In unserem jüngsten Artikel Warum steigen die Anleiherenditen haben wir dargelegt, dass der jüngste Anstieg der Renditen um 1 %, wie in der Grafik unten gezeigt, fast ausschließlich auf die negative Marktstimmung zurückzuführen ist. Die sogenannte Laufzeitprämie spiegelt die allgemeine Haltung der Anleiheinvestoren wider. Tatsächlich sind lediglich 10 % des Renditeanstiegs auf fundamentale Faktoren zurückzuführen – die übrigen 90 % resultieren aus den Sorgen der Marktteilnehmer.
Die Folge: Die Laufzeitprämie liegt derzeit auf dem höchsten Niveau seit mindestens 1990 und überschreitet die historische Norm um drei Standardabweichungen. In unserem Artikel haben wir uns dabei auf zwei zentrale Treiber des Renditeaufschlags konzentriert: die wachsenden Haushaltsdefizite und die anhaltenden Inflationssorgen.
Ein Twitter-Nutzer brachte es – wenn auch in etwas rauem Ton – auf den Punkt: "It's the Dollar, stupid – Das sieht doch jeder Blödmann, der Grund ist der Dollar-Kurs!" Und tatsächlich hat er nicht Unrecht. Der starke US-Dollar spielt eine entscheidende Rolle bei der aktuellen Entwicklung der Anleiherenditen.
Schauen wir uns also die jüngste enge Korrelation zwischen dem steigenden USD und den Renditen genauer an und gehen der Frage nach, warum die beiden Größen derzeit so eng miteinander verknüpft sind.
Der USD und die Anleihenrenditen - Historischer Kontext
Die folgenden Abbildungen bieten einen Überblick über die Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen und den USD über drei verschiedene Zeithorizonte. Darüber hinaus zeigen sie die rollierenden Dreimonatskorrelationen, um ein besseres Verständnis für den statistischen Zusammenhang zwischen beiden Variablen zu ermöglichen.
Die erste Abbildung, die die vergangenen zwei Jahre abdeckt, verdeutlicht eine auffällige statistische Beziehung zwischen dem USD und den Renditen. In diesem Zeitraum haben sich beide Werte nicht nur optisch, sondern auch statistisch eng aneinander orientiert. Die gleitende Korrelation lag durchschnittlich bei 44,5 % und erreichte zuletzt sogar rund 75 %.
Die zweite Abbildung, die den Zeitraum seit der Finanzkrise bis heute betrachtet, sowie die dritte, die Daten bis ins Jahr 1973 zurückverfolgt, zeigen zwar ebenfalls positive Korrelationen – allerdings sind diese statistisch nicht signifikant. Zudem wechseln die Korrelationen regelmäßig zwischen positiven und negativen Werten, was auf eine eher unbeständige Beziehung hindeutet.
Die erste Abbildung könnte den Eindruck erwecken, dass die Entwicklung des USD ein verlässlicher Indikator für die Renditeentwicklung ist – eine Annahme, die auch in sozialen Medien diskutiert wird. Ein Blick auf die anderen Abbildungen zeigt jedoch, dass dieser Zusammenhang nicht dauerhaft ist. Zwar können positive oder negative Korrelationen über Monate hinweg bestehen bleiben, doch die Wahrscheinlichkeit, dass die jüngste starke positive Beziehung anhält, nimmt mit der Zeit tendenziell ab.
Vor diesem grafischen Hintergrund lohnt es sich, genauer zu analysieren, welche Faktoren die jüngste enge Korrelation zwischen USD und Anleiherenditen beeinflusst haben könnten.
Die Reservewährung
Der US-Dollar ist die wichtigste Reservewährung der Welt. Das bedeutet, dass ein großer Teil des internationalen Handels in Dollar abgewickelt wird – unabhängig davon, ob ein Handelspartner aus den USA stammt oder nicht. Der Wert des Dollars spielt daher eine zentrale Rolle für die wirtschaftliche Aktivität rund um den Globus.
Viele Länder halten Dollarreserven, um ihre internationalen Transaktionen zu erleichtern. Diese Reserven dienen nicht nur dem Handel, sondern auch der Sicherstellung von Liquidität und werden größtenteils in US-Staatsanleihen investiert.
Darüber hinaus nehmen zahlreiche Staaten und Unternehmen weltweit Kredite in US-Dollar auf. Der Grund dafür ist einfach: Die USA bieten die liquidesten Kapitalmärkte und damit oft die besten Finanzierungsmöglichkeiten.
Doch was bedeutet all das für den US-Dollar und seine zukünftige Entwicklung?
Wer sich tiefer mit der Rolle des Dollars in der Weltwirtschaft befassen möchte, findet in unseren weiterführenden Artikeln spannende Einblicke:
Internationaler Handel in USD
Der Wechselkurs des US-Dollars (USD) gegenüber anderen Währungen hat direkte Auswirkungen auf die globalen Volkswirtschaften.
Ein gutes Beispiel dafür ist ein deutscher Exporteur von Widgets. Sinkt der Wert des Euro gegenüber dem USD von 1,10 auf 1,00, bedeutet das für den Hersteller, dass er für seine in USD abgerechneten Exporte 10 % weniger Einnahmen erzielt. Gleichzeitig profitieren jedoch US-Kunden, da der Preis für die Widgets aus ihrer Sicht um 10 % sinkt.
Wie wir zuletzt beobachten konnten, belastet ein stärkerer Dollar die Einnahmen von Exporteuren außerhalb der USA und bremst ihr Wirtschaftswachstum. Die Vereinigten Staaten haben seit Jahren ein strukturelles Handelsdefizit – sie importieren mehr Waren, als sie exportieren. Ein starker Dollar verstärkt diesen Effekt und stellt für viele Länder, die in die USA exportieren, eine wirtschaftliche Herausforderung dar.
Die folgende Tabelle, erstellt mit Genehmigung des US Census Bureau, zeigt, dass die USA in den ersten 11 Monaten des Jahres 2024 Waren im Wert von über einer Billion USD mehr importiert als exportiert haben.
Die USA haben beträchtliche Handelsdefizite gegenüber den folgenden Ländern und Ländergruppen:
- China 270 Mrd. USD
- Europäische Union 213 Mrd. USD
- Kanada 55 Mrd. USD
- Japan 62 Mrd. USD
- Mexiko 157 Mrd. USD
Länder und Regionen, die Handelsüberschüsse mit den USA erzielen, erleben oft ein gedämpftes Wirtschaftswachstum – vor allem dann, wenn ihre Währungen gegenüber dem US-Dollar an Wert verlieren. Wäre das Währungsgefüge stabiler, könnten diese Volkswirtschaften ein robusteres Wachstum verzeichnen. Gleichzeitig führt die wirtschaftliche Stärke der USA im Vergleich zu anderen Ländern dazu, dass ausländische Investoren verstärkt in US-Vermögenswerte strömen. Für US-Anleger bedeutet das oft, dass sich Investitionen im Inland attraktiver anfühlen als Engagements in internationalen Märkten. Diese Kapitalströme tragen weiter zur Dollarstärke bei – und schwächen gleichzeitig andere Währungen.
Zudem sichern sich viele ausländische Exporteure gegen ungünstige Wechselkursentwicklungen ab. Solche Absicherungsmaßnahmen helfen zwar, ihre Gewinne vor Währungsschwankungen zu schützen, verstärken jedoch die Aufwertung des Dollars zusätzlich.
Die wirtschaftlichen und geopolitischen Auswirkungen eines starken Dollars verstärken dessen Wert noch weiter. Eine schwächelnde wirtschaftliche Dynamik in anderen Ländern sowie umfangreiche Absicherungsgeschäfte wirken dabei als zusätzliche Treiber. Letztendlich entsteht ein Kreislauf, in dem die Stärke des Dollars sich selbst verstärkt – bis der Markt irgendwann eine Wende einleitet.
USD-Reserven
Um die Kaufkraft der Reserven eines Landes gegenüber einem stärkeren US-Dollar zu bewahren, bleibt dem Land oft nichts anderes übrig, als seine Reserven weiter aufzustocken – und damit automatisch mehr US-Dollar zu halten.
Wie bereits im vorherigen Abschnitt erwähnt, verstärkt sich dieser Effekt selbst: Ein starker Dollar führt dazu, dass Länder mehr Dollar kaufen, was die Nachfrage weiter antreibt und den Dollar zusätzlich stärkt. Es entsteht eine Art Spirale, die den Dollar in seiner Dominanz weiter festigt.
Ausländische Kreditaufnahme in USD
Wenn Unternehmen außerhalb der USA Kredite in US-Dollar aufnehmen, sind sie nicht nur für Zins- und Tilgungszahlungen verantwortlich – sie tragen auch das Risiko von Wechselkursschwankungen während der gesamten Laufzeit des Kredits.
Steigt der US-Dollar beispielsweise um 10 % gegenüber der Heimatwährung des Kreditnehmers, bedeutet das, dass dieser 10 % mehr seiner eigenen Währung in Dollar umtauschen muss, um seine Verbindlichkeiten zu bedienen.
Einfach gesagt: Ein stärkerer US-Dollar verteuert Kredite für ausländische Unternehmen. Höhere effektive Zinsen führen dazu, dass weniger neue Kredite aufgenommen werden. Dies entzieht dem Markt Liquidität und kann das Wirtschaftswachstum bremsen. Kreditnehmer, die befürchten, dass ihre Schuldenlast durch einen steigenden Dollar weiter wächst, könnten sich gezwungen sehen, ihre Kredite vorzeitig zurückzuzahlen. Dafür müssten sie ihre eigene Währung verkaufen, um die benötigten Dollar zu beschaffen.
Das Ergebnis? Der Druck auf die Heimatwährungen steigt weiter – und der Dollar gewinnt noch mehr an Stärke. Ein starker Dollar verstärkt sich also selbst.
Währungsinterventionen
Neben dem Handel und handelsbezogenen Aktivitäten gibt es eine Vielzahl anderer Faktoren, die den Wert einer Währung beeinflussen können. Eine der bedeutendsten ist die Rolle der Zentralbanken, die aktiv in die Regulierung der Währungswerte eingreifen.
Zentralbanken sind bekannt dafür, in den Devisenmarkt einzugreifen, wenn es nötig ist. Da Wechselkurse erhebliche Auswirkungen auf wirtschaftliche Bedingungen und die globale Liquidität haben können, streben sie oft stabile Währungswerte gegenüber dem US-Dollar an. Interessanterweise haben Länder wie die Schweiz und Saudi-Arabien ihre Währungen direkt an den US-Dollar gekoppelt – ein Ansatz, der eine konsequente und disziplinierte Strategie erfordert.
Aktuell ist es wahrscheinlich, dass einige Länder gezielt US-Dollar verkaufen, um ihre schwächelnden heimischen Währungen zu stützen. Dabei gilt: Jeder US-Dollar, der verkauft wird, muss zunächst investiert gewesen sein. In der Praxis bedeutet das, dass diese Länder häufig Vermögenswerte – meist US-Staatsanleihen – liquidieren, um an die benötigten Dollar zu gelangen.
Diese Verkäufe können jedoch weitreichende Auswirkungen haben. Der Abbau von Staatsanleihenbeständen durch Zentralbanken kann die Anleiherenditen nach oben treiben, was wiederum die Aufwertung des Dollars dämpfen könnte. Anders gesagt: Ohne diese Interventionen könnten die Gewinne des US-Dollars möglicherweise noch höher ausfallen.
Die nachfolgende Grafik veranschaulicht diese Zusammenhänge und zeigt, wie Zentralbankinterventionen die Märkte beeinflussen können.
Marktstimmung
Die Wahrnehmung der Marktteilnehmer und die allgemeine Stimmung können dazu führen, dass sich eine scheinbar stabile, wenn auch vorübergehende, Beziehung zwischen Anleiherenditen und dem US-Dollar entwickelt.
Dies kann eine Art Rückkopplungseffekt erzeugen, bei dem Bewegungen in einem Bereich automatisch Reaktionen im anderen auslösen. Auch wenn nicht alle Faktoren, die zur Stärke des US-Dollars beitragen, direkten Einfluss auf die Anleiherenditen haben, spielt die aktuelle Marktwahrnehmung eine entscheidende Rolle. Der Glaube der Händler an eine enge Verbindung zwischen Renditen und dem USD könnte derzeit sogar der wichtigste Treiber für die Renditeentwicklung sein.
An den Märkten gilt oft: Wenn eine vermeintliche Korrelation erst einmal in den Köpfen der Anleger verankert ist – unabhängig davon, ob sie rational begründbar ist oder nicht – wird danach gehandelt, bis sich die Dynamik ändert und die Beziehung letztlich zusammenbricht.
Sichere Häfen
Sowohl der US-Dollar als auch US-Staatsanleihen gelten als sichere Häfen in unsicheren Zeiten.
In Phasen finanzieller Turbulenzen fließt Kapital aus dem Ausland verstärkt in den USD – ebenso wie in Treasuries. Auch inländische Anleger reagieren in Krisenzeiten oft ähnlich: Sie trennen sich von ausländischen Vermögenswerten, bringen ihr Kapital zurück in den Dollar und parken es bevorzugt in sicheren US-Staatsanleihen.
Ein stärkerer USD kann jedoch für andere Länder wirtschaftliche und finanzielle Herausforderungen mit sich bringen. Wenn dieser Trend anhält, könnte der Dollar seine Rolle als sicherer Hafen weiter festigen. In einem solchen Umfeld würden US-Staatsanleihen voraussichtlich die größten Kapitalzuflüsse verzeichnen.
Interessanterweise könnte eine anhaltende Dollar-Stärke die bisher positive Korrelation zwischen dem USD und dem Anleihemarkt verändern. Während der Dollar weiter steigen könnte, würden die Renditen aufgrund der erhöhten Nachfrage nach Staatsanleihen tendenziell sinken – und damit das traditionelle Zusammenspiel zwischen Währung und Anleihen beeinflussen.
Fazit
Es klingt plausibel, dass der starke US-Dollar zu höheren Renditen führt. Doch neben den wirtschaftlichen Faktoren spielt auch die Marktpsychologie eine entscheidende Rolle. Viele Händler sind fest davon überzeugt, dass es eine enge Verbindung zwischen dem USD und den Anleiherenditen gibt – und handeln entsprechend danach.
Doch Märkte verändern sich, und früher oder später wird sich auch die Stimmung drehen. Händler werden ihre Positionen auflösen, und die bisher so stabile Beziehung zwischen dem Dollar und den Renditen könnte ins Wanken geraten.
Man sollte nicht vergessen, dass der USD und die Anleiherenditen erhebliche Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben. Die jüngsten Bewegungen in diesen beiden Bereichen könnten wirtschaftliche und finanzielle Entwicklungen in die entgegengesetzte Richtung auslösen – was den Dollar unter Druck setzen und zu sinkenden Renditen führen könnte.
Für Contrarian-Trader, die es schaffen, den richtigen Moment für den Stimmungs- und Momentumwechsel zu erkennen, könnten sich dadurch lukrative Chancen mit überdurchschnittlichen Renditen ergeben.