von Robert Zach
Investing.com - Die Rotation raus aus Growth, rein in Value ist derzeit das Gesprächsthema Nummer eins an der Wall Street - und das zu Recht. Schließlich würde der Beginn einer großen Rotation noch zusätzliches Öl in das Feuer der Spekulationen über eine Fortsetzung der Aktienmarkt-Rallye gießen, die seit Ausbruch der Corona-Krise im Februar/März im Wesentlichen von Technologie-Werten (NYSE:XLK) getragen wurde. Fakt ist, dass nach Jahren der Underperformance ein massiver Nachholbedarf für Sektoren wie Energie, Industrie, Materialien und Finanzen (NYSE:XLF) vorhanden wäre.
Growth-Aktien, gemessen am iShares S&P 500 Growth ETF (NYSE:IVW), und zu denen Titel wie Apple (NASDAQ:AAPL), Microsoft (NASDAQ:MSFT), Amazon (NASDAQ:AMZN), Facebook (NASDAQ:FB), NVIDIA (NASDAQ:NVDA) und Visa (NYSE:V) zählen, sind seit Jahresanfang um 25 Prozent gestiegen, Value (NYSE:IVE) kommt dagegen auf ein Minus von mehr als 10 Prozent.
Aber gibt es überhaupt Anzeichen für eine Rotation? Ja, die gibt es. Seitdem die Anleiherenditen Ende letzter Woche ihren Tiefststand erreicht haben, konnten Value-Aktien - die sich tendenziell besser entwickeln, wenn sich die (globalen) Wirtschaftsaussichten aufhellen - outperformen:
Mit der Impfstoffbekanntgabe durch Biontech (NASDAQ:BNTX) und Pfizer (NYSE:PFE) am Montag legten Value-Titel um über 5 Prozent zu, während Growth 1,7 Prozent Federn lassen musste.
Value-Rallye
(seit Markteröffnung am Montag)
- Banken, plus 13,55 Prozent
- Regionalbanken (NYSE:KRE), plus 16,83 Prozent
- Transport, plus 4,15 Prozent
- Airlines (NYSE:JETS), plus 14,31 Prozent
- Energie (NYSE:XLE), plus 17,84 Prozent
- Materialien (NYSE:XLB), plus 3,35 Prozent
Korrektur bei Growth-Aktien
(seit Markteröffnung am Montag)
- Technologie (NYSE:XLK), minus 2,57 Prozent
- Kommunikationsdienstleistungen (NYSE:XLC), minus 1,16 Prozent
- Software, minus 6,25 Prozent
- Halbleiter, minus 5,27 Prozent
- Media Agencies, minus 4,71 Prozent
- Internet, minus 4,58 Prozent
Die Frage, die sich nun stellt, lautet, ob diese zum Wochenauftakt losgetretene Rotation nachhaltig ist, oder ob sie sich erneut nur als ein kurzes Strohfeuer entpuppt.
Die Experten von Capital Economics sehen gute Chancen für den Beginn eines Rotations-Trades, der sich über einen längeren Zeitraum hinweg erstrecken könnte, gleichzeitig verweisen sie aber auch auf nicht zu unterschätzende Risiken.
"Wir halten es für möglich, dass die Rotation in den nächsten ein bis zwei Jahren weiterläuft", schrieben die Experten in einer am Dienstagabend herausgegebenen Notiz an Investing.com.
Freilich stellt das Ausbleiben eines sogenannten "Blue Sweep" bei den US-Wahlen einen ersten Dämpfer für den Rotationshandel dar, "aber alle anderen Parameter sind gleich geblieben".
Während eine gespaltene Regierung die Chancen auf einen großen fiskalischen Stimulus verringert, legt dieser zugleich die Pläne Bidens für eine Erhöhung der Unternehmenssteuern sowie eine härtere Gangart bei der Reform des Kartellrechts auf Eis.
"Unserer Ansicht nach begünstigen diese Entwicklungen einige Sektoren, die während der Pandemie besonders gelitten haben, und belasten gleichzeitig einige, die sich besser entwickelt haben", sagte das Londoner Forschungsinstitut.
Voraussetzung für einen nachhaltigen Rotationshandel ist laut Capital Economics aber nach wie vor die Bekämpfung des Virus. Diese stelle den "Schlüssel für die Entscheidung dar, ob es eine große Rotation geben wird, oder eben nicht".
Am Montag teilten Pfizer und BioNTech in einer Pressemitteilung mit, dass ihr gemeinsam entwickelter klinisch geprüfter Impfstoff BNT162b2 das Risiko, an Covid-19 zu erkranken, um 90 Prozent reduziert. Das ging aus Zwischenergebnissen der laufenden Studie mit 43.538 Teilnehmern hervor, von denen 38.955 die zweite Dosis des Impfstoffs erhalten haben. Die Unternehmen rechnen mit einer baldigen Zulassung.
Große Rotation als Vorbote für Dotcom-Crash 2.0?
Aktien-Pessimisten, die regelmäßig die besten Rallyes verpassen, könnten dagegen auf die Tatsache verweisen, dass eine große Rotation raus aus Growth, rein in Value auch ein Vorbote für den Dotcom-Crash zur Jahrtausendwende war, worauf CE in seiner Forschungsnotiz hinweist.
Allerdings gab es auch zwischen 2003 bis 2007 eine Rotation raus aus Wachstumsaktien rein in Value-Titel, als die wichtigsten US-Aktienindizes wie Dow Jones und S&P 500 kräftig zugelegt hatten.
"Aus mehreren Gründen gehen wir davon aus, dass es auch diesmal nach dem gleichen Muster (Anm. d. Rdk.: wie 2003 bis 2007) ablaufen wird. Erstens rechnen wir damit, dass sich die Wirtschaft auch ohne einen großen fiskalischen Stimulus weiter erholen wird, insbesondere wenn ein wirksamer Impfstoff eine schnellere Rückkehr zur Normalität ermöglicht. Und zweitens dürfte die Geldpolitik äußerst akkommodierend bleiben, was die Renditen der Staatsanleihen trotz ihres jüngsten Anstiegs in Schach halten wird", fügten sie hinzu.