FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 8. Oktober 2014. Manchmal scheint sich Börsengeschichte eben doch zu wiederholen. Zumindest was den Kursrückgang seit unserer vergangenen Sentiment-Erhebung angeht: Der DAX verlor noch einmal an Wert, dieses Mal erheblich drastischer, mehr als 4 Prozent, also in einer Größenordnung, die mit der "Randnotiz" vom 2. April diesen Jahres, die wir in unserem Kommentar in der vergangenen Woche erwähnten, durchaus vergleichbar ist.
Aber abgesehen von dieser statistischen Duplizität der Ereignisse - ähnliche Stimmungen im Vorfeld einer EZB-Sitzung - müssten die Investoren eigentlich vor allem vom Ausgang eben dieser EZB-Sitzung am letzten Donnerstag enttäuscht sein. Zumindest entstand bei Kommentatoren der Eindruck, dass die Zentralbanker gegenüber einem Anleihekaufprogramm à la QE doch zögerlicher als ursprünglich erwartet eingestellt seien.
Auch die ökonomische Datenlage hat sich für Deutschland im gleichen Zuge deutlich verschlechtert. Ob es nun die gestrigen Zahlen zur deutschen Industrieproduktion betraf, die das größte monatliche Minus seit Anfang 2009 aufwiesen (inklusive einer Kfz-Branche, die ihre Produktion massiv zurückfuhr) oder den düsteren Ausblick in den Wachstumsvorhersagen des IWF, insbesondere für Deutschland und Europa - es sah für Börsianer nicht gut aus.
Umso mehr erstaunt das Ergebnis der heutigen Stimmungsumfrage, denn der Optimismus der mittelfristig orientierten Investoren befindet sich demzufolge mit einem Börse Frankfurt Sentiment-Index von +10 exakt auf dem Niveau der Vorwoche. Allein die Polarisierung zwischen Bullen und Bären hat sich deutlich um jeweils vier Prozent der Befragten erhöht.
Verlustaversion auch bei Privatanlegern
Auch bei den Privatanlegern hat sich die Stimmung trotz der überwiegend negativen Börsenkommentare in den Medien gegenüber der Vorwoche nur unwesentlich eingetrübt. Der Börse Frankfurt Sentiment-Index von +17 liegt, verglichen zum Kurssturz beim DAX, während des Berichtszeitraums immer noch relativ hoch, wobei die Zahl per se nur wenig über die teils deutlichen Verschiebungen zwischen den einzelnen Gruppierungen aussagt. Denn das Bullenlager hat sich um 2 Prozent und der Anteil der Bären gar um 6 Prozent aller Befragten zulasten der "Neutralen" erhöht. Damit gehen die Meinungen zum DAX bei den privaten Investoren deutlich auseinander.
Der fast gleichbleibende Optimismus der von uns befragten mittelfristig orientierten Investoren legt den Schluss nahe, dass ein Großteil der in den Vorwochen eingegangenen bullishen Engagements immer noch besteht und teilweise deutliche Verluste aufweisen dürfte, die zu realisieren man offenbar nicht bereit zu sein scheint. Möglicherweise sind diese Investments sogar noch zu fallenden Kursen erhöht worden.
Diese Verlustaversion hat für den DAX eine nicht ganz ungefährliche Gemengelage heraufbeschworen, zumal der gleichzeitig deutlich gefallene Euro als Indiz dafür gelten mag, dass ausländisches Kapital im besten Fall derzeit nicht den Weg nach Europa findet, vermutlich jedoch sogar von dort abgezogen worden ist.
Per Saldo ist durch die jüngste Divergenz zwischen Stimmung und Kursentwicklung ein so genannter Bias entstanden, der den DAX in zweierlei Hinsicht belastet. Im Falle einer deutlichen Korrektur wären Abgaben zwangsläufig die Folge, und im Falle weiterer deutlicher Kursrückgänge muss außerdem mit der Kapitulation zumindest eines Teils derjenigen Optimisten gerechnet werden, die bislang noch an ihren Engagements festhalten, wodurch schließlich weitere Abwärtsbewegungen des Börsenbarometers ausgelöst würden.
von Joachim Goldberg, Goldberg & Goldberg für boerse-frankfurt.de
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© 8. Oktober 2014
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)