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US-Arbeitslosigkeit – Ausfall von Hypothekenforderungen – Immobilienkrise 2.0?

Veröffentlicht am 11.06.2020, 13:11
Aktualisiert 09.07.2023, 12:32

US-Arbeitsmarktberichte verdeutlichen die Corona-Misere - die Daten sind zum Teil ein Desaster

Monatlich werden die US-Arbeitsmarktdaten in der Regel am ersten Freitag eines neuen Monats um jeweils 14:30 Uhr (08:30 EST) publiziert. Anhand dieser recht kurzen Zeitreihe von Januar bis Mai können die desaströsen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den US-Arbeitsmarkt schwarz auf weiß abgelesen werden. Im Januar 2020 kreierte die US-Wirtschaft ex Agrar 225.000 Stellen und die Arbeitslosenquote betrug 3,6 Prozent. Im Februar 2020 schaffte sie nochmals 273.000 Stellen ex Agrar und die Arbeitslosenquote sank somit auf 3,5 Prozent. Dies war die niedrigste Arbeitslosenquote seit dem Jahr 1968, also seit rund 52 Jahren. Bereits anhand des Arbeitsmarktberichts für den März kann man die ersten Effekte der Corona-Krise am US-Arbeitsmarkt ausmachen. Im März gingen der US-Wirtschaft nämlich schon 701.000 Stellen verloren und die Arbeitslosenquote stieg auf 4,4 Prozent. Einer der schwärzesten Arbeitsmarktberichte seit dem zweiten Weltkrieg wurde der April-Bericht. Im April 2020 verlor die US-Wirtschaft 20,5 Millionen Stellen ex Agrar und die Arbeitslosenquote peitschte regelrecht nordwärts auf 14,7 Prozent. Nicht mal zu Zeiten der Weltfinanzkrise mit dem Horrorjahr 2009 war die Arbeitslosenquote im zweistelligen Bereich, in 2009 betrug sie 9,9 Prozent. Zur Präsidentschaft von Ronald Reagan im Jahr 1982 lag sie bei 10,8 Prozent. Blickt man zurück bis auf die Zeit der großen Depression im Jahr 1929, so betrug die bis dahin höchste Arbeitslosenquote im Jahr 1933 24,9 Prozent. Das ist als Vergleich wahrlich kein Trost, sollte an dieser Stelle aber nicht unerwähnt bleiben, weil gerade in Bezug auf die derzeitige US-Wirtschaftssituation gerne Vergleiche mit der Zeit der großen Depression in den 1930iger-Jahren gezogen werden. Die Arbeitsmarktmisere in den USA kann auch an den Beschäftigtenzahlen ex Agrar abgelesen werden. Im Januar gab es noch 152,463 Millionen Beschäftigte, im April waren es 130,403 Millionen und im Mai 132,912 Millionen. Seit Januar fielen folglich 19,55 Millionen Beschäftigte (Stellen ex Agrar) der Krise zum Opfer.
Denkmal an die Essenswarteschlangen zur Zeit der Großen Depression. Washington DC, USA

Mai-Arbeitsmarkdaten geben Hoffnung - ist diese berechtigt?

Der Arbeitsmarktbericht für den Mai überraschte an der Wall Street das Gros der Markteilnehmer. Die Konsensschätzungen der Analysten hatten weitere massive Stellenverluste prognostiziert und vor allem ging man von einer Arbeitslosenquote von bis zu 20 Prozent aus. Dem war nicht so. Wie konnte man nur so extrem auf dem falschen Fuß erwischt werden? In erster Linie wirkte ein Stellenzuwachs ex Agrar von 2,5 Millionen und ein Rückgang der Arbeitslosenquote von 14,7 Prozent auf nunmehr 13,3 Prozent ohne jeden Zweifel erfreulich, doch sind diese Daten tatsächlich zu 100 Prozent valide? Die publizierende Quelle, das „U.S. Bureau of Labor Statistics“, wies nämlich im Anhang des Berichts auf die schwierige Erfassungslage im Rahmen der Corona-Krise hin. Im schlimmsten Fall wäre die Arbeitslosenquote tatsächlich um bis zu drei Prozent höher - darauf wies das „BLS“ explizit hin (würde bedeuten, dass die Mai-Arbeitslosenrate eigentlich bei 16,3 Prozent liegen könnte, das Peterson Institute geht für den ai gar von einer realen Arbeitslosenrate von 17,1 Prozent aus). Es könnte demnach damit zu rechnen sein, dass die Mai-Daten bei der Ausgabe des Juni-Berichts am Donnerstag, des 02. Juli (Ausnahmedatum, da die NYSE beispielsweise am 03. Juli 2020 geschlossen bleibt) nochmals stark revidiert werden könnten. Diese mitunter anzunehmende Fehlerquote würde neben dem Mai-Bericht auch den April-Bericht betreffen. Man darf gespannt sein, inwieweit sich das „BLS“ hier demnächst äußern wird – schließlich will man sich nicht dem Vorwurf politische Spielchen getrieben zu haben aussetzen, die bereits unter US-Journalisten diskutiert werden.

Hohe Arbeitslosenrate erhöht auch den Druck auf der Straße - BLM-Bewegung und Todesfall George Floyd
Proteste nach dem Tod von George Floyd verbreiten sich in ganz USA. Hier Miami Downtown am 31. Mai 2020
Vorweg sollte darauf hingewiesen werden, dass die „BlackLivesMatter (BLM)“-Bewegung nicht erst kürzlich aus der Taufe gehoben wurde und aufgrund des jüngsten Vorfalls in Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota (hat mit 8,1 Prozent nach dem Bundesstaat Connecticut mit 7,9 Prozent die niedrigste Arbeitslosenrate aller 50 Bundesstaaten) ganz plötzlich ihren Lauf nahm. Die Bewegung wurde nämlich schon 2013 gegründet. Der tragische Todesfall des Afroamerikaners George Floyd, der am 25. Mai 2020 aufgrund von Polizeigewalt zu beklagen war, war jedoch der Anlass für einen enormen und bundesweit in den USA aufflammenden Protest der „BlackLivesMatter“-Bewegung. Die seitdem größtenteils landesweit friedlich verlaufenden Proteste, denen sich in vielen Städten auch die Polizisten anschlossen, arteten aber auch zum Teil in massive Ausschreitungen aus. Es kam in vielen Städten zu Plünderungen und auch leider zu weiteren Todesfällen. Die Ausschreitungen waren so schlimm, dass man in über 40 US-Städten Ausgangssperren ausrufen musste (New York City war auch dabei). In mehr als 20 Bundesstaaten wurde sogar die Nationalgarde zur Hilfe gerufen, um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen. Die Vorfälle von Polizeigewalt häuften sich in den USA in den letzten Jahren und der Fall „George Floyd“ brachte das Fass dieses Mal extrem zum Überlaufen. Es ist schwierig zu erfassen, warum gerade jetzt so viel Protest und insbesondere auch Gewalt auf der Straße freigesetzt wird. Die Entwicklung am US-Arbeitsmarkt wird aber wohl auch einen großen Anteil daran haben.

Die höchsten Arbeitslosenraten in den USA in Bezug auf die 51 Metropolregionen in den USA, die eine Bevölkerung von über 1 Millionen Einwohnern aufweisen, liegen übrigens in Las Vegas-Henderson-Paradise (Nevada) mit einer Arbeitslosenquote von 33,5 Prozent im April 2020. Im Vergleichsmonat findet sich in dieser eher tristen Statistik auf dem zweiten Platz Detroit-Warren-Dearborn (Michigan) mit 24,4 Prozent und Cleveland-Elyria (Ohio) mit 23,1 Prozent auf dem dritten Platz. Betrachtet man sich die Anzahl der Jobverluste nach Metropolregionen, in denen die Proteste enorm aufflammten, so liegt der zahlenmäßig höchste Stellenverlust im April unter 377 Metropolregionen in New York-Newark-Jersey City mit 1.949.600 Stellen am schwersten. Auf dem traurigen zweiten Platz findet sich die Region Los Angeles-Long Beach-Anaheim mit 916.200 Stellenverlusten und auf dem dritten Platz findet sich Chicago-Naperville-Elgin mit einem Stellenverlust von 610.900.

US-Arbeitsmarktstatistik unterscheidet klipp und klar nach Gruppen

Blickt man auf den jeweiligen Monatsbericht des „U.S. Bureau of Labor Statistics“, so erkennt man recht schnell, dass der Bericht einzelne Gruppierungen aufweist. Dabei sind sogar die Ethnien einzeln untergliedert. Die monatliche US-Arbeitslosenstatistik gibt im Anhang jedes Berichts (Table A-2) exakt Auskunft, wie hoch die Arbeitslosenquote der weißen, asiatischen, afroamerikanischen und lateinamerikanischen Bevölkerungsgruppe ist. Auch hier kann man sich direkt den Verlauf seit dem Anfang des Jahres betrachten. Im Januar und Februar 2020 betrug die Arbeitslosenrate unter Weißen 3,1 Prozent, im März 4,0 Prozent, im April 14,2 Prozent und im Mai 12,4 Prozent. Die Arbeitslosenquote der afroamerikanischen Bevölkerungsgruppe wies im Februar 2020 mit 5,8 Prozent einen historisch enorm niedrigen Wert auf, im März lag dieser schon bei 6,7 Prozent, im April bei 16,7 Prozent und im Mai sogar bei 16,8 Prozent. Im Mai fand somit keine Verbesserung in dieser Gruppe statt. Die Jugendarbeitslosigkeit ist in jedem Fall für beide Gruppen zu hoch - die der Weißen lag im April bei 31,2 Prozent und im Mai bei 28,3 Prozent, die der Afroamerikaner bei 28,0 Prozent im April und 34,9 Prozent im Mai. Man könnte somit bereits bei diesem Vergleich erkennen, dass die aktuelle Arbeitslosenhistorie Auskunft darüber gibt, dass die afroamerikanische Arbeitslosenrate nicht von der kleinen Mai-Belebung (so sie denn tatsächlich eine ist) profitieren konnte. Die Arbeitslosenquote der Asiaten stieg übriges auch vom April auf den Mai von 14,5 Prozent auf 15,0 Prozent - auch diese Gruppe wies eine höhere Arbeitslosigkeit auf. Schließlich wäre noch auf die Gruppe der Lateinamerikaner (Latinos/Hispanics) hinzuweisen. Die Arbeitslosenquote dieser Gruppe lag im Januar noch bei 4,3 Prozent, stieg dann im Februar auf 4,4 Prozent, im März auf 6,0 Prozent und im April auf 18,9 Prozent (höchster Wert unter allen Gruppen) und fiel im Mai leicht auf 17,6 Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit in dieser Gruppe ist mit zum Beispiel im Mai 2020 mit 37,4 Prozent die höchste. Auch hier sollte man rein die Daten sprechen lassen und eigene Rückschlüsse daraus ziehen.

CARES Act – Hypothekendarlehen und Stundungshilfe vom Staat als Schutz vor Zwangsvollstreckung
Rettungspaket der US-Politik Coronavirus Aid, Relief and Economic Security Act oder auch kurz - CARES Act
Die Corona-Krise hat auch in Deutschland zu massiven Steuereinbußen des Staates, der Bundesländer und vor allem auch zu hohen Einbußen auf Seiten der Kommunen geführt - denkt man mal allein an die hohen Ausfälle bei den Gewerbesteuern. Dies ist wie in vielen anderen Volkswirtschaften natürlich auch in den USA der Fall. Die fehlenden Steuereinnahmen treffen in den USA neben den Bundesstaaten auch viele Städte und weitere Kommunen/Gebietskörperschaften. Sollte es nicht mehr Bundeshilfen aus Washington geben, könnte dem US-Arbeitsmarkt auch nochmals eine Verschlimmerung der Situation blühen, da dann auch die Stellen der öffentlichen Bediensteten abgebaut werden müssten. Man erkennt aufgrund dieser geschilderten Problematik, dass aktuell offenbar kein Job sicher ist, auch nicht der im öffentlichen Dienst. Gut möglich, dass es zu weiteren Folgen kommen wird. Wer arbeitslos zu drohen wird, der schränkt seinen Konsum normalerweise stark ein, wer bereits arbeitslos ist, tut dies aufgrund des Lohnwegfalls gezwungenermaßen ohnehin. Letztere Betroffene können höchstwahrscheinlich mangels nicht sehr hoher Sparraten in den USA, ihre monatliche Rate für die Hypothek nach kürzester Zeit nicht mehr begleichen.

Droht nun eine Welle von Hypothekenausfällen, die einer hohen Anzahl von Zwangsvollstreckungen führt und schließlich in einer neuen Immobilienkrise mündet? Nun, die Fed und vor allem vorweg die US-Regierung hat aus der Zeit der Immobilienkrise seit 2008 gelernt. Der gigantische Stimulus in Höhe von 2,2 Billionen US-Dollar, den die US-Politik (Demokraten und Republikaner gemeinsam) gestemmt hat, trägt den Namen „Coronavirus Aid, Relief and Economic Security Act“ oder auch kurz „CARES Act“. Dieses Rettungspaket soll die Folgen der Corona-Krise abmildern helfen, Privatleuten und Unternehmen finanziell unter die Arme greifen, um diese bei den negativen Folgen der Corona-Krise (Corona-Fallout) und insbesondere des Shutdowns zu unterstützen. Der „CARES Act“ nimmt sich auch der Problematik eventuell ausfallender Zahlungen in Bezug auf Mieten und Hypothekendarlehen an. In Bezug auf Hypothekenraten beinhaltet der „CARES Act“ beispielweise die Möglichkeiten der Stundung bzw. einer sogenannten Tilgungsstreckung. Die Hypothekenschulden verschwinden aber nicht, sondern werden zinslos in die nahe Zukunft verlagert. Einen Haken hat die Sache allerdings, denn das Hilfsprogramm der Regierung gilt nur bei den staatlich kontrollierten Vermittlern „Fannie Mae, Freddie Mac“ oder der „FHA (Federal Housing Administration)“, sowie Finanzierungen im Rahmen des Department of Veteran Affairs und des US-Landwirtschaftsministeriums. Dennoch deckt man mit dem Hilfsprogramm zumindest die Massen ab. Können die Schuldner der Hypothekendarlehen ihre monatliche Rate aufgrund des Corona-Lockdowns oder allgemein der Arbeitslosigkeit nicht zahlen, müssen sie mit den Darlehensvermittlern in Kontakt treten und für drei Monate einen zinslosen Aufschub erbitten. Anfang Mai waren es übrigens schon über 4 Millionen Antragssteller. Die Antragsteller können insgesamt gemäß den aktuellen Regelungen viermal in Folge, also höchsten vier Quartale unbürokratisch ohne Nachweis der persönlichen Finanzsituation die Tilgungsstreckung/Stundung in Anspruch nehmen. Für gewöhnlich sollten nicht Betroffene keinen Nutzen zum Beispiel in einer Stundung sehen, denn das Ziel beim Immobilienerwerb ist es schließlich schnellstmöglich das Haus abzuzahlen und sich neuen Projekten zuzuwenden.

Fazit

Die Corona-Krise hat in den USA voll zugeschlagen. Mit dem Stand des 10. Juni 2020 gab es den Daten der Johns-Hopkins-Universität zufolge allein in den USA bis dato 2,00 Millionen bestätigte Infektionen und fast 113.000 Tote. Die US-Wirtschaft und als Folge den US-Arbeitsmarkt traf dies mit brachialer Härte, denn 19,55 Millionen Erwerbstätigte verloren ihren Job. Eine Immobilienkrise wird es zumindest in der Form der 2008er-US-Immobilienkrise aufgrund der „CARES Act“-Maßnahmen vorerst nicht geben, doch letztlich erkauft sich die US-Regierung nur Zeit. Zumindest droht eine zeitliche Verlagerung des Problems in die absehbare Zukunft, aber vor allem praktischerweise erst nach der US-Präsidentschaftswahl. Gelingt es das Gros der 19,55 Millionen verlorenen Stellen in den nächsten zwölf Monaten jedoch abzubauen, könnte das auf derzeit vier Quartale ausgelegte Hypothekenhilfsprogramm zum Großteil dazu beitragen, insbesondere eine Vielzahl von Zwangsvollstreckungen und als Folge eine „Immobilienkrise 2.0“ zu verhindern.

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