Führt Donald Trump Zölle auf Goldbarren ein? Allein die Sorge davor veranlasst Marktteilnehmer, hunderte Tonnen des Edelmetalls von London nach New York zu verschiffen.
Händler verschieben aus Angst vor der Einführung von Zöllen durch den US-Präsidenten Donald Trump massenhaft physisches Gold in die USA. Wie die Financial Times berichtet, haben Goldhändler und Banken seit den Präsidentschaftswahlen 393 Tonnen des Edelmetalls in den Tresoren der Rohstoffbörse Comex in New York eingelagert.
Comex Goldbestände seit Trump-Wahl um 75 % gestiegen
Deren Lagerbestände stiegen dadurch um fast 75 % auf 926 Tonnen an – den höchsten Stand seit August 2022. Allein in diesem Monat kam es zu Zuflüssen von 244 Tonnen – die höchsten monatlichen Zuflüsse seit Mai 2020 auf dem Höhepunkt der Pandemie.
Doch diese in den Lagerbeständen gemessene Verschiebung zeigt möglicherweise nicht das ganze Bild. Die beiden Großbanken HSBC (LON:HSBA) und JPMorgan (NYSE:JPM) betreiben in New York private, nicht berichtspflichtige Tresore, in die Marktteilnehmern zufolge ebenfalls Bestände geliefert worden sein dürften.
Michael Haigh, Leiter des Rohstoffresearchs bei Société Générale (EPA:SOGN), verweist auf die Sorge vor der Einführung von tarifären Maßnahmen. "Es herrscht das Gefühl, dass Trump in die Vollen gehen und neue Zölle auf Rohstoffe erheben könnte, die in die USA eingeführt werden, darunter auch Gold."
WGC rechnet nicht mit Zöllen auf Gold
Trump hatte Einfuhrzölle auf Gold nie explizit erwähnt. Zölle auf Rohstoffe werden allerdings nicht ausgeschlossen. Bislang standen dabei allerdings Rohstoffe im Blickpunkt, deren Märkte durch China dominiert werden. Dies ist bei Gold – obwohl die Volksrepublik der größte Goldproduzent ist – nicht der Fall.
Joe Cavatoni, Marktstratege beim World Gold Council, will nicht an Zölle auf Gold glauben. "Wir haben aus der Rhetorik der Regierung nicht den Eindruck gewonnen, dass sie die Absicht hat, die Währungsmetalle anzugreifen."
Unter den Marktakteuren herrscht laut Haigh dennoch ein "gewisses Gerangel". Problematisch wären Einfuhrzölle vor allem für Akteure, die aus vertraglichen Gründen physisches Gold in die USA liefern müssen.
Dazu kann es z.B. durch Engagements in Terminkontrakten mit physischer Lieferung kommen, wie es etwa bei den Comex Gold Futures der Fall ist. Händler bestätigten gegenüber der "FT", sie bräuchten Zugang zu Gold, um bestimmte Terminkontrakte zu erfüllen, die es dem Käufer ermöglichen, Gold physisch zu erhalten.
Die Wartezeit für die Entnahme der in den Tresoren der Bank of England gelagerten Goldbarren hat sich laut Financial Times von einigen Tagen auf vier bis acht Wochen erhöht, da die Zentralbank mit der Nachfrage kaum Schritt halten kann.
Loco London Free Float trocknet aus
"Die Leute können nicht an Gold kommen, weil so viel nach New York verschifft wurde und der Rest in der Warteschlange steckt", wird ein namentlich nicht genannter Branchenmanager durch das Blatt zitiert. Die Liquidität auf dem Londoner Markt sei gesunken.
Auch Reuters zufolge ist die Größe des sogenannten Loco London Free Float, also der in London gelagerten und für den OTC-Markt sofort verfügbaren Goldmenge, rückläufig. Es handelt sich dabei um Gold, das nicht im Besitz von Zentralbanken oder physisch gedeckten börsengehandelten Goldfonds ist. Die BoE lagert Gold für Drittparteien wie Finanzinstitute sowie für andere Zentralbanken und das britische Finanzministerium ein.
Die Notenbank lehnte es bislang ab, einen Kommentar zu den Wartezeiten abzugeben. Dafür ist die Politik auf der Insel alarmiert: Ein Mitglied des Finanzausschusses des britischen Parlaments fragte den Gouverneur der BoE, Andrew Bailey, am Mittwoch nach seiner Sicht auf mögliche Risiken bei dieser Entwicklung.
BoE: "Wir haben keinen Goldstandard mehr"
Baileys Antwort: "Wir haben keinen Goldstandard mehr, in diesem Sinne hat es keine politische Bedeutung mehr." London bleibe jedoch ein wichtiger Goldmarkt, und "wenn Sie an diesem Markt beteiligt sein und Ihr Gold handeln und verwenden möchten, müssen Sie es unbedingt in London haben", fügte er hinzu.
In der vergangenen Woche war der Spread zwischen dem Goldpreis in London und dem Goldpreis an der Comex auf bis zu 60 USD pro Feinunze geklettert. Mittlerweile ist die Preisdifferenz – die auch zur Arbitrage genutzt werden kann – jedoch wieder auf 10 USD pro Feinunze geschrumpft.