Warum päsentieren sich die europäischen Börsen heute früh so schwach? Das Durchforsten der internationalen Medien liefert durchaus Argumente, aber nicht den einen entscheidenden Grund.
Gestern hat Janette Yellen ihre Aussagen vom Mittwoch nachjustiert und in ihrem zweiten Anhörungstag klar bekundet, Einlagen von in Notlage geratenen Banken mit staatlichen Maßnahmen entschlossen schützen zu wollen. Erforderlichenfalls würden weitere Aktionen gestartet. Auf was Banker und Anleger aber weiterhin laut Reuters bislang vergeblich warten: auf eine Garantie der Regierung, dass alle 19,2 Billionen USD, die bei US-Banken als Einlagen deponiert sind, sicher sind. Denn weiterhin gibt es für Beträge über 250T USD keine einfache Lösung ohne den Kongress. Diesbezüglich hat sie ja bereits am Mittwoch vor dem Senatsausschuss zurück gerudert. Dass der Übernachtzins (overnight cash rates) höher liegt als jede Laufzeit zwischen einem Monat und 30 Jahren, zeigt die tiefe Verunsicherung und gilt bei vielen Beobachtern als Vorbote einer näher rückenden Rezesssion. Trotzdem: die neuen Aussagen der US-Finanzministerin hatten die US-Börsen (ETR:SXR4) in der letzten Handelsstunde stabilisiert und entsprechend ruhig verlief heute früh auch der Handel in Fernost. Die Verbraucherpreise sind in Japan erstmals seit 13 Monaten gesunken, die Kernrate jedoch nicht. Die Wirtschafsaktivität im verarbeitenden Gewerbe schrumpft weiter, nähert sich aber der Nulllinie. Der Yen gilt längst wieder als sicherer Hafen und legt heute früh weiter zu.
Geopolitsch gibt es Nachrichten zum Iran. Gestern hat General Mark Miller, Vorsitzender des Generalstabs der US-Streitkräfte, laut WSJ gesagt, dass das Land innerhalb weniger Monate eine Nuklarwaffe bauen könnte, wenn es sich entscheiden würde, dies zu tun. Das ist natürlich beunruhigend, auch angesichts der jüngsten Spannungen – heute Nacht hat das US-Militär Luftschläge in Syrien gegen Iran-verbündete Einheiten geflogen, denen vorgeworfen wird, einen Drohnenangriff auf US-Soldaten ausgübt zu haben. Aber auch das erklärt m.E. nicht die akute Schwäche des europäischen Marktes.
Aus Deutschland kamen sehr schlechte Zahlen zum März-Einkaufsmanagerindex des verarbeitenden Gewerbes - der Wert lag mit 44,1 nicht nur weit unter der Prognose (47), sondern fiel auch ggü. dem Februar (46,3) weit zurück. Auf der Gegenseite verbesserte sich jeodch der Dinstleistungssektor weiter, übertraf Prognose und Februar deutlich und ist mit 53,9 klar expansiv. Auf Ebene der Eurozone ist die gleiche Tendenz erkennbar: Service 55,6 nach 52,7 und verarbeitendes Gewerbe 47,1 nach 48,5. Die schlechten Manufacturing PMIs könnten der Hauptgrund für Europas Kursschwäche sein – aber dann läge Insiderwissen vor, denn der Einbruch begann lange vor der Veröffentlichung der Zahlen! Bundesbankchef Nagel beklagt das Dilemma der EZB: die Wirtschaft kühle ab, nicht aber die Preise – es bestehen Bedenken vor zu hohen Lohnabschlüssen. Er sprach sich heute früh für im Bedarfsfalle weiter steigende Zinsen und das anschließende Halten auf hohem Niveau aus sowie für eine Beschleunigung des Abbaus der Anleihebestände (APP) ab Q3.
Auf Europas Banken gibt es konkreten Druck – Bloomberg berichtet von ungenannten Quellen, die behaupten, dass das US-Justizministerium ermittelt: angeblich haben UBS (SIX:UBSG) und CS russischen Oligarchen geholfen, Sanktionen zu umgehen. Fakt oder böswilliges Gerücht, um die Bankaktien (NASDAQ:KBWB) noch weiter zu belasten? Bei der Dt. Bank springen die Kosten für Kreditausfallversicherungen weiter an. Die Bank will nun eigene Anleihen vorzeitig zurück kaufen.
Im APX bringen span. Staatsanleihen +1 Punkt. Die erneute Fluchtbewegung in US-Staatsanleihen kostet 4 Punkte, der Wiedeanstieg der Volatilitäten und Creditspreads 6 Punkte. EM-Aktien bringen +1, der S&P aktuell -6, der Shanghai Composite -1. Die Achterbahnfahrt des globalen Stimmungindex geht weiter: heute also -15 Punkte.