Wenn die Notenbanker der Federal Reserve aufrichtig daran interessiert sind, ihr erklärtes Ziel der maximalen Beschäftigung zu erreichen, müssen sie aufhören, den wirtschaftlichen Realitäten vor ihren Augen zu ignorieren.
Der Arbeitsmarktbericht für April, der nur einen Bruchteil der prognostizierten Neueinstellungen zeigte, stellte eine kalte Dusche für das Narrativ dar, dass die Politik richtig kalibriert sei, auch wenn die Hauptschuld auf die staatlichen Stimulus-Maßnahmen und nicht auf die Geldpolitik entfiel.
Der Bericht, dass im letzten Monat nur 266.000 neue Arbeitsplätze geschaffen wurden, statt der erwarteten fast 1 Million, löste umgehend einen politischen Schlagabtausch aus. Die Republikaner machten die üppige Arbeitslosenhilfe dafür verantwortlich, dass weniger Menschen auf der Suche nach Arbeit sind, während die Demokraten behaupteten, die Daten würden belegen, dass die wirtschaftliche Unsicherheit nach einem Jahr des Stillstands immer noch groß sei.
Enttäuschende US-Jobdaten könnten ein Ausreißer sein
Was also sieht die wirtschaftliche Realität? Das dürfte mit dem Inflationsbericht am Mittwoch viel deutlicher werden. Sollte die am Verbraucherpreisindex gemessene Inflation über dem prognostizierten Mittelwert von 0,2% im Monatsvergleich liegen, dann stärkt dies sicherlich die Auslegung, dass zwar Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, die Menschen es aber vorziehen, lieber zu Hause zu bleiben und Sozialleistungen zu kassieren.
Sollte der Erzeugerpreisindex am Donnerstag, der als Frühindikator für die zukünftige Entwicklung der Verbraucherpreise gilt, ebenfalls nach oben überraschen, würde dies den Stimmen aus den Quartalsberichten der Unternehmen mehr Gewicht geben.
Viele Unternehmen klagen darüber, dass sie nicht genug Arbeitskräfte einstellen können. Eigentlich müsste das bedeuten, dass die Löhne und Preise steigen, weil die Unternehmen die Nachfrage der Verbraucher nicht befriedigen können, obwohl sie die Löhne erhöhen, um neue Mitarbeiter zu gewinnen.
Die Mitglieder des Federal Open Market Committee (FOMC) hielten sich letzte Woche im Vorfeld des Arbeitsmarktberichts an ihr Skript. Fed-Gouverneurin Michelle Bowman, die als Vertreterin der kleinen Banken im Fed-Vorstand sitzt, gab eine ihrer seltenen Reden zur Geldpolitik und hielt sich an die Richtschnur - Optimismus und Aufbruchstimmung versprühen, aber dennoch eine gewisse Vorsicht wegen der Unsicherheit durch die Pandemie walten lassen.
"Wir sind noch weit von unseren Zielen entfernt und in unserem neuen Rahmen wollen wir tatsächliche Fortschritte sehen und nicht nur Fortschritte prognostizieren", sagte der stellvertretende Vorsitzende Richard Clarida und wiederholte den stetigen Refrain der FOMC-Mitglieder. Er will auf weitere Daten warten; die wird er diese Woche bekommen.
Der Chef der Chicago Fed, Charles Evans, drückte seine Begeisterung dafür aus, dass die Wirtschaft heiß läuft und sagte, maximale Produktion sei eine gute Sache. Er möchte, dass die Beweislast bei denen liegt, die die Inflation fürchten, und fordert sie auf, genau zu quantifizieren, "von welcher Größenordnung" sie reden.
Dem Präsidenten der Boston-Fed, Eric Rosengren, zufolge sei der Anstieg der Inflation nur vorübergehend. Er verglich die derzeitige Verknappung mit dem Mangel an Toilettenpapier vor einem Jahr, als die Covid-Lockdowns zum ersten Mal in Kraft traten.
Die Ökonomen befürchten, dass die Fed so lange untätig bleiben wird, bis eine überhitzte Wirtschaft und eine schnell steigende Inflation sie zu drastischen Maßnahmen zwingt, die das Land in eine Rezession stürzen könnten.
Finanzministerin Janet Yellen, die ehemalige Fed-Chefin, ließ am Dienstag in einem aufgezeichneten Interview für das Magazin Atlantic die Katze aus dem Sack und sagte: "Es kann sein, dass die Zinsen steigen müssen", wenn alle Konjunkturpakete der Regierung angenommen werden. Diese Aussage nahm sie so schnell wie möglich zurück, als sie bei einer anderen Veranstaltung am selben Tag sagte, sie glaube nicht, dass die Inflation zu einem Problem werden würde.
Eine Reihe von FOMC-Mitgliedern wird sich in dieser Woche nach den Inflationszahlen äußern. Man darf also gespannt sein, wie sie diese Zahlen erklären werden. Bisher hat nur ein Mitglied der Fed, der Chef der Dallas Fed Robert Kaplan, aus der Reihe getanzt. Ende April forderte er, dass die Zentralbank so bald wie möglich eine Diskussion über die Reduzierung der Anleihekäufe beginnen sollte.
Der Arbeitsmarktbericht für April ist so ungewöhnlich ausgefallen, dass beide Seiten ihn als einmaligen Ausreißer abtun können. Schwieriger wird es sein, einen höher als erwarteten Anstieg der Preise herunterzuspielen, die bereits nach oben tendieren.