Die US-Indizes belegen die Zerrissenheit des Marktes: der Nasdaq Composite liegt im laufenden Monat bei +6,5%, der Dow Jones bei -3,1%. Lediglich die Begeisterung für Aktien mit Bezug zu Künstlicher Intelligenz (AI) hielt den S&P 500 mit 0,9% über Wasser. Die extreme Marktenge macht Analysten Sorge. Morgen beginnt ein neuer Monat. Es wird spannend, ob es nach dem Ultimo bedingten Window-Dressing zu sektoralen Umschichtungen kommt.
Die europäischen Aktienmärkte gerieten gestern Nachmittag immer heftiger unter Druck. Besonders massiv verkauft wurden Verbrauchsgüterhersteller, Energietitel und Bankaktien (NASDAQ:KBWB). Heute früh setzte sich die Abwärtsbewegung fort, inzwischen ist aber leichte Rückkaufneigung erkennbar. Erneut werden Verbrauchsgüteraktien verkauft, aber auch Luxusgüterhersteller mit China-Bezug wie LVMH (EPA:LVMH) sowie die zyklischen Rohstoffwerte.
Ein Argument sind die Wirtschafsdaten aus China. Der Einkaufsmanagerindex (PMI) für das verarbeitende Gewerbe sank auf 48,8 nach 49,2 im April, erwartet war 49,7. Laut des Nationalen Statistikbüros betrug der Wert bei den großen Industriefirmen 50, entsprechend muss die Stimmung bei den kleineren Betrieben umso schlechter sein. Der Servicesektor ist mit 54,4 weiterhin expansiv, jedoch lässt das gute Sentiment nach. Es drängt sich der Eindruck auf, dass sich der Reopening-Impuls wieder verflüchtigt. Bankanalysten gehen davon aus, dass Unterstützungen seitens der Zentralbank (PBoC) - wohl als Kombination aus Zinssenkung und Reduktion der Mindestreseveanforderungen - im Laufe diese Quartals erfolgen werden. Chinas Festlandaktien reagieren mit ca. -0,5% relativ moderat. Dramatisch sieht es in Hongkong aus: der Hang Seng Index hat nun 20% eingebüßt seit seinem Post-Covid Euphoriehoch vom 27. Januar. Noch schlimmer performte der Hang Seng Tech mit -25%.
Auch Japan heute schwächer. Die April-Industrieproduktion enttäuschte. Statt +1,5% betrug der Wert -0,4%. Jedoch legte der Einzelhandelsumsatz um 5% zu.
Der zweite Grund für die Nervosität der europäischen Aktienmärkte dürfte die latente Befürchtung sein, dass der Entwurf des US-Schuldenpakets die erforderliche Mehrheit bei der heutigen Abstimmung im Repräsentantenhaus verfehlen könnte. Gestern Abend verlief zwar der erste Test erfolgreich, jedoch hat das aus 13 Mitgliedern bestehende Rules Comitee nur mit einer hauchdünnen Mehrheit von 7:6 den erarbeiteten Kompromiss abgesegnet. Das Congressional Budget Office veröffentlichte gestern seine Schätzung, wie sich der Entwurf auf das Budgetdefizit auswirken würde. Prognostiziert wird eine Entlastung der Haushaltsschulden um 1,5 Bio USD über die nächsten 10 Jahre. Das bedeutet also entsprechende Ausgabenkürzungen ausgehend von den bisherigen Projektionen und damit verbunden eine Zinsentlastung von 188 Mrd USD.
Neue Preisveröffentlichungen zeigen, dass sich die Inflation in Euroland deutlich abschwächt. Die deutschen Importpreise sind im April im Vergleich zum März um 1,7 Prozent gesunken, erwartet war -0,2%. Im Vorjahresvergleich -7%, prognostiziert waren -5,6%. Zudem habe sich die Lieferengpässe deutlich entspannt, was jedoch auch an zunehmender Zurückhaltung der Verbraucher liegt. Frankreich legt bereits Maidaten zur harmonisierten Inflation (HVPI) vor. Die Jahresteuerung betrug 6% im Vergleich zum Mai 2022, die Prognosen hatten bei 6,5% gelegen. Im April lag der Wert noch bei +6,9%.
Im APX löst die Begeisterung über die Beruhigung der Inflationsdaten eine Rallye bei den Euroland-Anleihen aus: +8 Punkte. Vielleicht bedeutet aber der nachlassende Inflationsdruck auch, dass der Druck auf die Gewinnmargen begonnen hat? Ein Indiz: Die 20 Tage - Durchschnitte bei DAX und STXE 600 fallen und die Indizes notieren darunter: -4 Punkte. EM-Anleihen +1 Punkt.