Manchmal, wenn sich die Anleger so sehr auf ein Einzelereignis konzentrieren, übersehen sie häufig das große Ganze, das ihnen direkt ins Gesicht starrt. Seit zwei Monaten schrumpft das verarbeitende Gewerbe in China, wie der entsprechende chinesische Einkaufsmanagerindex zeigt. Diese Verlangsamung geht offenbar spurlos an den US-Aktienmärkten vorbei.
Die Schwäche macht sich nicht nur im PMI bemerkbar. Die Eisenerz-Futures sind seit Mitte Juli um fast 50 % eingebrochen, während der Baltic Dry Index in nur vier Wochen um fast den gleichen Betrag gefallen ist. Darüber hinaus sind Rohstoffe wie Sojabohnen um fast 25 % abgesackt. Was auch immer die Ursache für diesen Schwächeanfall in China ist, Tatsache ist, dass sich neben der Inflation noch etwas anderes abspielt, und das könnte am Ende des Tages vielleicht sogar mehr Gewicht haben.
Die Risiken ignorieren
Angesichts des Einbruchs einiger dieser wichtigen Rohstoffpreise und Seefrachtraten zeichnet sich eine Verlangsamung des Wachstums in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt ab. In einem Artikel in der South China Morning Post wurde erst kürzlich auf einen neuen Abwärtsdruck für die Wirtschaft hingewiesen. Dies ist insofern von großer Bedeutung, als China die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ist und jede Verlangsamung dort wahrscheinlich Auswirkungen auf die gesamte Weltwirtschaft haben wird.
Doch die US-Märkte haben diese Entwicklung größtenteils nicht einmal zur Kenntnis genommen. Seit Mitte Oktober befindet sich der S&P 500 in einer massiven Rallye und erreicht ein neues Allzeithoch nach dem anderen. Statt sich über die sich abschwächenden Wachstumstrends Gedanken zu machen, konzentrierte sich der Index lieber auf die Risiken steigender Inflationsraten und die Notwendigkeit, dass die US-Notenbank Fed ihre Wertpapierkäufe zurückfahren muss.
Die Inflation im Auge behalten
Während die Inflation überall auf der Welt ihre hässliche Fratze zeigt, stellt sich die Frage, ob sie von Dauer sein wird. Da die meisten Probleme auf der Angebotsseite liegen, sollte man meinen, dass sich die Preise im Laufe der Zeit in dem Maße anpassen und stabilisieren werden, wie das Angebot steigt.
Infolgedessen sind die Renditen am kurzen Ende der Kurve wegen dieses kurzfristigen Inflationsdrucks sprunghaft angestiegen, während sich die Renditen am langen Ende der Kurve seitwärts entwickelt haben. Das lässt darauf schließen, dass sich Investoren am längeren Ende des Rentenmarktes mehr Sorgen um die langfristigen Wachstumsaussichten machen als um kurzfristige Inflationsprobleme.
Diese Verlangsamung des chinesischen verarbeitenden Gewerbes könnte sich sogar in der US-Renditekurve widerspiegeln und mit der Verlangsamung des globalen Wachstums in Verbindung stehen. Sogar in Deutschland gingen die Einzelhandelsumsätze im September im Vergleich zum Vormonat um 2,5 % zurück, während der PMI des verarbeitenden Gewerbes schwächer als erwartet ausfiel und sich gegenüber dem Vormonat verlangsamte.
Wann kommt das böse Erwachen?
Während die US-Märkte all dem offenbar keine Beachtung schenken, ist eines klar: Die asiatischen Märkte tun es. So ist der KOSPI in Südkorea seit seinem Höchststand um etwa 10 % gefallen. Auch die Börse in Taiwan hat um etwa 5 % korrigiert und orientiert sich seit Mitte Juli nach unten. In Australien bewegt sich der Markt seit Juni seitwärts.
Die Warnsignale häufen sich, und je stärker die Preise wichtiger Rohstoffe nachgeben, desto aussagekräftiger und eindeutiger werden diese Signale. Letztendlich ist es vielleicht nur eine Frage der Zeit, bis die US-Märkte die Warnungen vor einer globalen Wachstumsverlangsamung wahrnehmen. Und zwar genau dann, wenn die Fed mit dem Tapering beginnt.