Sven Weisenhaus ist in der Vorwoche ausführlich auf die neuesten Konjunkturpakete Chinas eingegangen, mit denen die Führung die Wirtschaft ankurbeln will. Das hat nicht nur die Kurse der chinesischen Aktienbörsen angetrieben, sondern auch auf anderen Finanzmärkten. Doch nicht alles davon ergibt Sinn.
Der China-Effekt auf den Finanzmärkten
Nachvollziehbar ist z.B. der Anstieg des Kupferpreises:
Wenn in China die Konjunktur nachhaltig anspringt, profitiert der Kupfermarkt – egal, ob die Aktivitäten im Immobiliensektor, in der Investitionsgüterindustrie oder im Konsumbereich nach oben schnellen. Kupfer wird überall gebraucht: in Gebäuden und Industrieanlagen, Windrädern und E-Autos.
So einleuchtend die Argumentation ist – sie wird in Zweifel gezogen durch die Ölpreisschwäche, auf die Sven Weisenhaus in der Vorwoche schon hingewiesen hat: Fallende Ölpreise passen nicht zu dem erwarteten großen Konjunktureffekt des vermeintlich gigantischen Maßnahmenpaket Chinas.
Aber gut, auch Ökonomen sehen es kritisch, weil sie es für nicht ausreichend zielgerichtet halten, um die Probleme in China ernsthaft zu lösen.
Wie nachhaltig ist „Dr Coppers“ Kaufsignal?
Die Finanzmärkte haben da teilweise eine andere Meinung, wie der Anstieg des Kupferpreises zeigt. Oder vielleicht doch nicht? Schließlich lief Kupfer auch schon zuvor recht dynamisch nach oben. Der jüngste Schub könnte also einfach ein Momentumimpuls sein: In einer ersten euphorischen Reaktion auf die Maßnahmen in China zog der Kurs an, überwand das Juli-Hoch und die runde 10.000USD-Marke und löste dadurch kurzfristig charttechnisch motivierte Käufe durch Ausbruchstrader aus.
Diese Kaufwelle ebbt nun ab, wie die nachgebenden Kurse der vergangenen zwei Tage zeigen. Es bleibt also abzuwarten, ob „Dr Copper“ tatsächlich ein Kaufsignale gesendet hat.
Hier hoffen die Anleger auf neue Chancen
Einen klaren China-Effekt sieht man dagegen in der Luxusgüterindustrie. Der World Luxury Index, der die 20 größten und liquidesten Aktien der weltweiten Luxusgüterindustrie enthält, sprang seit vergangenem Montag um fast 10 % an:
Nur rund 1 % (!) aller Kursbewegungen seit 2002 im gleichen Zeitraum fielen größer aus, was ein klares Indiz für den China-Effekt ist. Auch hier ist diese Logik nachvollziehbar: China war bzw. ist für die Luxusindustrie der größte Markt, der die Geschäfte in den vergangenen Jahren maßgeblich getrieben hat.
Die jüngste Schwäche Chinas hat Umsätze und Aktienkurse der Konzerne zuletzt gedrückt – der Index fiel auf sein Jahrestief zurück. Nun hoffen die Anleger wohl, dass die Kauflust in China zurückkehrt. So verständlich diese Hoffnung ist – im Moment ist noch völlig unklar, ob und wie die angekündigten Maßnahmen umgesetzt werden und wie stark dadurch der Verkauf von Luxusartikeln angekurbelt wird.
Die deutsche Autoindustrie und China
Aber gut, die Börse handelt die (mögliche) Zukunft und diese erscheint für Luxusgüterhersteller nun wieder vielversprechender. Allerdings kamen gestern die Kurse sowohl von Kupfer als auch der Luxusbranche schon wieder merklich zurück. Da verwundert erst recht die jüngste Stärke der Autoindustrie.
Auch deren Aktienkurse legten zu, insbesondere bei den deutschen Autobauern und ihren Zulieferern. Allerdings blieb der Anstieg im historischen Vergleich eher unauffällig (siehe Pfeil).
Dennoch wollen die Analysten hier ebenfalls einen China-Effekt ausmachen, zumal bei einigen Einzelwerten, zu denen es negative Meldungen gab, die üblichen negativen Kursreaktionen in der Vorwoche ausblieben.
Allerdings erscheint es mir zweifelhaft, dass ausgerechnet deutsche Autohersteller davon profitieren, wenn in China der Konsum wieder anspringt. Deutsche Autos haben es schon seit geraumer Zeit in China schwer: Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor sind kaum noch gefragt und deutsche E-Autos sind für die Chinesen nicht cool genug und viel zu teuer (siehe auch Börse-Intern vom 26.08.2024).
Nur wenig Hoffnung für die Auto-Bullen
Das beweist auch der Chart des deutschen Autosektor-Index: Seit 2021 läuft der Kurs in einem Abwärtstrend, hat zuletzt sogar eine markante übergeordnete Unterstützung (grün) gebrochen und die Abwärtsbewegung beschleunigt.
Etwas Hoffnung könnten die Auto-Bullen schöpfen, wenn nun – vielleicht auch dank eines kurzfristigen China-Effekts – die Rückkehr in den roten Trend und über die grüne Unterstützung gelingt. Aber auf einen Trendwechsel würde ich selbst dann nicht wetten…
Chinas Aktienmarkt bleibt billig und riskant
Doch zurück zu China: Mit diesen und einigen anderen Basiswerten (z.B. Rohöl) und natürlich den chinesischen Indizes selbst, haben Sie nun alle Möglichkeiten zu beobachten, wie die Märkte die Nachhaltigkeit der jüngsten Maßnahmen in China beurteilen. Aus meiner Sicht sollten Sie in jedem Fall noch etwas warten, falls Sie in irgendeiner Weise auf diesen China-Effekt setzen wollen. So vermeiden Sie, Ihr Geld in einem Strohfeuer zu verbrennen.
Ein Kollege schrieb kürzlich mit Blick auf Chinas Konjunkturpaket: „Chinas Aktienmarkt ist riskant – aber auch billig“. Ich sage: Chinas Aktienmarkt ist billig – bleibt aber riskant. Und selbst, wenn Chinas Wirtschaft demnächst tatsächlich die Wende schafft, fühle ich mich wohler dabei, davon indirekt zu profitieren statt mit Direktinvestments, die stets in Gefahr sind, durch willkürliche Maßnahmen der chinesischen Führung unkalkulierbare Rückschläge zu erleiden.
Mit besten Grüßen
Ihr Torsten Ewert