PARIS/LONDON (dpa-AFX) - Die Talfahrt an Europas Börsen hat sich am Freitag im Schlepptau der internationalen Börsen fortgesetzt. Die Befürchtung, dass es im September in den USA einen weiteren Zinsschritt nach oben geben könnte, prägt neuerdings gemeinsam mit den Sorgen um die chinesische Wirtschaft von Amerika bis Asien das Stimmungsbild an den Börsen.
Der EuroStoxx 50 gab den vierten Handelstag in Folge nach, konnte sein Minus von bis zu 1,2 Prozent aber noch deutlich reduzieren. Aus dem Handel ging er 0,35 Prozent tiefer bei 4212,95 Punkten. Im Tagestief stand der Leitindex der Eurozone mit 4175 Zählern auf dem tiefsten Niveau seit Ende März, bevor er wieder etwas Boden gut machte. Im Wochenverlauf steht nun ein Abschlag von 2,5 Prozent zu Buche.
Der Cac 40 in Paris sank am Freitag um 0,38 Prozent auf 7164,11 Punkte, während der FTSE 100 in London um 0,65 Prozent auf 7262,43 Zähler nachgab. In Großbritannien belastete zusätzlich ein unerwartet starker Dämpfer für den Einzelhandel im Juli die Stimmung.
Am Markt hieß es, die Schwäche der Aktienmärkte im August bestärke einige Anleger in der Ansicht, dass die Börsengewinne im Jahr 2023 vielleicht schon hinter ihnen lägen. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg ermittelte, sehen Experten den marktbreiten Index Stoxx Europe 600 bis zum Jahresende im Schnitt bei 453 Punkten. Der Index ging am Freitag mit 448 Zählern nur knapp unter dieser Erwartung aus dem Handel. Strategen von UBS (SIX:UBSG) schrieben in einer Studie, dass sie bis zum Jahresende sogar einen Rückgang des Stoxx 600 um zehn Prozent befürchteten.
Laut Portfoliomanager Thomas Altmann von QC-Partners bietet derzeit vor allem China Grund zur Sorge. "Die schwache chinesische Wirtschaft und die Immobilienkrise werden immer mehr zur Belastung für die Börsen weltweit", sagte er. Zuletzt beantragte der hoch verschuldete chinesische Immobilienkonzern Evergrande (HK:3333) in den USA Gläubigerschutz.
Unter den einzelnen Branchen legte der als defensiv angesehene Versorgersektor mit 0,4 Prozent am klarsten zu. Ansonsten gab es in der Sektorwertung fast nur Verlierer. Allen voran traf es den Teilindex der Immobilienwerte im Stoxx Europe 600 mit einem Abschlag von 1,7 Prozent. Die Branche leidet einerseits unter der Perspektive weiter hoher Zinsen und andererseits schaden auch die Immobilienprobleme in China der Stimmung.
Das Adyen (AS:ADYEN) -Papier blieb im Fokus. Nach dem Kurssturz um fast 40 Prozent am Vortag wegen plötzlicher Wachstumssorgen ging es um weitere 2,9 Prozent abwärts. Nach dem schwachen Quartalsbericht des Zahlungsdienstleisters hagelte es nun Kurszielsenkungen. Einige Analysten nahmen auch ihre Kaufempfehlungen zurück. Berenberg-Analystin Tammy Qiu senkte ihr Votum auf "Hold".
Ein laut Analysten starker Ausblick des US-Chipindustrieausrüsters Applied Materials (NASDAQ:AMAT) auf das laufende vierte Geschäftsquartal gab dagegen den Aktien europäischer Konkurrenten eine gewisse Unterstützung. In Amsterdam gewannen die Titel der Branchenausrüster ASML (AS:ASML) und ASM International jeweils ein Prozent.
In Zürich brachen die Aktien von U-Blox um 19 Prozent ein, nachdem das auf Halbleiterbausteine spezialisierte Unternehmen seine Zielsetzungen für das Gesamtjahr nach unten gesetzt hatte. Für das laufende dritte Quartal wurde ein deutlicher Einbruch der Geschäfte in Aussicht gestellt.
Nicht gut an kamen in einigen Bereichen außerdem gesenkte Jahresziele des amerikanischen Designer-Mode-Händlers Farfetch , dessen Papiere in New York um etwa 40 Prozent einbrachen. Dies trübte auch an den europäischen Börsen die Stimmung im Luxusgüterbereich. LVMH (EPA:LVMH) , Kering (EPA:PRTP) und Hermes (EPA:HRMS) verloren im EuroStoxx bis zu 1,1 Prozent.