Wie von den Marktteilnehmern vermutet hat die EZB die Leitzinsen um 0,25% erhöht. Auch das Wording in der Pressekonferenz entsprach mit klaren Hinweisen auf weitere Anhebungen den Erwartungen. Christine Lagarde bezeichnete das Zinsniveau als noch nicht ausreichend restriktiv. Insbesondere der steigende Lohndruck mache der EZB Sorgen. Die Börsen reagierten verhalten, zumal die EZB Präsidentin davon sprach, dass sich die Aussichten für die Industrie zuletzt eingetrübt hätten.
Bemerkenswert ist, dass der Dow Jones aktuell für das laufende Jahr eine negative Performance ausweist. Unter Herausrechnung der Tech-Megacaps Microsoft (NASDAQ:MSFT) und Apple (NASDAQ:AAPL) wäre das Ergebnis noch viel schlechter – besonders aus Sicht der Europäer, bei denen zusätzlich noch erhebliche Währungsverluste aufgrund des schwachen US-Dollars hinzukommen. Unter besonderem Druck standen erneut die Regionalbanken. Trotz aller optischer Dramatik: das ist m.E. keine sich anbahnende Finanzkrise, sondern „nur“ ein Problem der Aktionäre dieser Banken. Denn die Einlagen dürften sicher sein – aber jeder potenzielle übernehmende Käufer wird nur ein Minimum bieten, und diese potenziellen Gebote werden im Einklang mit den Nachrichten und den fallenden Aktienkursen immer niedriger – ein Teufelskreis. Nachbörslich beflügelte Apple. Dank des boomenden iPhone-Geschäfts konnten die Umsatz- und Gewinnerwartungen geschlagen werden. Die Aktie notiert vorbörslich 2,5% höher.
Chinas Dienstleistungssektor entwickelt sich im Gegensatz zum verarbeitenden Gewerbe gut. Der Caixin-Service Einkaufsmagerindex fiel zwar im April von 57,8 auf 56,4. Laut CNB ist es aber der fünfte Monat in Folge oberhalb der 50 Punkte-Marke. S&P Global verweist auf die mittlerweile höhere Wichtigkeit des Service-Sektors für Chinas BIP. Positiv sei auch die moderate Preisentwicklung, das Land exportiere derzeit keine Inflation in die Welt. Die Indizes performten uneinheitlich: während der Shanghai Composite 0,4% nachgab, legten die in Hongkong gelisteten Tech-Titel ebenso wie der Hang Seng Index zu.
Europas Börsen starten nur selektiv erholt in den Tag: die zuletzt gebeutelten Banken und Rohstofftitel sind gefragt, jedoch zu Lasten der defensive Branchen. Deshalb notieren die Indizes wenig verändert. An der Spitze des ESX 50 steht Adidas (ETR:ADSGN), was aber lediglich mit dem Ausbleiben neuer negativer Nachrichten im Quartalsbericht begründet wird – angeblich ständen hinter der Erleichterungsrallye Short-Eindeckungen. Ansonsten stehen im Verfolgerfeld ausschließlich Finanzwerte. Auch im STXE 50 liegen Financials weit vorne, zusammen mit dem Energietrio BP (LON:BP), Shell (ETR:R6C0) und Total (EPA:TTEF). Gestern sprachen UBS (SIX:UBSG) und Standard Chartered (LON:STAN) eine Kaufempfehlung für Öl aus: der physische Markt sei ziemlich angespannt, der Preisrutsch bei den Futures wenig nachvollziehbar. Zudem sind laut Bloomberg 125 Öltanker unterwegs nach China, die größte Flotte seit zwei Jahren. Das Land dürfte an einer Aufstockung seiner Bestände interessiert sein. Die immense Reiseaktivität in der Golfen Week hat die Treibstoffvorräte spürbar sinken lassen. Der einzige auffallend negative Titel im STXE 600 ist Evotec (ETR:EVTG). Die Aktie verliert 9,5%, nachdem die Dt. Börse angekündigt hat, das Unternehmen aus MDAX und TecDAX zu werfen. Grund dafür ist die nicht fristgerechte Vorlage des testierten Abschlusses. Da auch die Risikoprämien (Creditspreads) an den europäischen Märkt leicht zurückfallen, indiziert alles zusammen, dass die Börsen sowohl die Zinsanhebungsrunde als auch die PKs der Notenbankchefs und auch die akute Lage bei den US-Regionalbanken recht gut verdaut haben. Negativ interpretiert muss jedoch gesagt werden: neue Kaufimpulse lösen all diese Meldungen auch nicht aus.
Das nächste „große Ding“ wird nun, nachdem die Bilanzsaison ihren Höhepunkt überschritten hat, die weitere Entwicklung im Zusammenhang mit dem US-Schuldendeckel sein. Im APX gewinnen US-Staatsanleihen 2 Punkte, die „Sorgenkäufe“ haben nachgelassen. EM-Aktien gewinnen einen Punkt, der DAX zwei.