Der Preis für Zinn ist in einer Woche um fast 18 % abgestürzt. Seitdem Allzeithoch Anfang März ging es um fast 50 % nach unten. Was sind die Ursachen?
Nach einem fast beispiellosen Boom bei vielen Industriemetallen kam es zu einer Korrektur. Diese fiel bei Zinn besonders stark aus. Gerade in der abgelaufenen Woche ging es deutlich abwärts. Am Freitag wurden für 1 t Zinn an der London Metal Exchange (LME) 26.800 USD gezahlt. Dies entspricht einem Rückgang um fast 18 % innerhalb einer Woche.
Rezession, Lagerbestände, Gewinnmitnahmen: Gründe für den fallenden Zinnpreis
Der Reuters Kolumnist Andy Home will Gründe für den Preisverfall ausgemacht haben. Ein Grund ist demnach die zunehmende Rezessionsangst (die bei Zinn allerdings offenbar stärker wiegt als bei anderen Metallen). Demnach sind Marktteilnehmer dabei, ihre Portfolios risikoaverser auszurichten.
Ein weiterer wesentlicher Grund sind jedoch die Lagerbestände. Sowohl an der LME als auch in Shanghai sind die vorgehaltenen Mengen deutlich angestiegen. Dies geht einher mit reduzierten Prämie für kurzfristig physisch verfügbares Zinn. Solche Prämien – am Terminmarkt auch als Backwardation bezeichnet – sind ein starkes Indiz für akute Nachfrageüberhänge.
Demnach sanken die Prämien in Rotterdam von 1.750 USD pro Tonne auf 1.150 USD pro Tonne. Im mittleren Westen der USA gingen die Prämien für physisch verfügbares Zinn von 3.950 USD pro Tonne auf 2.200 USD pro Tonne zurück. Dies sind allerdings immer noch Werte jenseits der Prämien von Anfang 2021.
Prämien sinken zwar, doch Backwardation Situation bleibt
Die LME Lagerbestände stiegen demnach seit Jahresbeginn von 1.215 t auf 3.216 t. Zeitweise waren die Lagerbestände nahezu erschöpft. Nun stiegen die Bestände der LME lagern sowohl in Europa (zum Beispiel 905 t in Antwerpen) als auch den USA (zum Beispiel 670.000 in Baltimore). Auch an der Shanghai Futures Exchange stiegen die Zinnbestände. Diese liegen mit 4022 t derzeit doppelt so hoch wie Anfang Januar.
Gleichwohl hat sich die Backwardation Situation in Shanghai ebenso wenig aufgelöst wie an der LME.
Andy Home glaubt, dass das Allzeithoch Anfang März Marktteilnehmer dazu veranlasst hat, Gewinne mitzunehmen. Seitdem sind Mittel aus dem Zinnmarkt abgeflossen. Demnach belief sich die Zahl der Nettolongkontrakte an der LME im Januar noch auf 2.447 Futures. Bis Mai reduzierte sich dieser Wert auf 682 Kontrakte. Viele Investmentfonds seien nun nahezu neutral.
Home verweist auf die relativ geringe Liquidität des Zinn Kontrakts im Vergleich zu anderen Metallen wie zum Beispiel Kupfer. Aufgrund der geringen Liquidität könnten strategische Entscheidungen von Investmentfonds sich überproportional auf den Preis ausgewirkt haben. Der Kolumnist kommt zu dem Schluss, dass vor allem der zeitlich kombinierte Ausstieg institutioneller Anleger den Preis habe zusammenbrechen lassen.
Sinkende Preise bei weiter hohen Marginanforderungen: Fällt das Angebot wieder?
Der jüngste Preisverfall bei Zinn könnte allerdings die nächste Knappheit auslösen. So berichtet die International Tin Association (ITA), dass viele Produzenten infolge der gestiegenen Preise und hohen Volatilität deutlich mehr Sicherheiten an den Börsen hinterlegen mussten. Die nun sinkenden Preise führten zur extremen Druck auf die Margen. Laut dem Verband müssten bereits jetzt viele Produzenten erhebliche Verluste beim Kauf von Metall hinnehmen.
Der Verband erwartet deshalb vor allem in China einen Rückgang der Produktion. Viele Produzenten hätten die jährlichen Wartungsstopps verschoben würden diese nun nachholen. Im Sommer sei mit einem Produktionsverlust von rund 12.000 t bis Anfang August zu rechnen. Für den Zinnpreis zeichnet sich also möglicherweise bereits ein Boden ab.