Kurserholung im vierten Quartal
Nach drei positiven Börsenjahren verlief 2022 für den DAX überwiegend im Abwärtstrend. Erst im letzten Quartal kam es wieder zu spürbaren Kurserholungen. Unter dem Strich bleiben -12,3% als Jahresbilanz stehen. Im Zuge des Ukraine-Kriegs und der einhergehenden Energiekrise, weiter anhaltenden Lieferketten-Problemen, hoher Inflation und Zinserhöhungen lag das Minus zwischenzeitlich schon bei -25%. Die führenden deutschen Unternehmen konnten sich aber bis Jahresende mit Kurserholungen als widerstandsfähig zeigen. Die höheren Kosten konnten an Kunden weitergereicht werden. Die Preissetzungsmacht besteht außerdem auch gegenüber den Zulieferern. Für die DAX Unternehmen werden insgesamt steigende Gewinne für 2022 erwartet, die auch zu höheren Dividenden führen sollten.
Nur ein Viertel der DAX Aktien gewann 2022 an Wert. Beiersdorf (ETR:BEIG) (+19%) mit der Aussicht auf ein wachsendes Konsumentengeschäft mit Konjunkturresistenz ist der Jahressieger. Dem Unternehmen folgen Munich Re (ETR:MUVGn) (+17%) und RWE (ETR:RWEG) (+16%). Die Top 3 der Verlierer sind Vonovia (ETR:VNAn) (-55%), Zalando (ETR:ZALG) (-54%) und auch der jahrelange Top-Performer Adidas (ETR:ADSGN) (-50%).
Die Indizes aus der zweiten Reihe fielen stärker, weil man in Krisenzeiten eher an den Blue Chips festhält. MDAX und SDAX verloren jeweils rund 29% in 2022. Hier sind die Gewinner der Rüstungskonzern Rheinmetall (ETR:RHMG) (+124%), wo man erwartungsgemäß von höheren Wehretats profitieren kann, und der Windpark-Entwickler PNE (ETR:PNEGn) (+150%), der von der Energiewende allgemein, recht konkret aber von den höheren Strompreisen und Übernahmefantasien profitieren konnte. Der TecDAX fiel um 25%. Outperformer ist hier der auch im SDAX vertretene Verteidigungs- und Sicherheitselektronikanbieter Hensoldt (ETR:HAGG) mit einem Plus von 77%.
Die geopolitischen Veränderungen und die Zinswende hatten auch auf den internationalen Aktienmärkten für Unruhe gesorgt. Der Euro Stoxx 50 verlor 11%, der Dow Jones 9%, der S&P 500 20%, der Nasdaq Composite 34% und auch der Nikkei 11%.
Bewertungsniveaus gesunken
Das KGV im DAX fiel in 2022 im Jahresverlauf von knapp 15 zu Jahresbeginn zwischenzeitlich auf 11 und stieg zum Jahresende wieder auf 13,0 (Vorjahr: 14,6). Fundamentale Verbesserungen mit erwarteten steigenden Gewinnen lassen das Bewertungsniveau im Leitindex aktuell also mehr als fair aussehen. Es liegt längst keinerlei Überbewertung wie teilweise 2020/21 mehr vor. Im 30jährigen Durchschnitt liegt das DAX-KGV höher bei etwa 19. Die DAX-Dividendenrenditen liegen mit einer Steigerung von 0,4 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr im Schnitt nun bei 2,9%. Inzwischen gibt es Ausschüttungen bei 36 der 40 Unternehmen im Index. Für die Automobilhersteller Mercedes-Benz (ETR:MBGn) Group und BMW (ETR:BMWG) liegen die DIVe derzeit bei 8,0% und 6,4%. Das MDAX-KGV mit 13,2 (VJ: 18,4) hat sich dem DAX-Niveau von oben her angenähert. Im TecDAX liegt es bei 22,3 (VJ: 28,6). Das KGV im Dow Jones liegt aktuell bei 18,7 (VJ: 20,7), befand sich im Jahresverlauf 2022 aber schon auf 16. Ebenfalls gefallen sind die KGVs im S&P 500 auf 20,0 (VJ: 26,7) und im Nasdaq auf 26,9 (VJ: 30,6). Die Bewertungsniveaus der US-Indizes liegen traditionell aufgrund der zum Teil global führenden Marktstellungen der Unternehmen höher.
Der Goldpreis zog im Zuge des Angriffs auf die Ukraine auf über 2.052 USD/Feinunze an. Hier gab es in Euro aufgrund der Dollarstärke in 2022 ein All-Time-High. Der Euro notierte gegenüber dem Dollar auf einem 20-Jahrestief, bevor er sich zum Jahresende wieder erholte. Durch die Erhöhungen der Leitzinsen in den USA und dann auch in Europa geriet Gold bis ins letzte Quartal 2022 in eine Konsolidierungsphase, da es bei steigenden Zinsen an Attraktivität verliert. Auf Jahressicht bleibt auf Euro-Basis ein Anstieg von 7% für Gold und von 1% auf USD-Basis.
Inflation nochmals weiter angestiegen
Aufgrund höherer Energie- und Nahrungsmittelpreise erreichte in Deutschland die Inflation 2022 mit durchschnittlich 7,9% erneut eine Steigerung gegenüber 2021. Damals lag die Teuerungsrate noch bei 3,1%. Im Oktober 2022 lag der Höchststand mit 10,4% auf dem höchsten Niveau seit 1951. Für 2023 wird derzeit mit einem Absinken der Preissteigerungsraten gerechnet. Das Institut für Weltwirtschaft (IfW) rechnet mit 5,4%. Durch die expansive Geldpolitik der Zentralbanken mit billionenschweren Aufkaufprogrammen von Staats- und Unternehmensanleihen war seit Jahren mit Inflationsschüben gerechnet worden, die nun durch die hohen Energiepreise zusätzlich verstärkt wurden. Noch vor einem Jahr hatte die EZB einen Preisanstieg von nur 3,2% für 2022 angenommen. Die Realität machte aber irgendwann ein Eingreifen der Notenbanken mit rasch steigenden Zinsen notwendig. Höhere Zinsen verteuern die Kreditaufnahmen, was die Nachfrage reduziert und der Inflation entgegenwirkt. Die nun steigende Zinskurve bietet inzwischen für mittelfristige Geldanlagen mitunter um die 3% jährlich, was aber dennoch real für die Kaufkraft einen Wertverlust bedeutet.
Geldpolitische Zeitenwende
Der Inflationsdruck durch die steigenden Kosten für Öl und Gas in 2022 führte in den USA zu vier Zinsschritten der FED von jeweils 0,75 Prozentpunkten und zum Jahresende nochmals zu einer Erhöhung um weitere 0,5 Punkte auf eine Leitzinsspanne von 4,25% bis 4,5%. Auch die EZB hob die Zinsen in mehreren Schritten im Kampf gegen die Inflation an. Der Leitzins wurde im Dezember in einem weiteren Schritt um 0,5 Punkte auf 2,5% erhöht. Wie in den USA werden die Zinsschritte nach oben inzwischen kleiner, da die Inflation an Dynamik verliert. Dennoch sind weitere Leitzinserhöhungen in 2023 denkbar. Die Zinsanhebungen drücken die Aktienmärkte, da Anlagealternativen dann an Attraktivität gewinnen, wenngleich sie im langfristigen Mittel nicht an Aktienmarktrenditen heranreichen.
Schwache Konjunkturprognose
Die EU-Kommission geht seit November durch die Folgen des Ukraine-Kriegs nur von einem kleineren Wirtschaftswachstum in der Eurozone aus. Durch den guten Zuwachs in der ersten Hälfte von 2022 rechnet man mit einer Steigerung des Bruttoinlandsprodukts im Euro-Raum von 3,2%. Infolge der Energiekrise durch den Ukraine-Krieg geht man für 2023 gerade einmal von einem BIP Plus von 0,3% aus. Im Sommer wurden noch 1,4% prognostiziert. Die Inflation sollte parallel dazu aber nachlassen. Dabei sind in Q4/22 und Q1/23 Rezessionen denkbar. Eine Rezession ist für Deutschland im Gegensatz zum Euro-Raum sogar für das Gesamtjahr 2023 vorhergesagt. Die Konjunkturprognose der deutschen Wirtschaft liegt bei -0,6% nach Einschätzung der EU-Kommission. Erst für 2024 sieht man derzeit wieder ein Wachstum von 1,4%.
Ausblick für 2023
Die Aussichten für den Aktienmarkt in 2023 sind insgesamt nicht so negativ, wie man es nach dem Krisenjahr 2022 vermuten sollte. Als positive Vorzeichen kann man sehen, dass das Maximum der Inflation im Oktober 2022 erreicht gewesen sein könnte. Damit würde der Höhepunkt der Zinsen auch nicht mehr allzuweit weg sein. Zudem besteht die Möglichkeit, dass der nahende Abschwung der Wirtschaft milder ausfallen könnte und die Energiekrise sich irgendwann auch stabilisieren dürfte. Der DAX steht derzeit auf einem moderaten Bewertungsniveau, die Dividendenrenditen sind attraktiv und die Entwicklung der Unternehmensgewinne ist gut. Das Aufholpotential bei den Nebenwerten sowie Tech-Aktien (NYSE:XLK) dürfte dabei sogar noch höher sein.
Wir wünschen ein erfolgreiches und gesundes neues Jahr!
Herzlichst,
Ihr Karl Miller