Zoll-Crash 2025 ist anders als 1930 und 1985 – Zölle als Brücke, nicht als Bollwerk

Veröffentlicht am 08.04.2025, 14:54

Stephan Heibel bringt Licht ins Thema „Zoll-Crash 2025“

Temporäre Zölle sorgen derzeit für Unruhe an den Märkten. Erinnerungen an die Weltwirtschaftskrise 1930 und die Dollar-Turbulenzen von 1985 werden wach. Doch trotz aller historischen Parallelen ist 2025 anders. Die wirtschaftliche Ausgangslage, die Machtverhältnisse im Welthandel und die politische Intention hinter den Zöllen unterscheiden sich grundlegend.

In meinem aktuellen Beitrag ziehe ich Vergleiche zu 1930 und 1985, prüfe die Theorie des Außenhandels auf ihre Tragfähigkeit – und zeige auf, wie temporäre Zölle als Mittel zum industriellen Wiederaufbau funktionieren können.

Theorie und Realität des Außenhandels

Ich hätte nicht gedacht, dass ich die langweiligste Ökonomie-Lektion mal hier in den Heibel-Ticker aufnehmen würde. Doch ich werde mich bemühen, das Thema spannend zu präsentieren. So spannend, wie ich persönlich zu diesem Thema Zugang fand, als ich in meiner mündlichen Examensprüfung die komparativen Vorteile des Außenhandels grafisch darstellen sollte und der Professor nach meinem zweiten Satz sagte: „Nein, da sind Sie auf dem falschen Weg, Herr Heibel, das wird dann wohl nichts mit Ihrem Examen.“

Zum Glück intervenierte der Assistent: „Lassen Sie ihn mal machen, Herr Professor. Vielleicht kriegt er die Kurve.“ Und tatsächlich konnte ich in den zehn Minuten, die eine solche mündliche Prüfung dauert, einige Graphiken an die Tafel zeichnen, aus denen am Ende mit einigen Querverbindungen genau die Linie hervorging, nach der ich gefragt wurde. Die einfache Antwort, die wir in der Vorlesung beigebracht bekamen, hatte ich vergessen – daher entwickelte ich da meine eigene Idee.

Ich ging mit einer 1- aus dieser Prüfung – ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle nochmals an den Assistenten. Und der Professor, der später zu den Wirtschaftsweisen Deutschlands zählte, vertrat in den folgenden Jahren übrigens regelmäßig die gegenteilige Auffassung von mir.

Was die Theorie sagt – und was die Geschichte lehrt

Die Volkswirtschaftslehre geht davon aus, dass bilateraler Handel für beide Seiten vorteilhaft ist. Unterschiede im Entwicklungsstand sollen durch freie Wechselkurse ausgeglichen werden. Das höher entwickelte Land – etwa die USA – bietet Dienstleistungen an, während das weniger entwickelte Land – beispielsweise Vietnam – günstige Produkte liefert. Beide Seiten profitieren.

Doch schon 1930 zeigte sich: Die Theorie greift zu kurz. Als sich Industrien aus den USA zurückzogen, stieg dort die Arbeitslosigkeit. Die Folge: Protektionismus, pauschale Zölle, Vergeltungsmaßnahmen – und eine Verschärfung der Weltwirtschaftskrise. Präsident Hoover wollte die heimische Wirtschaft schützen, doch das Ergebnis war ein globaler Handelsstillstand.

Lektionen aus 1930 und 1985

Erst John Maynard Keynes lieferte mit dem Konzept des „deficit spending“ einen Ausweg: Der Staat muss in Krisenzeiten gezielt investieren – allerdings in zukunftsfähige Strukturen, nicht in die Vergangenheit.

1985 wiederholte sich das Muster: Der US-Dollar war als globale Reservewährung überbewertet, die Wettbewerbsfähigkeit der US-Wirtschaft sank. Mit dem Plaza-Abkommen wurde der Dollar künstlich abgewertet – jedoch ohne begleitende strukturelle Reformen. Ein Fehler, der später erneut zu Ungleichgewichten führte.

Was haben wir also aus der Geschichte gelernt?

  • Das Gleichgewicht gemäß Außenhandelstheorie benachteiligt zwar kurzfristig den schwächeren Handelspartner, langfristig jedoch wird der stärkere Handelspartner benachteiligt.
  • Unbefristete Pauschalzölle führen zum Zollkrieg, unter dem alle Beteiligten leiden (Weltwirtschaftskrise 1930).
  • Strukturelle Anpassungen sind erforderlich, um ein erneutes Auftreten solcher Ungleichgewichte zu verhindern (Keynes).
  • Die globale Reservewährung wird latent ebenfalls zu hoch bewertet und bedeutet einen wirtschaftlichen Nachteil für die USA.
  • Militär und nicht Wirtschaft machen einer Währung zu einer globalen Reservewährung.

Was beide Epochen zeigen: Zölle allein lösen keine Probleme. Erst mit gezieltem Strukturwandel entfalten sie positive Wirkung.

Was 2025 anders macht

Heute erleben wir eine neue Situation: Die USA haben große Teile ihrer Industrie ausgelagert. Nun sollen zentrale Sektoren – etwa Halbleiter, Batterien oder Solartechnik – zurückgeholt werden.

Hier kommen zeitlich befristete Zölle ins Spiel – nicht als Mittel der Abschottung, sondern als gezielte Investitionshilfe. Das Prinzip: Strategische Importe werden für eine Übergangszeit verteuert, um dem heimischen Aufbau Luft zum Atmen zu geben. In dieser Phase sollen Fertigungscluster entstehen, Innovationszentren wachsen und Know-how ins Land zurückkehren.

Temporäre Zölle könnten so als Übergangsschutz fungieren:

Sie verteuern strategische Importe, schaffen Raum für Investitionen und Innovationen im Inland. Temporäre Zölle als Hebel für industrielle Resilienz Die Einnahmen aus diesen Zöllen werden – zumindest auf dem Papier – in Infrastruktur, Ausbildung und Innovationsförderung gelenkt. So entsteht ein Kreislauf: Die temporäre Marktverzerrung durch Zölle schafft Zeit für den Aufbau eigener Kapazitäten, die durch staatliche Mittel zusätzlich beschleunigt werden. Ziel ist es, nicht dauerhaft zu schützen, sondern die Wettbewerbsfähigkeit gezielt zu stärken.

Programme wie der Inflation Reduction Act und der CHIPS and Science Act setzen genau hier an.

Trump adressiert mit seinen Zöllen eine Vielzahl von Problemen:

  • hohe Zölle im Ausland
  • Handelsbeschränkungen, die in seinen Augen unfair sind
  • Währungsprobleme als globale Leitwährung
  • zu hohe Sparneigung bei Handelspartnern
  • zu geringe Militärausgaben bei seinen Partnern, insbesondere NATO

Das Vorgehen ist also nicht nur wirtschaftlich, sondern auch geopolitisch motiviert – was die Tragweite der Maßnahmen unterstreicht.

In Staaten wie Texas, Ohio und Arizona entstehen neue Werke. Unternehmen wie Ford (NYSE:F) und Intel (NASDAQ:INTC) investieren Milliarden. Südkorea hat in den 1970er Jahren mit einer ähnlichen Strategie den Aufstieg zum Technologieführer geschafft – warum sollte das nicht auch den USA gelingen?

Fazit: Protektionismus mit Plan?

Aus der Geschichte lernen heißt: Zölle dürfen kein Selbstzweck sein. Unbefristete Handelsbarrieren schaden – doch klug eingesetzte, befristete Maßnahmen können Transformation ermöglichen.

2025 ist keine Wiederholung von 1930 oder 1985 – aber es ist eine Weggabelung. Ob die Zölle zur Brücke in eine neue industrielle Basis werden oder zum nächsten Bumerang, entscheidet sich nicht an der Grenze, sondern an der Frage, ob dem Denken auch das Machen folgt.

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