Investing.com - Wer etwas Geld auf der hohen Kante hat, dem stehen unzählige Möglichkeiten offen, um sein Kapital an den Finanzmärkten zu vermehren. Viele wenden sich vertrauensvoll an ihren Bankberater oder eröffnen selbst ein Konto bei einem Onlinebroker, um von den steigenden Aktienkursen zu profitieren.
Die Charts sehen vielversprechend aus, denn sie suggerieren eine ordentliche Rendite, wenn man vor 10 Jahren eingestiegen wäre. Der große Fehler ist zu glauben, dass die Entwicklung in den nächsten 10 Jahren den gleichen Verlauf nimmt.
Zudem wird oft ausgeblendet, wie komplex die Finanzwelt mittlerweile geworden ist. Es reicht aus, dass ein einzelner Sektor ins Wanken gerät, um den gesamten globalen Finanzmarkt in den Abgrund zu reißen.
Vertraut man seinem Bankberater auf der Suche nach Sicherheit und Rendite, dann sind Staatsanleihen die beste Wahl. Zu Zeiten der Niedrigzinsphase, als die Renditen für deutsche Staatsanleihen negativ waren, wurden sogar ausländische Staatsanleihen beworben.
Doch gerade dieser als risikolos geltende Markt birgt ein erhebliches Crashrisiko für fast alle Anlageklassen.
Das zeigte sich erstmals im September 1998, als die US-Notenbank eingreifen und ein Rettungspaket in Höhe von 3,65 Milliarden Dollar schnüren musste, um zu verhindern, dass ein kollabierender, auf Staatsanleihen spezialisierter Fonds, einen Crash am Finanzmarkt auslöst. Die Anleger verloren alles, und die Fed verhinderte mit den Milliarden eine Ansteckung der Finanzwelt.
Das ist kein Missgeschick aus längst vergangenen Zeiten. Ein solcher Finanzschock kann die Märkte jederzeit treffen, weil man nichts daraus gelernt hat. Oder doch, man hat gelernt, aber nicht das Richtige.
Die Lektion, die die Hochfinanz daraus gezogen hat, lautet: Egal, was wir tun, wenn wir mit dem Geld unserer Kunden spekulieren, kann nichts schiefgehen, die Zentralbank ist unser Sicherheitsnetz.
Vor allem auf dem Markt für Staatsanleihen verlässt man sich darauf und spielt derzeit ein hochriskantes Spiel, das, wenn es schiefgeht, weltweit multiple Krisen auslösen wird.
Der Irrglaube der Akteure: Wenn man mit den Schulden von Ländern wie Deutschland & Co. zockt, werden die jeweiligen Regierungen und Zentralbanken schon dafür sorgen, dass es nicht zum Kollaps kommt. Die großen Anleihehändler sind felsenfest davon überzeugt, dass sie es sind, die mit ihren riskanten Wetten darüber entscheiden, wie sich die Geldpolitik entwickelt.
Der beste Beweis dafür sind die Zinserhöhungen der Zentralbanken, von denen am Anleihemarkt niemand glaubt, dass sie von Dauer sein werden.
Egal, was die Fed in den zurückliegenden mehr als 12 Monaten getan oder gesagt hat, es wird weiterhin darauf gewettet, dass die Zinsen wieder auf Null sinken und alle anderen Zentralbanken folgen werden.
Doch wie schon 1998 scheinen die Spekulanten erneut falsch zu liegen. Aber diesmal geht es nicht um einen einzelnen Fonds und lächerliche 100 Milliarden Dollar. Es geht um einen ganzen Markt, der allein in den USA 10 Billionen Dollar schwer ist.
Die US-Notenbank sagt ganz klar und unmissverständlich, dass sie für Rettungsaktionen nicht zur Verfügung steht. Billiges Geld gebe es nicht mehr, und wer Rendite wolle, müsse den Zinssatz von 5,5 Prozent akzeptieren und sich nach geeigneten Anlagemöglichkeiten in der Industriewirtschaft umsehen.
Mit dieser Geldpolitik will Fed-Chef Powell erreichen, dass Kapital aus dem Finanzsektor in die Realwirtschaft umgelenkt wird. Nur so könne das ins Wanken geratene Kartenhaus vor dem sicheren Einsturz bewahrt werden.
Er kann die Zinsen aber auch nicht über Jahre auf diesem Niveau belassen, denn das würde erhebliche Verwerfungen mit sich bringen, wie Lars Erichsen in seinem jüngsten Video sagte:
"Es gibt kein Setup, keine Alternative, bei der man zu Ende denken kann, was passiert, wenn wir es noch mit 5,5 Prozent Zinsen über Jahre zu tun hätten ... das würde der amerikanische Immobilienmarkt nicht überleben, das würde die amerikanische Wirtschaft nicht überleben und das würden insbesondere all die nicht überleben, die enorme Schuldenberge aufgebaut haben."
Finanzministerin Janet Yellen ist derweil damit beschäftigt, den immer schneller wachsenden Schuldenberg am Anleihemarkt zu finanzieren. Das wird sichtlich schwieriger, denn der Markt verlangt immer höhere Renditen. In wenigen Monaten müssen die USA allein für die vierteljährlichen Zinszahlungen 1000 Milliarden Dollar aufbringen.
Deshalb ist die Geldpolitik der Fed zur Inflationsbekämpfung der Regierung natürlich ein Dorn im Auge. Biden versuchte bereits, die Inflation künstlich zu senken, indem er die strategischen Ölreserven des Landes verkaufte. Das hat einige Monate gut funktioniert, aber jetzt sind die Reserven weg und die Ölpreise steigen ebenso wie die Inflation.
Das kommt Powell gelegen, denn die Drosselung der Ölproduktion durch Russland und Saudi-Arabien unterstützt seine Politik, die Zinsen bis 2024 über 5 Prozent zu halten. Damit setzt er die Regierung unter Druck, endlich das Haushaltsdefizit anzugehen, wie Tom Luongo schreibt.
Nachdem die FOMC-Mitglieder am 20. September ihre Zinsprognosen bis 2026 angehoben haben, dämmert es auch den Anleihemärkten, dass sie möglicherweise auf das falsche Pferd gesetzt haben. Die Renditen für Anleihen mit einer Laufzeit von sechs Monaten bis zwei Jahren stiegen an, was darauf hindeutet, dass Händler diese Papiere abstoßen.
Auch der Ölmarkt gab kurzzeitig nach, denn wenn Powell seinen Plan durchzieht, ist eine Rezession unausweichlich.
Das sind keine guten Nachrichten für die EZB. Auch Lagarde spekuliert auf eine schnelle Zinssenkung. Geschieht das nicht, wird Europa im globalen Wettbewerb an den Anleihemärkten auf der Strecke bleiben.
Europas Wirtschaft ist schwächer als die der USA, deshalb sind die Zinsen niedriger. Auf der Suche nach Rendite fließt Kapital aus dem Euro in den Dollar, was den Euro nicht nur schwächt, sondern seinen endgültigen Untergang einläutet. Europa bricht auseinander und die Märkte, ihre Altersvorsorge, brechen zusammen.
In den USA ist die Verschuldungssituation so prekär, dass Finanzministerin Yellen bereits damit rechnet, das Defizit des Landes nicht mehr finanziert zu bekommen, weil niemand ihre Staatsanleihen haben will (die Renditen steigen).
Vor diesem Hintergrund hat sie angekündigt, die Kontrolle über die Renditekurve zu übernehmen. Sie wird Staatsanleihen, die am Markt unverkäuflich sind, mit einem Abschlag von 40 bis 50 Prozent zurückkaufen. Gleichzeitig gibt sie neue Anleihen mit langen Laufzeiten zu höheren Kursen und Renditen aus. Ein letzter verzweifelter Versuch, den Zusammenbruch der Finanzmärkte zu verhindern.