von Geoffrey Smith
Die Währungen von Schwellenländern hatten einen großartigen Start ins neue Jahr. Die Abkühlung der globalen Konjunktur hat die US Federal Reserve gezwungen, ein Pause bei ihren Zinserhöhungen einzulegen und die Europäische Zentralbank (EZB) zu einer Verschiebung eines ersten Zinsschritts nach oben veranlasst.
Die Erleichterung in den Schwellenländern ist offenkundig: Die Verluste des Dollars belaufen sich auf 1,9% gegenüber dem mexikanischen Peso, 4,2% gegenüber dem südafrikanischen Rand und ganze 5,9% gegenüber dem russischen Rubel. Aber eine der großen Währungen hinkt hinterher—und in den Augen einiger ist das kaum zu begründen.
Die türkische Lira ist seit Jahresanfang um bislang lediglich 0,3% gegenüber dem Dollar gestiegen, trotz der Unterstützung durch extrem hohe Zinssätze, einer rasch besser werdenden Zahlungsbilanz und ermutigenden—wenn auch verhaltenen—Anzeichen auf Fortschritte bei dem Abbau der starken Unternehmensverschuldung. Klar, die die Talfahrt vom letzten Jahr, als die Lira in den sechs Monaten zum August 45% einbüßte, nachdem Präsident Recep Tayyip Erdogan die Zentralbank unter Druck gesetzt hatte, die Zinsen nicht weiter anzuheben, ist noch gut in schmerzhafter Erinnerung. Vertrauen in eine Zentralbank und eine Währung kann in Tagen zerstört werden, braucht aber Monate, wenn nicht Jahre, um wieder hergestellt zu werden.
Aber der Kollaps im letzten Jahr, wenn auch klar von der Landespolitik in Gang gesetzt, kam vor dem Hintergrund steigender US-Zinssätze und der Erwartung, dass die EZB ebenfalls, sich langsam auf eine Erhöhung ihres Leitzinssatzes zubewegen werde. Dieser Ausblick ist jetzt anders und Ängste, dass große europäische Banken wie Unicredit (MI:CRDI), ING (AS:INGA) und BBVA (MC:BBVA) Ressourcen aus ihren regionalen Niederlassungen abziehen und eine Kreditklemme auslösen würden, haben sich als weitgehend unbegründet erwiesen.
“Zum jetzigen Zeitpunkt mögen wir die Lira besser als den Rubel oder den Rand,” sagte Charles Robertson, Forschungschef beim Schwellenländerspezialisten Renaissance Capital. Er argumentiert, dass das Ausbleiben einer Erholung nach dem Einbruch vom letzten Jahr die Lira 20% unter ihrer langfristigen Durchschnittsbewertung lässt.
Hinzu kommt, dass der offizielle wöchentliche Repo-Zinssatz—mit 24% seit September— bedeutet, dass die Lira einen gewaltigen Zinsvorteil gegenüber Finanzierungswährungen wie Dollar oder Euro hat und sogar gegenüber anderen Schwellenländerwährungen einen erklecklichen Aufschlag mit sich bringt. Zum Vergleich der Leitzinssatz in Südafrika steht auf 6,75% und der in Russland auf 7,75%. Die Zentralbank des Landes, die immer noch an ihrer Glaubwürdigkeit arbeitet, hat nach ihrer letzten geldpolitischen Sitzung versprochen, sie werde die Zinssätze nicht voreilig senken, obwohl sie ihre Inflationserwartungen für dieses und nächstes Jahr gesenkt hat. Die Inflation läuft immer noch mit einer Jahresrate von 20,35%.
ING-Volkswirt Muhammet Mercan schätzt, dass die Zentralbank die Zinssätze frühestens im Juni senken wird, wenn Basiseffekte ihr einen “überzeugenden” Fall der jährlichen Inflationsrate erlauben werden.
Klar gibt es noch Zukunftsrisiken: Die Äußerung der Regierung der letzten Woche, sie untersuche die Möglichkeit einer Verstaatlichung der Isbank, der größten an der Börse gelisteten Bank des Landes, ist ein besorgniserregendes Signal; Analysten von BBVA unterstreichen, dass die Restrukturierung von Unternehmensschulden, nach einer ein Jahrzehnt dauernden Party mit billigen Dollars schneller vorangehen müssen. Geopolitisch könnte der geplante Abzug von US-Streitkräften aus dem Norden Syriens verschiedene Probleme schaffen: Nicht nur ringt Erdogan mit dem Iran, Saudi-Arabien und Russland um Einfluss in der Region, sondern er riskiert auch neue Auseinandersetzungen mit den Vereinigten Staaten über die syrischen Kurden, die er verdächtigt, den kurdischen Rebellen in der Türkei zu helfen.
Das Risiko von politischer Einflussnahme in die Wirtschaftspolitik bleibt ebenfalls bestehen: Erdogan Partei muss Ende März Kommunalwahlen im ganzen Land bestehen. Aber zumindest zur Zeit sieht es so aus, als denke die Regierung, sie habe mehr von einer Erneuerung ihres Angriffs auf die Zentralbank zu verlieren als zu gewinnen.
Zumindest unter Investoren aus dem Ausland, verbessert sich die Stimmung im Hinblick auf die Türkei. Das Finanzministerium konnte im Januar ohne Probleme Anleihen in Dollar und Euro verkaufen. Sollte die Regierung auch noch das eigene Volk davon überzeugen können, dass sie die Fehler des letzten Jahres nicht wiederholen wird, dann sollte die Erholung der Lira noch ein Stück weitergehen.
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