Am Pfingstmontag, dem 20. Mai, erreichte der Goldpreis mit 2.450 US-Dollar ein neues Allzeithoch. Diesem Meilenstein folgte jedoch unmittelbar ein scharfer Rückschlag bis auf 2.287 US-Dollar, von dem sich der Goldmarkt bislang nicht nachhaltig erholen konnte. Darüber hinaus laufen sich die Goldnotierungen schon seit Mitte April oberhalb von 2.400 US-Dollar immer wieder fest. Im Gegensatz zu früheren Gold-Rallyes, die oft durch ein übertriebenes und vertikales Finale gekennzeichnet waren, deutet die aktuelle Situation möglicherweise auf eine zähe und länger andauernde Topbildung hin.
Die Bullen hingegen können zu Recht argumentieren, dass der Goldpreis nach einer beeindruckenden achtmonatigen Rallye mit einem Wertzuwachs von in der Spitze über +35% derzeit lediglich eine wohlverdiente Konsolidierungsphase durchläuft. Die zweimonatige Seitwärtsbewegung, die sich zwar erratisch, primär aber zwischen 2.300 und 2.400 US-Dollar auf hohem Niveau bewegt, könnte demnach als gesunde Atempause interpretiert werden, bevor der Aufwärtstrend möglicherweise fortgesetzt wird.
Saisonale und geopolitische Faktoren im Fokus
Kritische Beobachter des Geldmarktes richten ihren Blick jedoch auf die abnehmende Dynamik des Aufwärtstrends. In Anbetracht der normalerweise deutlich reduzierten Handelsvolumina in den Sommermonaten sowie der immer weiter eskalierenden geopolitischen Spannungen in Verbindung mit den nachlassenden geldpolitischen und fiskalischen Stimulierungsmaßnahmen in einem nach wie vor sehr restriktiven Zinsumfeld könnte in den kommenden Monaten weiterhin ein gesunder Rücksetzer des Goldpreises auf das Ausbruchs-Niveau um ca. 2.100 US-Dollar anstehen.
Entscheidende Unterstützung um 2.280 US-Dollar
Solange der Goldpreis jedoch sein Tief vom 3. Mai bei 2.277 US-Dollar nicht nachhaltig unterschreitet, bleibt die Interpretation des aktuellen Marktgeschehens eine Frage der individuellen Perspektive bzw. Erwartungen und liegt damit tatsächlich im Auge des Betrachters. Sowohl optimistische als auch pessimistische Sichtweisen lassen sich durch die derzeitige Preisbewegung des Goldes rechtfertigen. Letztlich kommt es daher zu dieser zähen und trickreichen Seitwärtsphase.
Goldpreis in US-Dollar – Stochastik mit Kaufsignal
Gold in US-Dollar, Tageschart vom 14.Juni 2024. ©Gold.de
Unsere Analyse vor sechs Wochen erwies sich als zu pessimistisch. Anstatt direkt neue Tiefs zu markieren, gelang dem Goldpreis ausgehend von 2.277 US-Dollar eine ansehnliche Erholung. Diese führte zumindest vorübergehend zu einer Trendwende und fand am Pfingstmontag mit einem neuen Allzeithoch bei 2.450 US-Dollar ihren Höhepunkt.
An diesem Höchststand kehrten die Bären jedoch mit Wucht in den Markt zurück und drückten die Goldnotierungen in den letzten vier Wochen zielstrebig gen Süden. Mit einem Tiefpunkt bei 2.287 US-Dollar am letzten Freitag sowie gestern bei 2.296 US-Dollar geriet die Marke von 2.300 US-Dollar erneut stark unter Druck.
Trotzdem gelingt den Bullen am heutigen Freitag kurz vor dem Wochenende der erneute Befreiungsschlag, denn der Goldpreis kann sich mit Kursen um 2.330 US-Dollar wieder ein gutes Stück erholen.
Damit bleibt die Ausgangslage weiterhin unentschieden, da sich der Handel nach wie vor in der Seitwärtszone zwischen 2.300 und 2.400 US-Dollar vollzieht. Allerdings hat die überverkaufte Tages-Stochastik ein neues Kaufsignal aktiviert und hätte jetzt viel Platz auf dem Weg nach oben. Ein erneuter Angriff auf die Marke von 2.400 US-Dollar wäre daher durchaus denkbar. Das obere Bollinger Band würde derzeit Kurse bis ca. 2.412 US-Dollar freigeben.
Möglicherweise bildet der Goldpreis also in den kommenden Wochen die rechte Schulter einer potenziellen Schulter-Kopf-Schulter-Umkehrformation. Dafür müsste der Goldpreis im nächsten Schritt aber sowohl die Widerstandszone um 2.340 US-Dollar als auch die 50-Tagelinie (2.345 US-Dollar) zurückerobern.
Insgesamt bleibt es aufgrund der wilden Auf- und Abwärtsbewegungen bei dem etwas zerfahrenen Bild. Der Goldpreis konsolidiert auf hohem Niveau. Es benötigt einen Durchbruch unter 2.280 US-Dollar, um den Bären Auftrieb zu geben und die Korrektur zu verschärfen. Auf der Oberseite würden wohl erst Kurse oberhalb von 2.430 US-Dollar die Fortsetzung des Aufwärtstrends bestätigen.
Zusammenfassung: Gold - Verschnaufpause oder Topbildung
Goldpreis vs. Gold-ETF Bestände, vom 13.Juni 2024. ©Bloomberg Intelligence
Während im Westen seit Ende 2022 rund 13 Mio. Unzen Gold durch Abflüsse aus börsengehandelten Goldfonds (ETFs) auf den Markt gelangten, sorgten die starken Käufe zahlreicher Notenbanken sowie die physische Nachfrage aus China trotzdem für deutlich steigende Goldpreise. Ausgehend vom dreifachen Boden um 1.615 US-Dollar im Herbst 2022 konnte der Goldpreis in den letzten eineinhalb Jahren um rund 835 US-Dollar bzw. über 51% ansteigen. Zuletzt hat China seine Goldkäufe angesichts des erhöhten Preisniveaus jedoch deutlich verlangsamt.
Vorübergehender Nachfragerückgang aus China
Damit fällt ein wichtiger Pfeiler der Nachfrage zumindest vorübergehend weg. Es ist denkbar, dass die chinesischen Käufer erst bei tieferen Goldpreisen und möglicherweise auch erst nach ihrer "Golden Week" Anfang Oktober wieder stärker auf der Käuferseite in Erscheinung treten werden.
Die westlichen Goldkäufe dürften im aktuellen Umfeld hingegen kaum in der Lage sein, diesen Nachfragerückgang auszugleichen. Der “normale” Mainstream-Anleger ist zu stark auf den Hype um Nvidia (NASDAQ:NVDA) und die Künstliche Intelligenz fokussiert. Und sollte sich die Korrektur beim DAX und dem französischen CAC 40 sowie möglicherweise auch an den amerikanischen Aktienmärkten ausweiten, kann die Liquidität im dünnen Sommerhandel sehr schnell knapp werden. Dann rumpelt es im gesamten Finanzsystem. Eine geopolitische Eskalation dürfte hingegen für wesentlich größere Schockwellen sorgen.
Technisch betrachtet könnte es am Goldmarkt aber zunächst trotzdem zu einem weiteren Erholungsversuch kommen. Dieser könnte mit Kursen um oder leicht oberhalb von 2.400 US-Dollar möglicherweise die rechte Schulter der Topbildung bringen. Insgesamt gilt aber, dass oberhalb von 2.280 US-Dollar und unterhalb von 2.430 US-Dollar das Seitwärtsgeschiebe erstmal weitergehen wird.