FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Anleger an der Istanbuler Börse haben am Montag die Gewissheit über die künftige Regierung begrüßt. Nachdem der amtierende Präsident Recep Tayyip Erdogan am Sonntag die Stichwahl gegen Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu (74) für sich entschieden hatte, ging es an der Börse in Istanbul nach oben. Der Leitindex BIST 30 stieg dort um 4,4 Prozent auf 5269,87 Punkte - und damit auf das höchste Niveau seit den Tagen vor der ersten Wahlrunde.
Mitte Mai hatte die Gewissheit, dass es eine Stichwahl geben wird, dem Leitindex zunächst noch Verluste beschert. Börsianer hatten dabei auf die Ungewissheiten in puncto Geld- und Wirtschaftspolitik verwiesen. Eine derzeit massive Inflation von rund 44 Prozent ist Experten zufolge auch hausgemacht, weil Erdogan entgegen gängiger wirtschaftlicher Logik an seiner Niedrigzinspolitik festhält. Der Herausforderer Kilicdaroglu habe vieles anders machen wollen, hieß es. Er hat es aber nicht geschafft, einer Mehrheit zu vermitteln, dass er als Oppositionsführer die bessere Alternative ist.
Erdogan, unter dessen Führung die Wirtschaft des Landes in den vergangenen Jahren stark gelitten hat, erhielt nach vorläufigen Ergebnissen der Wahlbehörde rund 52 Prozent der Stimmen und Kilicdaroglu rund 48 Prozent. Am Markt hieß es, Anleger dürften nun aufmerksam beobachten, ob Erdogan nun doch noch Maßnahmen zur Eindämmung der Inflation ergreift. Von vielen Seiten würden eine konventionellere Wirtschafts- und Geldpolitik als notwendig angesehen, sagte ein Händler.
Erdogans Politik gilt als unorthodox, da er auf den massiven Anstieg der Inflation nur mit mäßigen Zinsanhebungen reagierte. "Die Furcht vor einem Festhalten an der bisherigen Wirtschaftspolitik ist groß", sagte daher der Finanzmarktexperte Thomas Gitzel von der VP Bank. Zu Verlusten führte dies zwar nicht am Aktienmarkt, aber am Devisenmarkt: Die türkische Landeswährung Lira gab am Montag nach und näherte sich dem Rekordtief aus der vergangenen Woche. Unter dem Eindruck der hohen Inflation hat die Währung in den vergangenen zwei Jahren schon massiv an Wert verloren.
"In der Spitze lag die Inflationsrate bei über 86 Prozent, während der Leitzins gerade mal auf 12,5 Prozent stieg", erwähnte Gitzel. Mittlerweile sei der Schlüsselzins wieder auf 8,5 Prozent gesenkt worden, obwohl die Teuerungsrate immer noch über 40 Prozent liege. "Damit wird man aber den hohen Teuerungsraten nicht Herr werden können", sagt Gitzel. Die Bevölkerung in der Türkei werde weiterhin unter einem hohen Kaufkraftverlust leiden. Werte die türkische Lira weiter ab, wachse die Gefahr eines Zahlungsausfalls.