Die US-Notenbank überraschte nicht: sowohl die Zinsentscheidung als auch der Redetext von Jerome Powell waren exakt so erwartet worden. Aus dem Wortlaut geht hervor, dass die FED ab jetzt auf den Automatismus weiterer Zinstrippelschritte verzichtet und von Sitzung zu Sitzung neu entscheidet. Konkret dazu schreibt CNBC, dass im Statement ein relevanter Satz aus der letzten PK weggelassen wurde, der besagte, dass das Komitee einige weitere Straffungen für angemessen erachten könnte. Im Verlauf der PK gaben die Kurse leicht nach, weil Jerome Powell Hoffnungen auf eine baldige Zinssenkung eine Abfuhr erteilte. Seiner Meinung nach wird die Inflation nicht schnell genug zurück fallen, um dies zu rechtfertigen. Das erhöhte insbesondere den Druck auf die Zins-gepeinigten Regionalbanken. Dieser verschärfte sich nachbörslich drastisch: die kalifornische PacWest brach um 50% ein, nachdem das Unternehmen Umstrukturierungspläne – u.a. für eine bei Investoren verhasste Kapitalerhöhung - vorgelegt hatte. Immer mehr Analysten erwarten, dass die anhaltend hohen Zinsen den kleineren Kreditinstituten existenziellen Stress bereiten. Am US-Anleihemarkt fallen die Renditen über nahezu alle Laufzeiten leicht zurück (10y aktuell 3,37%), jedoch ziehen die 1-3-monatigen Fristen wegen der anhaltenden Schuldendeckel-Problematik weiter an: 2-Monatstitel werfen 5,55% ab.
Im Pazifikraum zeigten sich chinesische Aktien freundlich trotz der Meldung, dass der Caixin-Einkaufsmanagerindex der Fabrikaktivitäten im April mit 49,5 (e 50,3) wieder in den kontraktiven Bereich zurückgefallen war. Das dürfte daran liegen, dass nun auch offiziell bestätigt wurde, dass Chinas Tourismusausgaben während der Mai-Feiertage das Vor-Covid-Niveau von 2019 wieder erreicht haben - eine gute Nachricht für den Servicesektor.
In Europa präsentieren sich die tagelang gebeutelten Energiewerte (NYSE:XLE) heute gegen den allgemeinen Trend fest. Die aktuelle Stabilisierung des Ölpreises hilft dabei ebenso wie der Report von Shell (ETR:R6C0), der die Erwartungen der Analysten weit übertraf. Der WTI-Ölpreis hatte heute früh in Fernost eine wilde Schwankung durchlebt, was Spekulationen über Algo-Trades oder einen „Fat Finger“ hochkochen ließ. Gestern hatte ein US-Regierungsbericht von zurückgehender Nachfrage und steigenden Lagervorräten berichtet. Das hintere Ende des STXE 50 belegt Novo Nordisk (NYSE:NVO). Hier belastet, dass die Umsätze im neuen Hoffnungsträger „Wegovy“ die Erwartungen deutlich verfehlt hat. Den ESX 50 führen BMW (ETR:BMWG) und VW (ETR:VOWG) nach exzellenten Absatzzahlen an. Das Schlusslicht belegt Vonovia (ETR:VNAn) nach Vorlage seines Q1-Reports.
Heute Nachmittag wird die EZB mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls eine 0,25% Zinsanhebung verkünden. Aber Achtung: im Gegensatz zur FED ist die EZB „hinter der Kurve“, weil sie zu spät mit der aktiven Inflationsbekämpfung begonnen hat. Sie muss noch einige Zinsschritte gehen und wird deshalb in der PK aggressiver argumentieren als die US-Notenbank gestern Abend. Wenn dem so ist, könnte das die Kurse im Tagesverlauf belasten. Wir hatten gestern in USA und Europa mit dem Abrutschen unter den kurzfristigen Aufwärtstrend (20-Tagelinie) die Nettoallokation ein wenig abgesenkt und stehen bereit, dies erforderlichenfalls auszubauen. Der Service-Einkaufsmanagerindex für die Eurozone betrug im April 56,2. Die erste Prognose hatte mit 56,6 höher gelegen. Auch der von S&P Global erstellte Sammelindex für die Produktion der Privatwirtschaft der Eurozone wurde mit 54,1 etwas niedriger ausgewiesen als in der ersten Veröffentlichung.
Im APX indiziert der zu feste US-Anleihemarkt, dass sich die Anleger sorgen, was 2 Punkte kostet. STXE 600 und DAX verlieren ebenfalls je zwei Punkte.