Börsen-Zeitung: Rally auf tönernen Füßen, Marktkommentar von
Christopher Kalbhenn
Frankfurt (ots) - Die Finanzmärkte haben in der abgelaufenen
Handelswoche erneut deutliche Zeichen der Entspannung gegeben. So hat
der Dax wieder Höhen jenseits der Schwelle von 6000 Zählern erreicht.
Damit hat der Index, der zuvor seit Anfang August um gut ein Drittel
eingebrochen war, in nur 14 Handelstagen beeindruckende 20%
gutgemacht. Auch der krisengebeutelte Euro befindet sich in einer
steilen Aufwärtsbewegung. Am Freitag streifte er die Marke von 1,39
Dollar, womit er in nur acht Handelstagen um nahezu 6% zugelegt hat.
Bundesanleihen, in die sich die verschreckten Marktteilnehmer zuvor
geflüchtet hatten, haben dagegen deutlich an Boden verloren, wodurch
die Renditen merklich angezogen haben. Das zehnjährige deutsche
Staatspapier warf am Freitag 2,19% ab, was gegenüber dem Rekordtief
vom 22.September von 1,69% einen Anstieg um einen halben Prozentpunkt
bedeutet.
Die starke Gegenreaktion der Finanzmärkte ist nachvollziehbar.
Eine Serie von Ereignissen hat den Marktteilnehmern die Angst vor
einer unmittelbar bevorstehenden Implosion der Eurozone und den
Rückfall in die Rezession genommen. Griechenland erhält die nächste
Hilfstranche, sodass die im November drohende Staatspleite zunächst
abgewendet ist, und in der Slowakei wurde der Weg für die Ausweitung
des europäischen Rettungsfonds EFSF frei gemacht. Zudem ist
signalisiert worden, dass nun an einem umfassenderen Lösungsansatz
für die Schuldenkrise unter Einschluss eines deutlichen
Schuldenschnitts für Griechenland mit begleitender
Bankenrekapitalisierung gearbeitet wird. Hinzu kamen
US-Konjunkturdaten, die besser als erwartet ausfielen und dadurch die
Rezessionsbefürchtungen reduzierten.
Unternehmen gut gerüstet
In diesem Umfeld bestehen nun gute Chancen, dass sich die Erholung
fortsetzt und der Dax in nächster Zeit noch deutlicher über 6000
Punkte steigt. Denn mit deutlich nachlassenden Ängsten wird -
pünktlich zum Start der Quartalsberichtssaison - der Blick frei für
die fundamentale Basis des Aktienmarktes, und die sieht durchaus
nicht schlecht aus. Anders als die Staaten haben die Unternehmen, die
weder Steuern erheben noch Geld drucken können, ihre Hausaufgaben
gemacht und sind in einer weit besseren Verfassung als vor drei
Jahren nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers. Mit prall
gefüllten Kassen und deutlich erhöhter Profitabilität sind sie nun
weitaus besser für eine konjunkturelle Durststrecke gerüstet. Noch
wichtiger aus Sicht der Investoren ist aber, dass die Bewertungen
durch die Baisse deutlich zurückgegangen sind und teilweise überaus
attraktive Niveaus erreicht haben. Selbst bei deutlichen
Abwärtsrevisionen der Gewinnschätzungen wäre der Aktienmarkt immer
noch nicht anspruchsvoll bewertet.
Ein Selbstläufer wird die weitere Entwicklung an den Aktienmärkten
jedoch nicht. Vielmehr müssen sich die Marktteilnehmer auf eine hoch
bleibende Volatilität und zumindest kurzzeitige Rückschläge
einstellen. Denn die Risiken sind nach wie vor erheblich. So ist die
Rezessionsgefahr noch längst nicht gebannt. Die Reaktion auf die
US-Zahlen lässt sich am besten mit 'Jubeln auf niedrigem Niveau'
beschreiben. Der US-Arbeitsmarkt hat im September zwar mehr Stellen
geschaffen als erwartet. Die Arbeitslosenrate hat sich aber auf dem
lähmend hohen Stand von mehr als 9% gehalten. Der ISM-Konjunkturindex
vom Oktober lag höher als erwartet, aber eben auch nur unwesentlich
über der Marke von 50 Zählern, die Expansion und Kontraktion trennt.
Gefährlicher ist jedoch die Euro-Baustelle. Auch wenn die
Regierungen begonnen haben, entschlossener zu handeln, ist bislang
ist noch nicht ersichtlich, wie die Währungsunion wieder auf eine
nachhaltig funktionierende Basis gestellt werden soll. Mit einem
Schuldenschnitt für Griechenland bei gleichzeitiger Vermeidung
schwerer Verwerfungen in der Bankenbranche und der Ausweitung des
Rettungsschirms sind die grundlegenden Probleme immer noch ungelöst.
Damit Griechenland zukünftig als Euro-Mitglied seine (reduzierte)
Staatsschuld bedienen kann, sind umfangreiche wachstumsfördernde
Investitionen erforderlich, damit das Land nicht in einigen Jahren
wieder am Rand des Abgrunds steht. Ferner müssen Strukturen in
Wirtschaft und Verwaltung restrukturiert bzw. effizienter gemacht
werden, was eine komplizierte und langwierige Aufgabe ist - vom
notwendigen Mentalitätswandel in Teilen der griechischen Gesellschaft
ganz zu schweigen. Notwendig wäre daher auch ein zumindest in
Umrissen skizzierter langfristiger Plan für das Land. Bleibt ein Plan
für eine nachhaltige Problemlösung aus, steht die Rally auf tönernen
Füßen.
Originaltext: Börsen-Zeitung
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Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de
Christopher Kalbhenn
Frankfurt (ots) - Die Finanzmärkte haben in der abgelaufenen
Handelswoche erneut deutliche Zeichen der Entspannung gegeben. So hat
der Dax wieder Höhen jenseits der Schwelle von 6000 Zählern erreicht.
Damit hat der Index, der zuvor seit Anfang August um gut ein Drittel
eingebrochen war, in nur 14 Handelstagen beeindruckende 20%
gutgemacht. Auch der krisengebeutelte Euro befindet sich in einer
steilen Aufwärtsbewegung. Am Freitag streifte er die Marke von 1,39
Dollar, womit er in nur acht Handelstagen um nahezu 6% zugelegt hat.
Bundesanleihen, in die sich die verschreckten Marktteilnehmer zuvor
geflüchtet hatten, haben dagegen deutlich an Boden verloren, wodurch
die Renditen merklich angezogen haben. Das zehnjährige deutsche
Staatspapier warf am Freitag 2,19% ab, was gegenüber dem Rekordtief
vom 22.September von 1,69% einen Anstieg um einen halben Prozentpunkt
bedeutet.
Die starke Gegenreaktion der Finanzmärkte ist nachvollziehbar.
Eine Serie von Ereignissen hat den Marktteilnehmern die Angst vor
einer unmittelbar bevorstehenden Implosion der Eurozone und den
Rückfall in die Rezession genommen. Griechenland erhält die nächste
Hilfstranche, sodass die im November drohende Staatspleite zunächst
abgewendet ist, und in der Slowakei wurde der Weg für die Ausweitung
des europäischen Rettungsfonds EFSF frei gemacht. Zudem ist
signalisiert worden, dass nun an einem umfassenderen Lösungsansatz
für die Schuldenkrise unter Einschluss eines deutlichen
Schuldenschnitts für Griechenland mit begleitender
Bankenrekapitalisierung gearbeitet wird. Hinzu kamen
US-Konjunkturdaten, die besser als erwartet ausfielen und dadurch die
Rezessionsbefürchtungen reduzierten.
Unternehmen gut gerüstet
In diesem Umfeld bestehen nun gute Chancen, dass sich die Erholung
fortsetzt und der Dax in nächster Zeit noch deutlicher über 6000
Punkte steigt. Denn mit deutlich nachlassenden Ängsten wird -
pünktlich zum Start der Quartalsberichtssaison - der Blick frei für
die fundamentale Basis des Aktienmarktes, und die sieht durchaus
nicht schlecht aus. Anders als die Staaten haben die Unternehmen, die
weder Steuern erheben noch Geld drucken können, ihre Hausaufgaben
gemacht und sind in einer weit besseren Verfassung als vor drei
Jahren nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers. Mit prall
gefüllten Kassen und deutlich erhöhter Profitabilität sind sie nun
weitaus besser für eine konjunkturelle Durststrecke gerüstet. Noch
wichtiger aus Sicht der Investoren ist aber, dass die Bewertungen
durch die Baisse deutlich zurückgegangen sind und teilweise überaus
attraktive Niveaus erreicht haben. Selbst bei deutlichen
Abwärtsrevisionen der Gewinnschätzungen wäre der Aktienmarkt immer
noch nicht anspruchsvoll bewertet.
Ein Selbstläufer wird die weitere Entwicklung an den Aktienmärkten
jedoch nicht. Vielmehr müssen sich die Marktteilnehmer auf eine hoch
bleibende Volatilität und zumindest kurzzeitige Rückschläge
einstellen. Denn die Risiken sind nach wie vor erheblich. So ist die
Rezessionsgefahr noch längst nicht gebannt. Die Reaktion auf die
US-Zahlen lässt sich am besten mit 'Jubeln auf niedrigem Niveau'
beschreiben. Der US-Arbeitsmarkt hat im September zwar mehr Stellen
geschaffen als erwartet. Die Arbeitslosenrate hat sich aber auf dem
lähmend hohen Stand von mehr als 9% gehalten. Der ISM-Konjunkturindex
vom Oktober lag höher als erwartet, aber eben auch nur unwesentlich
über der Marke von 50 Zählern, die Expansion und Kontraktion trennt.
Gefährlicher ist jedoch die Euro-Baustelle. Auch wenn die
Regierungen begonnen haben, entschlossener zu handeln, ist bislang
ist noch nicht ersichtlich, wie die Währungsunion wieder auf eine
nachhaltig funktionierende Basis gestellt werden soll. Mit einem
Schuldenschnitt für Griechenland bei gleichzeitiger Vermeidung
schwerer Verwerfungen in der Bankenbranche und der Ausweitung des
Rettungsschirms sind die grundlegenden Probleme immer noch ungelöst.
Damit Griechenland zukünftig als Euro-Mitglied seine (reduzierte)
Staatsschuld bedienen kann, sind umfangreiche wachstumsfördernde
Investitionen erforderlich, damit das Land nicht in einigen Jahren
wieder am Rand des Abgrunds steht. Ferner müssen Strukturen in
Wirtschaft und Verwaltung restrukturiert bzw. effizienter gemacht
werden, was eine komplizierte und langwierige Aufgabe ist - vom
notwendigen Mentalitätswandel in Teilen der griechischen Gesellschaft
ganz zu schweigen. Notwendig wäre daher auch ein zumindest in
Umrissen skizzierter langfristiger Plan für das Land. Bleibt ein Plan
für eine nachhaltige Problemlösung aus, steht die Rally auf tönernen
Füßen.
Originaltext: Börsen-Zeitung
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