Jerome Powell ging in seiner Rede in Jackson Hole ausführlich auf den zweiten Baustein des dualen Fed-Mandats ein. Nachdem bei der Inflationsbekämpfung viel erreicht worden sei, müsse sich die US-Notenbank nun dem Arbeitsmarkt zuwenden. Hier äußerte sich der Fed-Chef über die rapide Abschwächung durchaus besorgt. Der Arbeitsmarkt sei nicht mehr überhitzt – im Gegenteil, nun ginge es darum, einen starken Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verhindern. Die Beruhigung am Arbeitsmarkt ist ein wesentliches Argument, warum Powell sich zuversichtlich zeigte, dass das Erreichen des Inflationsziels nachhaltig gelungen sei. Hierzu hätte auch beigetragen, dass sich mittlerweile die mit Covid verbundenen Angebotseinschränkungen aufgelöst hätten. Die Rede legt den Schluss nahe, dass die Zinsen nun zügig und deutlich abgesenkt werden. Eine Reduktion um 0,75%-Punkte bis Jahresende erscheint mir als sehr wahrscheinlich. Die US-Börsen (ETR:SXR4) feierten die offensiven Aussagen, jedoch konzentrierte sich die Kauflust auf Nebenwerte und Aktien mit hoher Zinssensibilität wie z.B. Real Estate. Zur Finanzierung der Anschaffungen wurden einige der Nasdaq-Schwergewichte hingegen veräußert, Microsoft (NASDAQ:MSFT) und Amazon (NASDAQ:AMZN) beendeten den Tag mit Abschlägen. Ebenso taten sich defensive, nicht Konjunktur sensitive Werte aus dem Verbrauchgütersektor schwer.
Heute früh eröffnen die US-Futures abwartend – es ist gut vorstellbar, dass die erste Wochenhälfte in diesem Modus bleibt, denn am Mittwoch stehen die Quartalszahlen von Nvidia (NASDAQ:NVDA) an, denen außerordentlich hohe Bedeutung zukommt. Darüber habe ich ja letzte Woche bereits geschrieben. Das Problem: die Erwartungen sind unglaublich hoch, der Markt hofft darauf, dass die Umsätze in Q2 noch 2 Mrd höher waren als die Analysten offiziell schätzen.
Dass die Nahost-Gespräche vorerst ergebnislos abgebrochen wurden, ist nicht völlig überraschend. Damit bleibt die Gefahr einer schnellen Eskalation bestehen, die damit verbundene erhöhte Unsicherheit treibt die Energiepreise ebenso wie den Goldpreis an. Das US-Energie Department gab am Freitag bekannt, dass es die strategischen Ölreserven des Landes (SPR) um 2,5 Mio Barrel aufgestockt habe. Ob hinter dieser Entscheidung geopolitische Bedenken stehen oder schlicht der günstige Einkaufspreis, geht aus dem Reuters-Bericht nicht hervor. Derzeit klammern sich die Vermittler an die Hoffnung eines „Überbrückungsvorschlags“, von dem aber keine Details bekannt sind, um die Verhandlungen am Laufen zu halten. Eine weitere geopolitische Nachricht, die für Verunsicherung sorgt, kommt aus Belarus, wo angeblich bis zu 20.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine für eine militärische Übung zusammengezogen worden sind. Sollte sich Weißrussland in den Angriffskrieg Russlands aktiv mit einmischen, wäre dies eine extrem negative Entwicklung, die Europas Börsen schwer belasten würden. Aktuell hält sich die Sorge darüber aber in Grenzen: der STXE 600 tritt auf der Stelle, auf Ebene des ESX 50 stehen sich derzeit jeweils 25 Gewinner und Verlierer gegenüber.
In Fernost präsentierten sich die Aktien überwiegend stabil, der Hang Seng wies mit +1,1% die beste Entwicklung auf. Der Yen war am Freitag unmittelbarer Nutznießer von Powells „taubenhafter“ Rede – die Chance auf ein schnelles weiteres Zusammenlaufen der Renditen ist dadurch gestiegen. Heute früh legt Japans Währung weiter zu – deshalb konnten Nikkei und Topix ihr Niveau nicht verteidigen und gaben ca. 0,6% nach. Chinas Notenbank hat die Zinsen auf Einjahreskredite unverändert bei 2,3% belassen. Im Juli hatte sie diesen Satz um 0,2-Punkte gesenkt. Freilich führte sie dem Markt frische Liquidität zu.
APX: dt. Staatsanleihen +2 (Renditerückgang vollzieht sich mittlerweile wieder geordneter, weniger hektisch). Kupfer +4 (Metalle profitieren vom Rückgang der US-Renditen/China kauft wieder zu).