Die Erleichterung über die sechswöchige Fristverlängerung im US-Haushaltsstreit währte nur wenige Stunden. Zu verhärtet sind die Fronten zwischen Republikanern und Demokraten sowie innerhalb der republikanischen Partei. Deshalb erscheint ein Shutdown der Regierungsgeschäfte ab Mitte November weiterhin wahrscheinlich. Da dies verbunden wäre mit einer Abstufung der Kreditwürdigkeit durch Moody`s, würde die USA ihr Top-Rating verlieren. Das ist eine der Ursachen für den jüngsten scharfen Anstieg der US-Renditen. Die Ratingagentur begründet ihre Androhung mit den gestiegenen Risiken der Regierungsführung in den USA, konkret im mangelnden Willen zur Kooperation der beiden großen Parteien. Dass nun der Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, von acht Mitgliedern seiner eigenen Partei aus dem Amt verdrängt wurde, erhöht das Risiko einer Nichteinigung und damit eines Shutdowns. Bereits die Amtsenthebung zeigt, wie verfahren die Situation ist: die restlichen Republikaner standen hinter McCarthy, aber er hätte einige unterstützende Stimmen von den Demokraten gebraucht. Diese wurden ihm verwehrt. Dabei hatte er gerade erst den Kompromiss zur Fristverlängerung ausgehandelt, indem er den Demokraten ein Stück entgegen gekommen war.
An den US-Anleihemärkten steigen deshalb die Renditen beschleunigt an. Heute Nacht erreichten die zehnjährigen US-Staatstitel mit 4,884% ihren vorläufigen Hochpunkt. Das führte zu Panikverkäufen in Japan. Denn der Zinsspread weitet sich zunehmend aus. Das wiederum setzt den Yen immer weiter unter Druck, was Maßnahmen der Bank of Japan zunehmend wahrscheinlich werden lässt. Auch Europa eröffnete nach dem gestrigen Ausverkaufstag heute früh erneut sehr schwach, wobei die zunehmende Ausweitung der Zinsdifferenz zwischen italienischen und deutschen Staatsanleihen manchen Anlegern Sorgen bereitet: während die deutschen Zehnjahrestitel 3% touchieren, liegen die italienischen Pendants bereits bei 5%. Ein Analyst der Deutschen Bank (ETR:DBKGn) bringt es auf den Punkt: der scharfe und rasante Zinsanstieg birgt das Risiko, „irgendwo“ einen Unfall im Finanzsystem auszulösen.
Der Blick auf die Charttechnik lässt jedoch insbesondere in Europe die Kurse als inzwischen überverkauft erscheinen. Der für uns maßgebliche STXE 600 NR hat um 1040 Punkten eine massive Unterstützung, die aus Q1 herrührt. Da locken eher antizyklische Käufe. Beim S&P 500 liegt bei 4202 die ansteigende 200-Tagelinie. Der Nikkei hat seine mehrmonatige Sonderrallye fast komplett abgegeben und notiert nur noch 1,8% über seiner 200-Tageline, die dort starke Beachtung findet. Schauen wir uns die Anleiheseite an, so bieten US-Langläufer mittlerweile einen fast positiven Realzins (nominal abzüglich Inflation). Das war/ist ein Prio 2- Ziel der FED. Der Punktestand des apano Börsen-Stimmungsindex APX empfiehlt derzeit eine defensive Gewichtung, wobei die täglichen Schwankungen aber derzeit ungewöhnlich ausgeprägt sind. Seine Range liegt seit zwei Wochen zwischen 75% und 0% Netto-Investitionsgrad, ist aber tendenziell sinkend. Mit ca. 59% Aktien plus 6% Anleihen - deren Quote hatten wir letzte Woche fast halbiert – sind wir aktuell eher am offensiven Ende positioniert und erwägen deshalb, trotz der o.g. charttechnischen Gründe den Aktienbestand noch ein wenig abzusenken. Dem heutigen Handelstag haben wir freilich bislang ohne Aktion zugeschaut, da die Rendite der Ton angebenden 10y US-Treasuries mit aktuell 8 Basispunkten leicht zurückkommt.