von Caroline Gerber
Die Risikolaune der Anleger hat die Märkte zum Ende des Jahres 2019 auf neue Rekorde getrieben. In den letzten Wochen des Jahres stiegen die US-Aktien auf Allzeithochs, mit dem S&P 500 um rund 28,5% höher am letzten Handelstag, was zum Teil auf die Entscheidung der Fed zurückzuführen ist, die Zinssätze in diesem Jahr dreimal zu senken, die höchste Anzahl von Zinssenkungen seit der Finanzkrise von 2008.
Hinzu kommt, dass sich die großen geopolitischen Risiken der letzten Zeit abgekühlt haben. Der Handelsstreit zwischen den USA und China, der die Investoren seit Mitte 2018 auf Trab gehalten und laut IWF die Weltwirtschaft rund 700 Milliarden US-Dollar gekostet hat, könnte im Januar durch eine Phase-1-Vereinbarung zum Stillstand kommen. Dies allein stärkte das Vertrauen der Anleger sowie die globalen und US-amerikanischen Märkte im Dezember.
Der Brexit, die andere politische Pattsituation, die die Anleger beunruhigt, steht ebenfalls vor einer Endlösung, nachdem der britische Premierminister Boris Johnson am 12. Dezember bei den Parlamentswahlen einen durchschlagenden Sieg davontragen konnte. Dieser hat die politische Landkarte verändert und den Premierminister ermächtigt, die EU zu verlassen, auch wenn der unvermeidliche Kampf, den Brexit zu vollenden, hart werden dürfte.
Während Zuversicht den Aktienmarkt anschob, haben die anhaltenden globalen wirtschaftlichen Unsicherheiten Gold zu Wertsteigerungen verholfen. Das als Krisenabsicherung geschätzte Edelmetall stieg in 2019 um rund 16,31%, einen Handelstag vor Jahresende. Handelskriegsrisiken, stagnierendes Wachstum in Europa und Japan und politische Unruhen in Hongkong und Lateinamerika sind weiterhin Marktrisiken.
Auf dem US-Heimatmarkt gab es viele mit Spannung erwarteten Einhorn-Börsengänge in 2019, darunter auch Uber (NYSE:UBER), LYFT (NASDAQ:LYFT) und Slack (NYSE:WORK), die die Anleger ernsthaft enttäuscht haben. Ein weiteres angekündigtes Börsendebüt, WeWork, brach völlig zusammen, bevor es überhaupt aus dem Starttor gelang.
Bei allem Getöse über das Wiederaufleben des Emissionsgeschäfts war es jedoch Saudi Aramco (SE:2222) Börsengang an Riads Börse Tadawul, dass sie alle in den Schatten stellte und sich als der größte Börsengang in der Geschichte entpuppte, der 25,6 Milliarden Euro einbrachte, was dem Ölkonzern eine Bewertung von 1,7 Billionen USD gibt. (Seitdem die Aramco-Aktie am 16. Dezember ein Hoch von 38 USD erreicht hat, ist sie um 7,63% auf den aktuellen Kurs von 35,1 USD gefallen.)
Zum Auftakt des Jahres 2020 haben wir uns an einige unserer beliebtesten Mitwirkenden gewandt, um zu erfahren, wohin sich die Märkte im kommenden Jahr entwickeln werden. In diesem Teil 1 unserer zweiteiligen Reihe geben drei Autoren Auskunft darüber, wohin sich Aktien ihrer Meinung nach im nächsten Jahr entwickeln werden. Morgen, am Neujahrstag, werden wir eine Beitragsanalyse veröffentlichen, die sich auf Rohstoffe, Devisen und die allgemeinen Marktaussichten konzentriert. Sie können diese hier lesen.
Declan Fallon: Neuer Ausbruch nach zyklischer Erholung
Der größte Teil des Jahres 2019 wurde damit verbracht, die Verluste aus der zweiten Hälfte des Jahres 2018 bei S&P und NASDAQ auszugleichen. Es dauerte bis Oktober, um endlich die Rallye zu starten, die dieses Jahr neue Rekordmarken gesetzt hat. Der Russell 2000 hat immer noch einiges aufzuholen, als sein Hoch von 2018 von rund 1.740 immer noch in einiger Entfernung liegt.
Während einige von großen Zuwächsen bei den Indizes seit Jahresbeginn sprechen, sehen wir tatsächlich einen neuen Ausbruch nach einer zyklischen Erholung von einem Bärenmarkt. In diesem Rahmen könnten Wachstumsaktien die wahren Gewinner in 2020 werden.
Der Russell 2000 (über iShares Russell 2000 ETF (NYSE:IWM)) steht bereit, das Hoch von 2018 mit einem kleinen Ausbruch aus der diesjährigen Konsolidierung zu brechen. Dies ist ein sehr gut aussehender Chart.
Was der Rallye zusätzlichen Treibstoff gibt, ist der Umstand, dass in einem Wahljahr US-Präsident Trump die Rallye am Laufen halten will.
Der Halbleitersektor hat sich im Jahr 2019 gut geschlagen. Wie die Eisenbahnunternehmen der Vergangenheit ist er ein Frühindikator für die Gesamtwirtschaft. Wenn er boomt, erweitern und aktualisieren die Unternehmen ihre eingesetzten Technologien. Während sich das Tempo dieser Rallye für 2020 verlangsamen mag, ist der Ton für das Jahr vorgegeben.
Bitcoin Händler müssen möglicherweise bis zum Sommer warten, bevor sie sich über etwas freuen können. Der 200-Tage-Durchschnitt war der Absprungpunkt von Anfang des Jahres und die 4.500er Linie 2017 ein Widerstandsniveau, das sich in 2020 in eine Unterstützung verwandeln könnte. Bitcoin ist für Millenials gleichbedeutend mit Gold für Baby-Boomer; es wird wieder einen Tag an der Sonne haben.
Michele Schneider: Wachstumssignale von Russell, Einzelhandel, Transportaktien
In Anbetracht der Rallye der Indizes im Dezember und insbesondere des S&P 500, des Nasdaq 100 und des Dows, ergeben sich für 2020 zwei mögliche Szenarien:
Entweder ist der Markt zukunftsorientiert und geht davon aus, dass die Wirtschaft im Jahr 2020 zu expandieren beginnt. Oder die Federal Reserve und die globalen Zentralbanken regen Unternehmen durch Beibehaltung der Zinssätze nahe Null oder in einigen Fällen negativ dazu an, ihre Rekordrückkäufe von Aktien im kommenden Jahr fortzusetzen.
Bisher haben Unternehmen wenig unternommen, um die Entwicklung oder die Einstellung von Mitarbeitern zu verbessern. Stattdessen haben sie hauptsächlich Dividenden zur Belohnung der Aktionäre erhöht und in ihre eigenen Aktien investiert. Das muss sich ändern, um mit dem knappen Arbeitsmarkt Schritt zu halten.
Um festzustellen, ob die US-Wirtschaft tatsächlich expandiert, sollten die Anleger den auf den Heimatmarkt fokussierten Russell 2000 im Auge behalten, zusammen mit zwei Schlüsselsektoren:
Der Russell 2000 (IWM) repräsentiert die US-Wirtschaft am besten. Es setzt sich aus kleineren Unternehmen zusammen, die in den USA Waren herstellen oder produzieren. Bislang hat IWM begonnen, sich von seiner Basis zu lösen, aber es liegt immer noch weit hinter den Allzeithochs von 2018. Wir können den IWM als die „Angebotsseite“ der Wirtschaft betrachten.
Der Transportsektor (NYSE:IYT) blieb auch hinter dem SPX zurück (über den SPDR S&P 500 (NYSE:SPY), als auch dem NASDAQ (über den Invesco QQQ Trust (NASDAQ:QQQ) und dem Dow (NYSE:DIA) (über den SPDR® Dow Jones Industrial Average ETF Trust (NYSE:DIA). Mit der jüngsten schlechten Entwicklung bei FedEx (NYSE:FDX), haben der Transport oder die "Nachfrageseite" der Wirtschaft eine schwere Aufgabe zu bewältigen, um zu beweisen, dass Waren im ganzen Land in robusten Mengen transportiert werden. IYT muss sich über 188,00 halten und schließlich die 200,00 nehmen.
Stationärer Einzelhandel (NYSE:XRT) war der größte Nachzügler, dank schwacher Umsätze. Dieser Sektor war das hässliche Entlein und spiegelte die hohe Verschuldung der Verbraucher wider, die in der Weihnachtszeit wahrscheinlich weiter zugenommen hat. Daher muss XRT sich über 44,00 behaupten und auf 47,00 oder die Höchststände von 2019 zurückkehren.
Unabhängig davon, was der Schlüsselindex und die Sektoren tun, dürfte das geopolitische Jahr 2020 volatiler werden. Das macht Stagflation zu einer weiteren realen Möglichkeit.
Im Jahr 2019 erreichte das Verhältnis zwischen Aktien und Rohstoffen ein 100-Jahrestief. Zum Ende des Jahres 2019 ist die Quote etwas zurückgegangen, kann aber im Jahr 2020 noch weiter schrumpfen. Seit 1979 ist die Inflation verhalten geblieben. Angesichts der Aussagen von Steven Kaplan, dem Präsidenten der Dallas Reserve, dass die Zinsen niedrig bleiben und die Zukunft des Dollars als weltweite Reservewährung fraglich ist, könnten die besten Trades in 2020 am Rohstoffmarkt zu finden sein.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Anleger die kleineren Werte, Transportaktien und den stationären Einzelhandel auf Anzeichen von Wirtschaftswachstum oder Stagnation beobachten müssen. Angesichts niedriger Zinsen, einer ungewissen Zukunft des Dollars und einer zunehmenden geopolitischen Volatilität dürfte die Inflation mit der Möglichkeit eines sich abzeichnenden Stagflationsumfelds zunehmen.
Jani Ziedins: Keine Wiederholung von 2019, aber 2020 könnte für opportunistische Swing-Trader großartig werden
2019 war das Jahr einer großzügigen und sanften Rallye. Der S&P 500 kletterte um fast 30% und die meisten Rückschläge waren harmlos, da sich die Preise schnell erholten. Zu dieser Stärke trug definitiv eine Rückkehr aus dem stark überverkauften vierten Quartal 2018 bei. Unabhängig von der Quelle scheint dies das zweitbeste Jahr am Markt seit der Dotcom-Blase zu werden.
Abstürze sind beängstigend und für immer in der Erinnerung eines jeden Menschen, der sie durchlebt, aber letztlich auch äußerst selten. Die meisten aktiven Trader werden in ihrer Karriere nur einen oder zwei sehen. Wird nächstes Jahr eines dieser Jahre sein? Wahrscheinlich nicht. Zumal der Markt nicht so stark überkauft oder überfinanziert ist wie während der Dotcom- und Immobilienblasen. Aktien sind definitiv nicht billig, aber sie sind auch nicht "aufgeblasen".
Leider sieht 2020 für uns nicht nach 2019 aus, da der Markt so gut wie nie eine Entwicklung wiederholt und nächstes Jahr darin keine Ausnahme darstellen wird. Wenn wir die Aussicht auf eine starke Rallye von der Liste der Möglichkeiten streichen, bleiben uns drei mögliche Szenarien: eine bescheidene Rallye, eine leichte Talfahrt oder ein Börsencrash.
Wenn wir beide Extreme von der Liste streichen, haben wir ein wenig nach oben oder ein wenig nach unten. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich beides sehen. Der Arbeitsmarkt ist gespannt und der Arbeitskräftemangel wird das Wirtschaftswachstum auch in Zukunft unter Kontrolle halten. Wenn ein Unternehmen keine neuen Mitarbeiter findet, kann es nicht expandieren, egal wie stark die Nachfrage ist.
Andererseits könnten bescheidene Gewinne an den Aktienmärkten leicht zunichte gemacht werden, wenn ein unpopulärer republikanischer Präsident durch einen Demokraten ersetzt würde. Die Angst vor sich abzeichnenden Vorschriften und Steuern wird in den letzten Monaten des Jahres 2020 zu einem Rückgang der Aktienkurse führen. Und daher ist meine Prognose: Wenn Trump gewinnt, sind eher bescheidene Gewinne zwischen 5% und 10% zu erwarten. Wenn er verliert, rechnen Sie mit stagnierenden Kursen.
Aber wo wir aufhören, ist nur ein Teil des Puzzles. Wie wir dorthin gelangen, ist für aktive Händler noch wichtiger.
Jeder weiß, dass Aktien nicht stillstehen können und wie ein zappeliger Fünfjähriger immer in Bewegung sein müssen. Manchmal rücken sie für längere Zeit nach oben wie 2019. Manchmal sinken sie unerbittlich, wie es 2008 passiert ist. Meistens bewegen sie sich jedoch aus keinem anderen Grund auf und ab, als wenn sie nicht still sitzen können. 2020 wird ein Jahr der Bewegung, ohne größere Gründe, mit vielen moderaten Ab- und Aufschwüngen ohne eine eindeutige Richtung.
Während es in einem langfristigen Portfolio keine Rolle spielen wird, dürfte 2020 ein großartiges Jahr für opportunistische Daytrader werden.