von Robert Zach
Investing.com - Die Euphorie an der Wall Street über einen vermutlich wirksamen Impfstoff hat in den vergangenen Tagen etwas nachgelassen. Festmachen lässt sich das an der Performance der wichtigsten US-Aktienindizes in Form des Dow Jones, S&P 500 und Nasdaq, die seit Wochenanfang mehr oder weniger auf der Stelle treten. Der Grund: das Virus tobt in den USA wie eh und je.
Zur gleichen Zeit erhöhen aber reihenweise große US-Banken ihre Kursziele für den renommierten Aktienindex S&P 500, darunter JPMorgan (NYSE:JPM), Goldman Sachs (NYSE:GS) und zuletzt auch Morgan Stanley (NYSE:MS). Alle drei Wall-Street-Giganten verweisen auf die baldige Ankunft eines wirkungsvollen Impfstoffs und einer damit einhergehenden Konjunkturerholung.
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Allerdings ist "bald" eine enorm dehnbare Begrifflichkeit und bis dahin wird das Virus mit Sicherheit nicht einfach so vom Erdboden verschluckt werden. Nichtsdestotrotz glaubt nun auch die Credit Suisse (SIX:CSGN), dass der Aktienmarkt bis Ende 2021 weiter zulegen kann - und zwar um bis zu zwölf Prozent, schließlich dürfte sich die US-Wirtschaft mit der Verfügbarkeit einer Corona-Impfung normalisieren. Kurzfristig allerdings sehen sie erhebliche Abwärtsrisiken, die die gute Stimmung an den Aktienmärkten schnell drehen kann.
Die Marktanalysten um US-Chefstratege Jonathan Golub glauben, dass Tech- (NYSE:XLK) und Bank-Aktien den S&P 500 im nächsten Jahr auf 4.050 Punkte steigen lassen.
Die Credit Suisse prognostiziert ein Gewinnwachstum von 20 Prozent im Jahr 2021 und 13 Prozent im Jahr 2022. Über den so genannten "Tech+"-Korb, der die Bereiche Technologie, Online-Einzelhandel, interaktive Medien und Netflix (NASDAQ:NFLX) sowie Finanzen umfasst, ist die Schweizer Großbank übergewichtet.
"Mit Blick auf das Jahr 2022 erscheint das Virus zunehmend im Rückspiegel, die hält sich Wirtschaft robust, wenngleich sie sich verlangsamt, die Renditekurve wird steiler und die Volatilität nimmt ab. Die Rotation in zyklische Werte liegt bis dahin wohl weitgehend hinter uns", hieß es in der Mitteilung.
Die Aktienkurse profitierten in den letzten Wochen von vielversprechenden Impfstoff-Meldungen. Erst am Montag sagte Moderna (NASDAQ:MRNA), dass ihr Präparat in einer Phase-3-Impfstoffstudie einen Effizienzwert von 94,5 Prozent beim Schutz vor Covid-19 bietet. Pfizer (NYSE:PFE) und BioNTech (NASDAQ:BNTX), die bereits eine Woche zuvor Erfolgsmeldung zu ihrem Impfstoffkandidaten herausgegeben hatten, legten am Mittwoch noch einmal nach und meinten, in einer endgültigen Analysen ergab ihr Impfstoff einen mehr als 90-prozentigen Schutz. Eine Notfallzulassung bei der Food and Drug Administration soll am Freitag beantragt werden, wie die beiden Unternehmen in einer gemeinsamen Erklärung mitteilten. Die Trump-Administration hofft nun, dass das Mittel schon in wenigen Wochen zur Verfügung stehen wird.
Der Optimismus auf der Suche nach Impfstoffen wurde an der Börse in den letzten Wochen mit Begeisterung aufgenommen und löste eine gigantische Umschichtung in zyklische Aktien aus. Doch die Credit Suisse ist der Meinung, dass es sich dabei nicht um einen langfristigen Gezeitenwechsel handeln wird. Die Bank bewertet zyklische Werte für das kommende Jahr mit einem neutralen Rating.
Der iShares Russell 2000 Value ETF (NYSE:IWN) ist seit Anfang November um mehr als 13 Prozent gestiegen, der iShares Russell 2000 Growth ETF (NYSE:IWO) kommt dagegen nur auf ein Plus von knapp 4 Prozent. Auf das Jahr hochgerechnet haben Wachstumswerte dank der Covid-19-Pandemie, die einen regelrechten Ansturm auf Tech-Werte mit hohen Wachstumserwartungen auslöste, die Nase aber deutlich vorn.
Trotz der insgesamt optimistischen Prognose für 2021 sieht die Credit Suisse kurzfristige Risiken für den Aktienmarkt, darunter auch die steigenden Coronavirusinfektionszahlen, insbesondere in den USA. Ein erfolgreicher Impfstoff könnte der Wirtschaft und dem Markt jedoch in der ersten Jahreshälfte 2021 zu einer erneuten Erholung verhelfen, hieß es in der Notiz.
"Eine erfolgreiche Impfung der Senioren und der Beschäftigten an der Front könnte den Prozess der Normalisierung beschleunigen, lange bevor die Herdenimmunität erreicht ist", so die Analysten.
Die Credit Suisse sieht den S&P 500 bis Ende 2020 bei 3.200 Punkten und damit mehr als elf Prozent unter dem Schlusskurs des renommierten Aktienindex am Donnerstag.
BofA-Umfrage mit Warnsignal
Ein Warnsignal blinkte zuletzt auch in der Umfrage der Bank of America (NYSE:BAC) unter Fondsmanagern auf: Aus der monatlichen Umfrage unter rund 190 Asset Managern, die ein Gesamtvermögen von 526 Milliarden Dollar verwalten, geht hervor, dass die durchschnittliche Barquote derzeit bei rund 4,1 Prozent liegt (4,4 Prozent zuvor) - dem niedrigen Stand seit Beginn der Corona-Krise. Laut BofA-Lesart galten in der Vergangenheit Cash-Reserven unterhalb von 4 Prozent des Portfoliovermögens als recht zuverlässiges Verkaufssignal.
Der Optimismus für Aktien ist ungebrochen mit einer Nettoübergewichtung von 46 Prozent - dem höchsten Wert seit Januar 2018. Den darin zum Ausdruck kommenden Optimismus interpretieren die Experten der Bank of America ebenfalls als ein Warnsignal, schließlich zeigt der Indikator damit eine "extrem bullische" Stimmung der Anleger. Sie kommen deshalb zu dem Schluss, dass in den Aktien-Notierungen bereits einiges eskomptiert ist. Bei Werten oberhalb von 50 Prozent sprechen die BofA-Analysten von einem Verkaufssignal.
Auch Milliardär Bill Ackman sieht kurzfristige Turbulenzen
Der Hedgefonds-Manager Bill Ackman, der Anfang des Jahres richtig Geld mit Wetten auf den Corona-Crash gewann, sagte, er sei zwar optimistisch für das Jahr 2021, aber die Anleger müssten zuerst ein "tragisches" Jahresende überstehen. Das berichtete CNBC am Donnerstagabend.
"Wir glauben, dass die nächsten Monate leider tragisch und sehr hart für die Welt und insbesondere für unser Land werden," sagte Ackman am Donnerstag. "Wir haben im Grunde jeden Tag ein 9/11."