Lebhafte Nachfrage nach US-Staatsanleihen lässt die Rendite der Ton angebenden zehnjährigen Treasuries um 12 Basispunkte auf 3,65% fallen. Dieser Geldstrom hat zwei Auslöser: einige Investoren suchen einen „sicheren Hafen“ in Anbetracht der angespannten Situation in Nahost. Andere reagieren auf neue Umfrageergebnisse des CME FedWatchTools. Dieses besagt, dass der Markt die Wahrscheinlichkeit, dass die US-Notenbank die Zinsen auf ihrem nächsten Meeting nicht erhöht, nun mit 86% einstuft nach zuvor 72%. Das Ergebnis dürfte zum einen eine Nachwirkung der am Freitag gemeldeten moderaten Lohnzuwächse sein. Da der US-Anleihemarkt wegen des Columbus Day gestern geschlossen war, hatten die Rentenfutures dies zwar gestern voraus eingepreist, aber der Renditerutsch zeigt sich erst heute im Kassamarkt. Stimulierend wirkte zudem auch die Aussage der FED-Präsidentin von Dallas. Die ansonsten als eher „falkenhaft“ geltende Lorie Logan sagte laut Reuters, dass der Anstieg der langfristigen Renditen die Finanzierungsbedingungen (und damit die Liquidität) so weit gestrafft hätten, dass dadurch die Notwendigkeit weiterer Zinserhöhungen sinke.
Das Ausbleiben von Verkäufen nach dem Angriff der Hamas bewirkte, dass eingegangene Absicherungen an den Börsen schnell wieder aufgelöst wurden, so dass es zu einer breiten Erholungsbewegung an den US-Märkten kam. Der Renditerückgang beflügelte Technologieaktien, der Ölpreisanstieg die Energiewerte (NYSE:XLE). Zudem waren Goldminenwerte und Hersteller von Rüstungsgütern besonders gefragt. Auf der Verliererseite standen Airlines und Kreuzfahrtgesellschaften, was mit der vorläufigen Aussetzung von Flügen/Kreuzfahrten von und nach Israel zusammen hing und mit der Sorge vor wieder steigenden Treibstoffkosten.
Heute früh kam es zu einem sprunghaften Anstieg der Kurse in Japan, während Chinas Börsen mit Ausnahme des Techsektors schwächer tendierten. In Hongkong belasteten neue Sorgen um Country Garden (HK:2007). Der gigantische Immobilienkonzern, der einer der größten privaten Bauträger Chinas ist, hat erneut eine Zinszahlung versäumt und klagt über ernsthafte Liquiditätsprobleme. Die Aktie verlor 9,5%. Das Thema wird an den Märkten aber heute überhört: Europas Kurse ziehen gleich vom Start weg nach oben, auch hier kam es bereits gestern zu deutlichen Renditerückgängen. Mit Ausnahme der Energiewerte, die dem Markt wegen Gewinnmitnahmen heute etwas hinterherlaufen, zeigen sich alle Sektoren fest.
Der IWF hat seine Konjunkturprognosen für die USA ggü. Juli um 0,2%-Punkte nach oben geschraubt und erwartet nun ein Wachstum von 2,1% für das Jahr 2023. Für die Eurozone hingegen senkte er seine Einschätzung – ebenfalls um 20 Basispunkte - und geht nun von nur noch 0,7% aus. Global erwartet der Internationale Währungsfonds für 2023 ein Wachstum von 3% und für 2024 einen um 0,1% auf 2,9% herauf revidierten Anstieg der Weltwirtschaft. Am europäischen Anleihemarkt beobachten Analysten momentan die Spreadentwicklung zwischen deutschen und italienischen Staatsanleihen. Die Differenz der zehnjährigen Laufzeiten liegt aktuell bei über 2 Prozent. Damit dürfte die Aufmerksamkeit der EZB geweckt worden sein. Trotzdem erwarten Beobachter aber erst bei einer Zinsdifferenz von mindestens 250 Basispunkten, dass die EZB wieder vermehrt aktiv/steuernd eingreift. Deshalb sei es wichtig, die Entwicklung dieser Spreads zu beobachten. Daraus ließen sich ggf. dann Rückschlüsse ziehen, wie hoch die Entschlossenheit der EZB sei, diese erste Verteidigungslinie zu halten.
Der APX verliert heute zwar einen weiteren Punkt wegen der US-Vola, steht aber unmittelbar vor größeren Zugewinnen (Aktien Europa und Anleihemärkten). Deswegen halten wir an der derzeit höheren Abweichung zur empfohlenen Netto-Sollquote von 0% fest, wollen aber dann auch die Durchbrüche bestätigt sehen. Ein erster Test dürfte wegen der stark fallenden 20-Tage Durchschnitte bei DAX und STXE 600 morgen anstehen.