Vorgestern wurde das EZB-Protokoll zur geldpolitischen Sitzung vom 7. September veröffentlicht. Darin stimmte der EZB-Rat darüber überein, dass sich die Konjunktur sogar stärker als gedacht entwickelt und ihr Aufschwung auch im zweiten Halbjahr bestehen bleiben wird. Dafür wurde auch auf die Einkaufmanagerdaten eingegangen, von denen Sie hier auch oftmals in der der Börse-Intern lesen.
Außerdem war der Effekt der bisherigen geldpolitischen Normalisierung (insbesondere durch die US-Notenbank) auf die Zinsen eher kurzfristiger Natur. „Die langfristigen Renditen sind sowohl in den USA als auch im Euro-Währungsgebiet wieder auf das Niveau vom Juni 2017 gesunken“, heißt es dazu im EZB-Protokoll. Es bleibt also noch einiges an Spielraum übrig bis ein Wirtschaft schädliches Zinsniveau erreicht wird. Insgesamt gelangt man demnach zu dem Eindruck, dass auf der Ratssitzung am 26. Oktober die Entscheidungen über die Anleihenkäufe ab 2018 bekanntgegeben werden.
Die EZB und ihr Ziel
Ein Problem gibt es aber. So habe sich der Euro vom Zinsgefälle zwischen Euro und US-Dollar entkoppelt und sei beeinflusst von Faktoren, die nicht mit den Aussichten zum Wirtschaftswachstum und der Geldpolitik zusammenhängen. Das Ergebnis der Euro-Stärke sei ein Rückgang an den Aktienmärkten im Euroraum und daraus resultierend eine Underperformance zu den US-Märkten, so die EZB.
In der Börse-Intern vom 29. August 2017 „Leidet der DAX doch unter der Euro-Stärke?“ hatte ich bereits auf diesen kurzfristigen Zusammenhang zwischen einem starken Euro-Anstieg und einer relativen Schwäche von DAX & Co. gegenüber US-Werten hingewiesen. Weiterhin wurde die Inflation durch die Euroaufwertung gedämpft. Allein die gestiegenen Preise für Rohöl sorgten für einen leichten Anstieg der Gesamtinflation. Vor allem das dürfte das größere Problem der EZB sein, nicht die Aktienmarkenmarktentwicklung. Schließlich ist ihr Ziel eine Inflationsrate von 2%.
Das war‘s mit der Euro-Aufwertung
Laut der EZB sollte aber die robuste Binnennachfrage im Eurogebiet die Effekte des stärkeren Euros kompensieren können. Zumal die Euro-Aufwertung den Anschein macht, dass sie so langsam ein Ende findet. Dafür dürfte auch die US-Notenbank verantwortlich sein, die sehr deutlich gemacht hat, dass sie ihren geldpolitischen Kurs beibehält. Und somit muss man auch davon ausgehen, dass im Oktober nicht nur die angekündigte Bilanzverkürzung beginnt, auch mit der dritten Zinsanhebung dürfen wir noch dieses Jahr rechnen.
Die Fed bleibt sich treu
Dass es dieses Jahr mindestens drei Zinsanhebungen geben wird, propagierte die Fed schon seit über einem Jahr. Fast genauso lange existieren aber auch schon die Zweifel vieler Marktteilnehmer an einer tatsächlichen Umsetzung. Diese sind nun aus dem Weg geräumt. Die jüngsten Aussagen der Fed-Mitglieder brachten die Abweichler wieder zurück auf den Fed-Kurs. Waren vor der letzten Fed-Sitzung nur 31 % der Anleger von einem Zinsschritt in diesem Jahr überzeugt, sind es nun nach der Sitzung bereits mehr als 70%. Auch die Kurse spürten die Anpassung und der US-Dollar zog deutlich an.
EZB wird am 26. Oktober über das Kaufprogramm beschließen
Damit hat sich nun auch der Unsicherheitsfaktor, der mit der starken Euro-Aufwertung einherging, wieder reduziert. Daher bleiben der EZB immer weniger Argumente, die Märkte weiter im Ungewissen zu lassen. Deshalb sollte auf der Sitzung am 26. Oktober die Entscheidung zum Kaufprogramm endlich preisgegeben werden. Schließlich geht aus dem EZB-Protokoll auch eindeutig die Empfehlung hervor, über das Jahresende hinaus über den geldpolitischen Kurs zu entscheiden. Da die Märkte besser frühzeitig auf geldpolitische Veränderungen eingestellt werden müssen, wird eine Entscheidung erst im Dezember etwas zu spät sein. Es sei denn, die EZB möchte gerne Marktverwerfungen riskieren.
Entscheidend wird aber für die Börse eher weniger, in welchem Ausmaß die EZB ab 2018 weiterhin Anleihen aufkauft, sondern wie der neue Zeitplan dafür aussehen wird. Und so haben wir nun den Bogen zu meiner Prognose über den Verlauf des DAX aus der letzten Ausgabe gespannt. Ich hatte Ihnen ja versprochen, die Elliott-Wellen in Einklang mit der Entwicklung der Konjunktur und der Geldpolitik zu bringen.
Die Zeiten ändern sich
Folgt man den Prognosen der Notenbanken und auch den Werten der Frühindikatoren wie z.B. den Einkaufsmanagerindizes, wird sich der Konjunkturaufschwung fortsetzen. Für die nächsten drei bis sechs Monate wird damit der Aktienmarkt gestützt werden. Damit haben wir auch die Erklärung, warum wir in nächster Zeit lediglich eine erneute Zwischenkorrektur sehen dürften (schwarze Welle 4) - dazu noch einmal der Chart:
Die Frage, was die große Korrektur auslösen wird, die ich am Ende der (schwarzen und blauen) Welle 5 erwarte, bleibt aber bestehen.
Zeitenwende eingeleitet
Zunächst einmal sei gesagt, dass die geldpolitischen Entscheidungen der Notenbanken stets langfristig wirken. Im Oktober startet die Fed ihre Bilanzreduzierung und im Dezember wird dann höchst wahrscheinlich die nächste Zinsanhebung folgen. Die Zeitenwende wurde aber schon bei ihrer letzten Sitzung eingeläutet. Aus ihr werden weiter steigende Zinsen und eine Belastung des Aktienmarktes resultieren. Dabei muss sich diese Belastung nicht zwangsläufig zu fallenden Kursen führen, sondern es kann auch nur zu einem flacheren Anstieg kommen.
Dass durch das behutsame Vorgehen der Notenbanken sicherlich kein Crash am Aktienmarkt ausgelöst wird schreib ich bereits am 10. August. „Und auch eine übergeordnete Trendwende ist nicht zu erwarten. Aber der zukünftige Kursanstieg dürfte sich nicht im bisherigen Tempo fortsetzen und von scharfen Rücksetzern unterbrochen werden“, hieß es in der damaligen Analyse. Die jüngsten Beschlüsse der US-Notenbank konnte ich damals richtig voraussagen. Eben jene Beschlüsse könnten nun eine Art Schubumkehr auslösen. Anstatt, dass der Finanzmarkt mit Geld voll gepumpt wird, könnte ihm im Zukunft wieder Kapital entzogen werden.
Das Geld wird in die Wirtschaft gepumpt
Wie viel Geld in die Märkte gepumpt wurde, zeigen die Bilanzen der Zentralbanken. So stiegen die Bilanzen der fünf großen Zentralbanken der Industrieländer seit der Finanzkrise von 3,5 auf 16 Billionen Dollar. Das Geld wurde de facto neu gedruckt und den Finanzmärkten übergeben. Das Ziel war, damit die Zinsen unten zu halten, um den Unternehmen zu ermöglichen sich leichter zu (re)finanzieren und mehr investieren zu können. Durch diese Investitionen konnte die Wirtschaft tatsächlich wieder in Schwung gebracht werden - aber nicht ganz ohne Nebeneffekt.
Der Löwenanteil für die Finanzmärkte
Der Löwenanteil des Geldes fließt nicht in die Realwirtschaft, sondern an die Finanzmärkte. Während die Korrelation zwischen der Entwicklung der Zentralbankbilanzen und den Unternehmensgewinnen eher gering ist, verläuft die Entwicklung der Aktienkurse dagegen fast parallel zur Bilanzausweitung.
Und diese Entwicklung dürften wir auch noch eine Eile weiter erleben können. Schließlich ist die Summe, welche die Fed den Märkten ab Oktober entzieht, bis jetzt noch kleiner als die, welche die EZB und die japanische Notenbank derzeit noch monatlich in die Märkte fließen lassen. Insgesamt steigt das zusätzliche Kapital an den Finanzmärkten jedenfalls weiter. Aber die Fed wird zum Einen ihre Bilanz immer schneller abbauen, während auf der anderen Seite die EZB ihr Kaufprogramm in naher Zukunft reduzieren oder sogar ganz beenden wird.
„Schubumkehr“ in 2018
Die Fed spielt dabei schon mit offenen Karten. Die EZB lässt sich noch nicht in ihre schauen. Relativ sicher ist aber so oder so, dass Notenbanken den Märkten ab einem bestimmten Zeitpunkt – vielleicht schon im nächsten Jahr - unter dem Strich Kapital entziehen werden. Dann hätten wir die besagte „Schubumkehr“. Bis dato unterstützte die stetige Bilanzausweitung die Kurse von Aktien und anderen Investments. Entsprechend wird ein Abschmelzen der Bilanzen den genau gegenteiligen Effekt haben und die Marktentwicklung ausbremsen.
Es wird die Zukunft gehandelt
Da an den Märkten aber auch die Zukunft gehandelt wird, werden wir die Auswirkungen nicht erst sehen, wenn es zum Kapitalabzug kommt. Einige Anleger werden dieses Risiko frühzeitig erkennen und erste Verkäufe tätigen. Sobald die EZB endlich ihren Plan für ihre Anleihekäufe verkündet, wird sich schon recht genau berechnen lassen, wann es genau zur „Schubumkehr“ kommen wird.
Dabei sei aber gesagt, dass die Notenbanker nur dann eine restriktivere Geldpolitik verfolgen, wenn sich die Konjunktur weiterhin positiv entwickelt. Deshalb könnte das Wirtschaftswachstum durch höhere Unternehmensgewinne die Bremswirkung der Geldpolitik ausgleichen. Es stellt sich nur die Frage, in welchem Ausmaß dies geschieht. Wir können aber wohl sicher sein, dass die Aktienkurse in Zukunft etwas moderater ansteigen als zuvor. Ob es am Ende nur zu einer flacheren Aufwärtsbewegung, einer Seitwärtsbewegung auf hohem Niveau oder einer Trendwende kommt, bleibt abzuwarten. Zum Glück haben wir ein hochfunktionales Mittel zur Hand, um Entwicklungen frühzeitig erkennen können. Die Chartanalyse wird uns dabei helfen die Reaktionen der Märkte auf die Geldpolitik abschätzen zu können. Und wir in der Börse-Intern werden diesen Zusammenhang für Sie sehr genau analysieren, um sie rechtzeitig auf mögliche Gefahren aufmerksam machen zu könne.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Ihr
Sven Weisenhaus