von Robert Zach
Investing.com - Mit großen Schritten nähern sich die Märkte der nächsten Berichtssaison. Am Freitag fällt offiziell der Startschuss für die Bilanzsaison zum dritten Quartal. Selten zuvor herrschte an der Wall Street so viel Unsicherheit über die Höhe der künftigen Unternehmensgewinne und Cashflows wie heute.
Schuld daran sind gleich mehrere Faktoren: angefangen bei der Aufwertung des Dollars, die sich negativ auf Unternehmen auswirkt, die einen großen Teil ihres Umsatzes im Ausland erzielen, über Inflations- und Rezessionssorgen bis hin zu anhaltenden Engpässen in der Lieferkette, die aber allmählich nachlassen.
Zur Beurteilung des Risikos zukünftiger Cashflows und Unternehmensgewinne analysierten die Experten von DataTrek im Hinblick auf die anstehende Berichtssaison die Spreads von Investment-Grade- und High-Yield-Anleihen.
Wenn die allgemeine Risikotoleranz der Marktteilnehmer gering ist und sich die Investoren eher auf stabile Vermögenswerte begrenzen, steigt der Spread tendenziell an. Höhere Spreads deuten auf ein höheres Ausfallrisiko bei Junk Bonds hin und können Ausdruck der allgemeinen Unternehmensbedingungen (und damit der Kreditqualität) und/oder einer allgemeineren Abschwächung der Wirtschaftslage sein.
Der Spread für Hochzinsanleihen ist vor allem im historischen Kontext von großem Nutzen, schließlich wollen die meisten Investoren wissen, wie groß der Spread heute im Vergleich zu den Durchschnittswerten in der Vergangenheit ist.
Gegenwärtig liegt die High-Yield-Spread in den USA zwischen 400 und 500 Basispunkten und damit immer noch unter dem langfristigen Durchschnitt von rund 600 Basispunkten. Gleichwohl befindet er sich seit Jahresbeginn im Aufwärtsmodus. Auf dem Höhepunkt des Börsencrashs im März 2020 lag der Spread bei 870 Basispunkten, zur Zeit der Finanzkrise sogar bei fast 2.000 Basispunkten.
Quelle: St. Louis FRED
Nach diesem Hintergrundwissen nun die Interpretation von DataTrek zu den IG- und HY-Spreads mit Blick auf die Cashflows und Unternehmensgewinne:
"Spreads stellen ein marktbasiertes Maß für das erwartete Risiko künftiger Cashflows von Unternehmen dar. Rezessionssorgen sorgen stets für einen Spread-Anstieg bei Unternehmensanleihen, aber wesentlich höhere Leitzinsen haben in etwa die gleiche Wirkung, sofern der Markt davon ausgeht, dass sie über einen längeren Zeitraum hinweg erhöht bleiben. Wenn ein Unternehmen seine bestehenden Schulden zu höheren Zinssätzen refinanzieren muss, wird sein Deckungsgrad (Einnahmen/Zinsausgaben) niedriger sein und seine Fremdkapitalkosten (über einen Zinsaufschlag auf Staatsanleihen) sollten steigen.
Das folgende Schaubild zeigt die Spreads von Investment-Grade- (schwarze Linie, linke y-Achse) und High-Yield-Bonds (rote Linie, rechte y-Achse) gegenüber Staatsanleihen seit Anfang 2022. Wie bereits erwähnt, handelt es sich hierbei um eine Geschichte aus zwei Hälften. Von Januar bis Ende Juni erhöhten sich die IG/HY-Spreads von 1,0/3,1 Prozentpunkte auf jeweils 1,6/5,9 Punkte. Seitdem bewegen sich die Spreads in einer breiten Spanne. Letzte Woche lagen sie bei 1,6/5,0 Punkten und damit praktisch auf demselben Niveau wie Mitte/Ende Juni.
Investment-Grade- und High-Yield-Spreads tendieren auf dem Weg in eine Rezession für gewöhnlich Richtung +2,0/6,0 Punkte (wie in den Jahren 2000 und 2007). Mit 1,6/5,0 Punkten befinden wir uns also noch nicht ganz im Warnbereich, wenngleich wir zu Beginn des Jahres nahe dran waren.
So unbefriedigend sich die Märkte (Dow Jones, S&P 500, Nasdaq 100, Russell 2000) in diesem Jahr auch entwickelt haben - und IG/HY bilden da keine Ausnahme (-23 bzw. -17 Prozent im Jahresverlauf) - die Anleger haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass die Unternehmensgewinne und Cashflows auf kurze Sicht doch robust bleiben werden."
Lesen Sie auch: