Nur sehr selten habe ich in meinen vielen Berufsjahren erlebt, dass alle 30 Dow Jones Werte zum Handelsschluss rote Vorzeichen trugen. Das ist ein ausgeprägtes Signal, dass die Anleger gestern in Scharen aus den Börsen ausstiegen. Nvidia (NASDAQ:NVDA) allein kann es nicht richten: die Aktie legte über 9% zu, konnte aber wegen ihrer hohen Gewichtung lediglich verhindern, dass die Kurseinbrüche bei Nasdaq 100 und S&P 500 noch drastischer ausfielen. Das ist alles deshalb noch spektakulärer, weil zunächst beide Indizes auf Rekordhoch eröffneten. Es ist nicht ganz einfach, den entscheidenden Auslöser für die Kursschwäche zu finden. Offiziell wird sie damit begründet dass die US-Einkaufsmanagerindizes zu gut ausgefallen wären und deshalb die Hoffnungen auf Zinssenkungen weiter unterhöhlt hätten. Anstatt eines Rückgangs sprang der PMI-Gesamtindex nach 51,3 auf 54,4. Als stützendes Argument für diese Aussage lässt sich finden, dass die Renditen der US-Staatsanleihen gestern wieder angezogen sind – was anbei bemerkt neben den weiter fallenden Rohstoffpreisen ein klarer Beleg dafür ist, dass die US-Investoren gestern massiv in Cash flüchteten. Aber trotzdem erscheint diese Erklärung unlogisch, denn mit den guten PMIs schwinden ja doch auch Rezessionsängste, was per se positiv für Aktien und Rohstoffe ist. Ich habe einen ganz anderen Verdacht für die gestrige Schwäche: meine Vermutung ist, dass die Marktteilnehmer mit exzellenten Nvidia–Zahlen gerechnet haben und sich deshalb vorab bereits mit Aktien vollgesogen haben. In Erwartung, dass Nvidia die Initialzündung für eine neue breite Kursrallye wird. Als sich direkt nach Kassabeginn jedoch herausstellte, dass zwar Nvidia abhob, aber ansonsten nichts passierte, kam es zu kontinuierlich steigenden Abgaben auf breiter Front. Dazu passt die Meldung der American Association of Individual Investors (AAII): die Anleger waren Ende letzter Woche so bullish wie zuletzt vor 6 Wochen – und wohl auch entsprechend positioniert. Aktuell notiert der S&P Future knapp oberhalb unserer ersten Reißleine. Sollte sich heute Nachmittag weitere Schwäche entwickeln, werden wir die US-Gewichtung zu Gunsten Kasse reduzieren.
Der STXE 600 NR steht derzeit knapp unterhalb unseres ersten Stopp Loss-Limits, was evtl. heute Handlungsbedarf erfordert. Die heftigen Verluste bei der STXE 50 – Komponente National Grid (LON:NG) setzen sich fort, die Aktie kollabierte seit Bekanntgabe ihrer geplanten Kapitalerhöhung um mittlerweile 20%. Dass der Index der 50 wichtigsten europäischen Unternehmen 40 Verlierer aufweist, passiert selten, normalerweise rotieren die Branchen und Einzeltitel. Trotzdem ist mit aktuell -0,5% die Dramatik nicht allzu hoch, es muss halt beobachtet werden. Recht gut gegen den Trend performt die Deutsche Post (ETR:DHLn) Aktie. UK vermeldet für April einen Rückgang der Einzelhandelsumsätze um 2,3%, erwartet war -0,4%. Schuld daran sei maßgeblich das schlechte Wetter gewesen.
Fernost reagierte mit Abgaben auf die Entwicklung an den US-Märkten. Der Nikkei 225 gab 1,2% ab. Der Anstieg der Verbraucherpreise hat sich im April ggü. März abgeschwächt – aber auch hier das gleiche Bild wie in den USA: statt die Nachricht positiv aufzunehmen, wurde negativ argumentiert - das sei ein Beweis für die anhaltende Konsumzurückhaltung der Japaner. Unter Verkaufsdruck standen Techwerte, die erst gestern früh mit den Nvidia-Zahlen haussiert hatten. Massive Verluste weiterhin im Hang Seng Tech Index, der wie bereits gestern erneut um fast 3% absackte. Der Shanghai Composite Index gab 0,9% nach, insbesondere Immobilienwerte standen unter Verkaufsdruck. In Südkorea belastete das Schwergewicht Samsung (F:SAMEq) Electronics (-3,1%). Reuters berichtete, dass angeblich die HBM3 Chips nicht die Anforderungen von Nvidia bezüglich des Stromverbrauchs erfüllen.
In USA und UK ist am Montag Feiertag. Möglich, dass die Anleger vor dem langen Wochenende vorsichtig agieren. Vorher kommen neue US-Daten. APX: US-10y Staatsanleihen, EM-Bonds und Nikkei -4 Punkte. Gold +2.