Die meiste Zeit des Jahres hat sich der Anleihenmarkt der Hoffnung hingegeben, dass die Zinserhöhungen der Fed ihren Höchststand erreicht hätten oder kurz davor stünden. Die Logik hinter dieser Einschätzung war der anhaltende Rückgang der Inflation nach dem Höhenflug im Jahr 2022.
Die Inflation ist immer weiter zurückgegangen, gleichzeitig hat der Markt aber immer wieder festgestellt, dass die Zukunft noch ungewiss ist, während die Fed immer weitere Zinserhöhungen durchzog.
Die "Weisheit" der Masse könnte sich im Anfangsstadium einer weiteren Realitätsprüfung befinden, während der Markt für Staatsanleihen damit liebäugelt, die Renditen weiter steigen zu lassen. Es ist noch zu früh, um zu sagen, ob der jüngste Anstieg nur ein Rauschen oder der Beginn eines Trends ist, der eine neue Abfolge höherer Renditen markiert, die die bisherigen Höchststände übertrumpfen.
Selbst wenn der Höchststand der Zinssätze endlich erreicht sein sollte, muss man sich fragen: Wie lange können die kumulierten hohen Zinsen noch Bestand haben? Länger als viele denken, prognostiziert Neel Kashkari, Präsident der Minneapolis Fed und stimmberechtigtes Mitglied des Zentralbankausschusses, der die Geldpolitik festlegt. "Ich denke, wir sind noch weit von Zinssenkungen entfernt", kommentiert er.
Gerade eben hat der Markt für Staatsanleihen die Renditen wieder nach oben korrigiert. Vor allem die Referenzrendite der 10-jährigen Staatsanleihen drängt in Richtung eines Jahreshöchststands. Bei Verwendung einer Reihe von exponentiellen gleitenden Durchschnitten für diese Verzinsung zeichnet sich eine erneute Aufwärtstendenz ab.
Ein ähnliches Profil ergibt sich bei der auf die Geldpolitik sensibel reagierende Rendite 2-jähriger Staatsanleihen, die knapp unter ihrem Höchststand von 2023 notiert.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die 2-Jahres-Rendite (die weithin als wichtigste Schätzung des Marktes für die Richtung des Fed-Zielsatzes gilt) signalisiert, dass die Zinserhöhungen der Zentralbank hinter uns liegen und/oder jetzt Zinssenkungen auf dem Programm stehen. Was können wir aus der Vergangenheit lernen? Der Markt für Staatsanleihen hat durchgehend falsch gelegen.
Im Verhältnis zu Inflation und Arbeitslosigkeit ist der aktuelle Leitzins der Fed (5,25 % bis 5,50 %) mäßig hoch. Das bedeutet: Wenn die Inflation weiter nachlässt (so wie sie es in diesem Jahr größtenteils getan hat), kann die Fed ihre restriktivere Politik auslaufen lassen und weiterhin ein gewisses Maß an disinflationärem Druck ausüben. Sollte die Inflation weiter zurückgehen, käme schon die Beibehaltung der aktuellen Zinssätze einer passiven Straffung gleich.
Dieser Umstand hat dazu beigetragen, dass die realen (inflationsbereinigten) Renditen von Staatsanleihen ungefähr auf ihren höchsten Stand der letzten 15 Jahren gestiegen sind.
Im Gegenzug vermitteln die restriktive Haltung und die nachlassende Inflation einigen Marktteilnehmern ein gewisses Vertrauen, dass die Zinserhöhungen der Fed ihre Zielgerade erreicht haben könnten. Insbesondere die Fed-Funds-Futures zeigen sich weiterhin als Hinweisschild für das Ende von Zinserhöhungen.
Angesichts der bisherigen Entwicklung des Marktes gibt es jedoch gute Gründe für Vorsicht. Die über den Erwartungen liegenden Daten zu den Einzelhandelsumsätzen für den Monat Juli provozieren erneut die Frage, ob die Fed mit ihrer derzeitigen Politik zufrieden ist, obwohl die Wirtschaft immer noch robust aussieht.
Einige Analysten sehen im Bondmarkt eine Chance für Anleger, schließlich sind die Renditen so hoch wie seit Jahren nicht mehr und die Aussicht auf relativ hohe Auszahlungsraten erscheint verlockend.
"Die Rendite-Kurve in Richtung der 10-jährigen und länger laufenden Anleihen wird jetzt immer interessanter, weil wir uns am oberen Ende der Spanne befinden und die reale Rendite dem Trend-BIP entspricht", sagt Steven Major, Global Head of Fixed Income Research bei HSBC (LON:HSBA).
Haben wir das Zinshoch jetzt erreicht? Das weiß niemand genau. Zumindest eins ist jedoch klar: Wir sind dem höchsten Punkt näher als noch letzte Woche, letzten Monat oder vor einem Jahr.