Die jüngste Eskalation verschiedener geopolitischer Krisen konnte dem DAX wenig anhaben . Aber auch einige schlechter als erwartet ausgefallene Frühindikatoren aus Deutschland ließen die Börsianer kalt. Dafür könnte es aber gute Gründe geben.
Krisen und Skepsis lassen die Börsen kalt
Zunächst die Fakten: Am Freitag fiel das viel beachtete ifo-Geschäftsklima stärker als erwartet. In der Woche zuvor kam es bereits zu einem deutlichen Rückgang der ZEW-Konjunkturerwartungen – dem sechsten (!) in Folge. In beiden Fällen gingen die Analysten dagegen eher von einer Quasi-Stagnation der Werte aus.
Der DAX ließ sich davon jedoch kaum aus der Ruhe bringen. Denn das ifo-Geschäftsklima, aber vor allem die ZEW-Konjunkturerwartungen sind Stimmungsindikatoren, die durch Umfragen bei Entscheidern in den Unternehmen (ifo) bzw. Finanzmarktexperten (ZEW) erhoben werden. Und da auch dort „nur“ Menschen handeln, lassen sich diese natürlich auch von der negativen Stimmung bzw. Berichterstattung zu den jüngsten Krisen beeinflussen.
Andere Zahlen sind dagegen objektiver, z.B. die Quartalszahlen der Unternehmen. In den USA läuft die Berichtssaison inzwischen auf Hochtouren: Allein in der Vorwoche gaben 145 Unternehmen (= 29,4 %) aus dem S&P 500 ihre Ergebnisse bekannt. In dieser Woche kommen weitere 149 (= 29,8 %) hinzu. Damit werden dann 380 Konzerne bzw. 76 % des S&P 500 ihre Berichte vorgelegt haben. Daraus lässt sich bereits ein ziemlich genaues Bild der Berichtssaison zeichnen. Und das sieht durchaus sehr ordentlich aus.
US-Unternehmen mit positiven Quartalsergebnissen
Von den Unternehmen, die bis vergangenen Freitag ihre Zahlen vorgelegt haben, übertrafen 69,4 % die Analystenerwartungen bei den Gewinnen (pro Aktie) und 63,8 % bei den Umsätzen. Dabei wurden die Gewinnerwartungen durchschnittlich um 9,8 % übertroffen, die Umsatzerwartungen um 5,4 %.
All diese Werte liegen deutlich über dem langjährigen Durchschnitt, aber vor allem aber über den eher durchwachsenen bis schwachen Ergebnissen der vergangenen Quartale. Damit kam es offenbar tatsächlich zu einem spürbaren Nachholeffekt nach dem witterungsbedingt sehr schwachen ersten Quartal. Das bewog die Analysten bereits, ihre Schätzungen für den Rest des Jahres spürbar anzuheben (siehe Grafik).
Quelle: Standard & Poor‘s
Aus der erhofften Stabilisierung der Gewinnerwartungen für 2014 ist also sogar eine kräftige Erholung geworden! Wer hätte das gedacht:
Zweistellige Gewinnsteigerungen in Europa
Das gilt aber keineswegs nur für die USA. Auch für die Unternehmen im europäischen STOXX 600 wird sogar ein zweistelliger Gewinnzuwachs erwartet. Zudem werden die Ausblicke der Unternehmen allmählich wieder zuversichtlicher – auch wenn sie noch weit davon entfernt sind, überschäumenden Optimismus zu versprühen…
Für die Anleger könnten diese positiven Ergebnisse durchaus Grund genug gewesen sein, bei Aktien weiter zuzugreifen und die charttechnischen und geopolitischen Unsicherheiten zu ignorieren. Festigt sich dieses positive Bild und erreichen die Märkte dadurch auch nachhaltige neue Hochs, dann könnte also die Rally durchaus wieder aufgenommen werden.
Torsten Ewert
Stockstreet GmbH