Das Wichtigste in Kürze
- Archer-Daniels-Midland gibt am 26. April die Ergebnisse für das 1. Quartal bekannt
- Die steigende Inflation hat den Kursanstieg begünstigt
- Der Aktienpreis liegt deutlich über dem 12-Monats-Konsenziel
- Die marktimplizierte Prognose ist bis Anfang 2023 neutral bis leicht bärisch
Archer-Daniels-Midland (NYSE:ADM), der in Chicago ansässige Nahrungsmittel- und Agrarriese, hat sich im vergangenen Jahr dank der globalen Inflation extrem gut entwickelt.
Die Aktie des Unternehmens hat in den letzten 12 Monaten eine Gesamtrendite von 68,1 % und im Jahr 2022 bisher 44 % erzielt. Während ein Großteil des Kursanstiegs in 2021 und 2022 auf die Auswirkungen der realisierten und erwarteten Inflation zurückzuführen war, erzielte ADM weitaus größere Kursgewinne als der Sektor für landwirtschaftliche Erzeugnisse (gemäß Morningstar-Definition).
Quelle: Investing.com
Das multinationale Unternehmen mit Sitz in Chicago hat in 10 aufeinanderfolgenden Quartalen die Erwartungen für die Quartalsergebnisse übertroffen. In den letzten beiden Quartalen des Jahres 2021 übertraf der Gewinn je Aktie (EPS) die Konsenserwartungen um mehr als 9 %, im 1. und 2. Quartal 2021 sogar um rund 30 % (33 % im ersten Quartal, 29,4 % im zweiten Quartal).
Die Konsenserwartung für den Gewinn pro Aktie im 1. Quartal 2022 ist mit dem im 1. Quartal 2021 gemeldeten Gewinn nahezu identisch. Da der Gewinnanstieg größtenteils auf die Inflationsentwicklung zurückzuführen ist, überrascht es nicht, dass die Gewinne auf längere Sicht zurückgehen dürften. Das erwartete EPS-Wachstum in den nächsten 3 bis 5 Jahren beträgt -1,8% pro Jahr.
Quelle: E-Trade. Bisheriges und geschätztes zukünftiges vierteljährliches EPS für ADM. Grüne (rote) Werte sind Beträge, um die das EPS den erwarteten Konsenswert übertrifft (dahinter zurückbleibt).
Der Gewinn im 4. Quartal stieg um 26 % (Abb. 8) und profitierte von steigenden Lebensmittelpreisen und einer wachsenden Nachfrage nach Ethanol (Abb. 7). Die Frage ist, ob der Kurs bereits so weit gestiegen ist, dass die erwarteten Inflationsgewinne vollständig einkalkuliert sind.
Am 13. Oktober 2021 behielt ich die Einschätzung „Bullisch/Kaufempfehlung“ bei. Seit diesem Datum bis heute hat ADM insgesamt 55,9 % (im Vergleich zu 1,6 % Performance des S&P 500) erzielt. Als ich diesen Beitrag verfasst habe, war die Konsenseinschätzung an der Wall Street optimistisch, allerdings lag der Kurs nur wenige Prozent unter dem 12-Monats-Kursziel. Die Aktien hatten im Laufe des Jahres so stark zugelegt, dass sie nach Meinung der Analysten nahezu fair bewertet waren. Ein Schlüsselfaktor für meine Entscheidung, meine Kaufempfehlung auch nach so beträchtlichen Kursgewinnen beizubehalten, war die Tatsache, dass die marktimplizierten Prognose, die die übereinstimmende Meinung des Optionsmarktes widerspiegelt, eine anhaltende Aufwärtsdynamik signalisierte.
Der Preis einer Aktienoption spiegelt die übereinstimmende Einschätzung des Marktes über die Wahrscheinlichkeit wider, dass der Aktienkurs bis zum Ablauf (dem Verfall) einer Option höher (Call-Option) oder niedriger (Put-Option) als ein bestimmtes Niveau (der Ausübungspreis der Option) sein wird. Die Analyse der Preise von Kauf- und Verkaufsoptionen mit unterschiedlichen Strikes (Ausübungspreisen), die aber alle das gleiche Verfallsdatum haben, ermöglicht eine probabilistische (auf der Wahrscheinlichkeitstheorie beruhende) Preisprognose unter Einbeziehung von Preisen im Optionsmarkt. Dies ist das Konzept der marktimplizierten Prognose und stellt den impliziten Konsens von Käufern und Verkäufern von Optionen in Bezug auf eine Aktie dar. Lesern, die sich für diese Materie interessieren und mehr wissen wollen, empfehle ich die folgende hervorragende Monographie des CFA Institute (in englischer Sprache). Im Oktober war die marktimplizierte Prognose für ADM bis Anfang 2022 optimistisch, ehe sie gegen Ende des ersten Quartals in einen neutraleren Ausblick umschlug.
Seit meiner letzten Analyse von ADM ist die Inflation sprunghaft angestiegen, auch ist der Kurs der Aktie erheblich gestiegen. Ich habe die marktimplizierte Prognose aktualisiert und mit dem Konsens der Wall Street verglichen, um mein Rating für ADM zu überarbeiten.
Wall Street Konsensausblick für ADM
E-Trade berechnet den Konsensausblick der Wall Street durch Kombination der Erwartungen von 7 führenden Analysten, die in den letzten 3 Monaten Bewertungen und Kursziele veröffentlicht haben. Das Konsensrating ist optimistisch, allerdings liegt das 12-Monats-Konsensziel 16,4 % unter dem aktuellen Kurs.
Diese Diskrepanz zwischen dem qualitativen Rating und der erwarteten Rendite ist hauptsächlich auf die massiven Kursgewinne von ADM in den letzten Monaten zurückzuführen. Dies signalisiert, dass die Aktie überkauft ist, auch wenn sie wahrscheinlich auch weiterhin gute Ergebnisse liefern wird.
Quelle: E-Trade
Die Version für den Wall-Street-Konsens von Investing.com wird auf Grundlage der Meinungen von 15 Analysten berechnet und stimmt mit den Ergebnissen von E-Trade überein. Das Konsensrating ist optimistisch, und das 12-Monats-Kursziel für ADM liegt 20,4 % unter dem aktuellen Kurs der Aktie.
Quelle: Investing.com
Die Konsensprognose der Wall Street ist angesichts der enormen Kursgewinne der letzten Monate stimmig. Die Tatsache, dass der derzeitige Aktienkurs so weit über den Konsenszielen liegt, mahnt auf jeden Fall zu Vorsicht.
Marktimplizierte Prognose für ADM
Ich habe die marktimplizierte Prognose für ADM für den 9,1-Monats-Zeitraum von heute bis zum 20. Januar 2023 mithilfe von Optionen berechnet, die zu diesem Termin auslaufen.
Die Standarddarstellung der marktimplizierten Prognose ist eine Wahrscheinlichkeitsverteilung der Kursrendite, wobei die Wahrscheinlichkeit auf der vertikalen und die Rendite auf der horizontalen Achse abgebildet wird.
Quelle: Berechnungen des Autors unter Verwendung von Preisangaben von E-Trade
Die marktimplizierte Prognose für die nächsten 9,1 Monate tendiert zu negativen Renditen, wobei der Höchstwert der Wahrscheinlichkeit einer Kursrendite von -4,9 % entspricht. Die auf Grundlage dieser Prognose errechnete erwartete Volatilität beträgt 30 % (annualisiert).
Um den direkten Vergleich der Wahrscheinlichkeiten für positive und negative Renditen zu erleichtern, habe ich die negative Seite der Verteilung um die vertikale Achse gedreht (siehe Grafik unten).
Quelle: Berechnungen des Autors unter Verwendung von Preisangaben von E-Trade
Die negative Seite der Verteilung wurde um die vertikale Achse gedreht.
Diese Ansicht zeigt, dass die Wahrscheinlichkeiten negativer Renditen über die nächsten 9,1 Monate durchweg höher sind als die Wahrscheinlichkeiten positiver Renditen derselben Größenordnung, und zwar über einen weiten Bereich der wahrscheinlichsten Ergebnisse (die durchgezogene blaue Linie liegt auf der linken Hälfte des Charts unterhalb der gestrichelten roten Linie). Die marktimplizierte Prognose scheint eher pessimistisch zu sein.
Die Theorie besagt, dass marktimplizierte Prognosen tendenziell eine negative Verzerrung aufweisen, da Anleger insgesamt risikoscheu sind und dazu neigen, mehr als den fairen Wert für den Schutz vor Abwärtsrisiken (z. B. Put-Optionen) zu zahlen. Es gibt jedoch keine Möglichkeit festzustellen, ob hier eine solche Verzerrung vorliegt. In Anbetracht der Tatsache, dass eine negative Tendenz erwartet wird, interpretiere ich diese marktimplizierte Prognose jedoch eher als neutral mit pessimistischer Tendenz denn als moderat pessimistisch.
Die marktimplizite Prognose ist pessimistischer als in meiner Analyse vom Oktober. Ich habe auch die marktimplizierte Prognose für die 2 Monate bis zum 17. Juni 2022 berechnet, und die Ergebnisse waren qualitativ recht ähnlich, so dass ich diesen Chart nicht in diesen Artikel aufgenommen habe.
Zusammenfassung
Archer-Daniels-Midland hat in dem inflationären Umfeld der letzten mehr als 12 Monate gute Gewinne erzielt, die Anleger haben den Aktienkurs daraufhin in die Höhe getrieben. Infolgedessen ist auf dem derzeitigen Niveau ein gewisses Maß an irrationalem Optimismus zu erkennen.
Der Konsens an der Wall Street ist nach wie vor optimistisch, allerdings liegt der Aktienkurs rund 20 % über dem 12-Monats-Kursziel. Die marktimplizierte Prognose bis Anfang 2023 ist neutral mit einer pessimistischen Tendenz. Die erwartete Volatilität ist mit 30 % höher als in meiner vorherigen Analyse (25 % bis 26 %), und die aktuelle marktimplizierte Prognose ist weniger optimistisch als noch im Oktober.
ADM ist angesichts der hohen Kraftstoff- und Lebensmittelpreise in den Vereinigten Staaten und darüber hinaus gut positioniert, um weiterhin zu wachsen. Ich ändere jedoch meine Bewertung von „bullisch“ auf „neutral“, weil der derzeitige Kurs der Aktie bereits eine erhebliche Gewinnerwartung widerspiegelt.
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