PARIS/LONDON (dpa-AFX) - Europas wichtigste Börsen haben am Freitag nach dem großen Verfall an den Terminbörsen etwas Fahrt aufgenommen. Der bis zum Mittag lethargische EuroStoxx 50 (Euro Stoxx 50) stieg bis auf 3578 Punkte, was den höchsten Stand seit gut vier Monaten bedeutete.
Zum Handelsschluss behauptete der Leitindex der Eurozone einen Gewinn von 0,53 Prozent auf 3571,39 Punkte, womit er an den freundlichen Vortag anknüpfte. Den verpatzten Wochenstart bügelte das Börsenbarometer damit aus und schaffte auf Wochensicht ein Plus von über einem halben Prozent. Am Montag hatte der EuroStoxx die vorangegangene Klettertour jäh beendet, nachdem ein Anschlag auf saudi-arabische Ölanlagen die Anleger schockiert hatte.
Der Schreck darüber habe inzwischen aber etwas nachgelassen, schrieb Analyst David Madden von CMC Markets UK. Zudem seien die neuerlichen Handelsgespräche zwischen den USA und China positiv, auch wenn beide Seiten es offenbar mit einer Einigung in diesem Konflikt nicht eilig hätten. Laut der Zeitung "Politico" will die US-Regierung für eine Reihe chinesischer Produkte von Strafzöllen absehen. Allerdings gehe es hier eher um die Lösung von Zulieferproblemen von US-Unternehmen als um einen Schritt auf Peking zu, hieß es.
Der französische Cac 40 (CAC 40) verabschiedete sich am Freitag mit einem Anstieg um 0,56 Prozent auf 5690,78 Punkte aus dem Handel. Dagegen blieb der britische FTSE 100 (GB0001383545) erneut hinter dem Gesamtmarkt zurück, dämmte bei 7337,11 Zählern sein Minus am Ende aber auf 0,26 Prozent ein. Die politische Hängepartie in London hält an: Erst Anfang kommender Woche will das oberste britische Gericht eine Entscheidung zu der von Premierminister Boris Johnson auferlegten Zwangspause des Parlaments treffen.
Vom "großen Verfall" sprechen Börsianer dann, wenn der letzte Handelstag aller vier Derivate-Typen, also der Optionen und Futures auf Börsenindizes und einzelne Aktien, auf denselben Tag fällt. Wegen der mitunter teils wilden Zuckungen an den Märkten wurde der Begriff "Hexensabbat" geprägt. Hinter diesen Schwankungen stehen Spekulanten, deren Frist zur Verwirklichung ihrer Derivategeschäfte abläuft.
Im europäischen Branchenüberblick hatten am Freitag die Aktien von Öl- und Gaskonzernen die Nase vorn: Der Subindex (STOXX Europe 600 Oil & Gas) im marktbreiten Stoxx Europe 600 gewann angesichts wieder steigender Ölpreise über ein Prozent.
Dahinter ging es für den Einzelhändler-Index (STOXX Europe 600 Retail) um rund ein Prozent hoch. Ihm halfen die gut dreieinhalbprozentige Kurserholung bei der zuletzt gebeutelten britischen Baumarktkette Kingfisher (3:KGF) und das Plus von mehr als viereinhalb Prozent bei der niederländischen Vopak (7:VOPA) - einem Spezialisten für Lagerung sowie Vertrieb von Öl- und Chemieprodukten - nach einer Kaufempfehlung der Investmentbank Jefferies. Die Papiere von Casino (9:CASP) waren bei den Anlegern mit fast vier Prozent Plus ebenfalls gefragt. Die Franzosen bestätigten Gespräche mit dem Aldi-Konzern über den Verkauf ihres Discounters Leader Price.
Dagegen brachen die Aktien von Thomas Cook (3:TCG) um knapp 23 Prozent ein. Der angeschlagene britische Touristikkonzern braucht mehr Geld und verhandelt über weiteres Kapital für seine Sanierungspläne. Thomas Cook spricht zum einen mit dem chinesischen Mischkonzern Fosun, der den Tui-Konkurrenten übernehmen will, zum anderen mit Banken und Anleihegläubigern.