man daher definitiv noch nicht sprechen. Allerdings verweise ich in diesem Zusammenhang noch einmal auf den Bericht oben, wonach sehr wohl die Mehrzahl der im S&P 500 (und auch im Nasdaq 100) enthaltenen Aktien bereits eine deutliche Schwäche zeigen. Es brodelt also quasi bereits unter der Oberfläche gewaltig. Und daher bleibe ich derzeit mit meinen Engagements äußerst vorsichtig und defensiv.
Einen Vorteil hat es allerdings, wenn so viele Aktien schon so stark korrigiert haben: Wenn diese Aktien nun einen Boden finden und zu neuen Aufwärtsbewegungen ansetzen und die Schwergewichte zugleich weiterhin gefragt bleiben, kann es noch zu einer ordentlichen Jahresendrally kommen.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg an der Börse
Ihr
Sven Weisenhaus