PARIS/LONDON (dpa-AFX) - An Europas Börsen stützt die Hoffnung auf bald sinkende US-Zinsen auch am Mittwoch die Kurse. Bis zum späten Vormittag arbeitete sich der EuroStoxx 50 (Euro Stoxx 50) auf ein Plus von 0,45 Prozent auf 3348,53 Punkte vor. Damit setzt sich die vor zwei Tagen begonnene Erholung am europäischen Aktienmarkt weiter fort.
Für den französischen Cac 40 (CAC 40) ging es um 0,50 Prozent auf 5294,46 Punkte hoch. Der britische FTSE 100 rückte um 0,36 Prozent auf 7240,13 Punkte vor.
Jochen Stanzl von CMC Markets sprach von einer "180-Grad-Stimmungswende an der Börse". Nach dem schwachen Mai, in dem die Anleger wegen der internationalen Handelsstreitigkeiten in Deckung gegangen waren, sind nun die Notenbanken als treibende Kraft für die Aktienmärkte zurück auf der Bühne. Die Wall Street hatte am Vorabend bereits ein Kursfeuerwerk gezündet - in der Hoffnung, dass die US-Notenbank Fed ihre zuletzt restriktivere Geldpolitik angesichts des Zollstreits und der damit verbundenen Konjunkturrisiken wieder lockern könnte.
US-Notenbankchef Jerome Powell hatte am Dienstag auf einer Konferenz in Chicago erklärt, man werde den Handelskonflikt zwischen den USA und China genau beobachten und "wie immer" entsprechend reagieren, um das Wachstum aufrechtzuerhalten. Zuvor hatte sich bereits Notenbank-Mitglied James Bullard dahingehend geäußert, dass eine baldige Zinssenkung angebracht sein könnte.
Das Umdenken der Aktionäre lässt sich derzeit auch an ihren Vorlieben erkennen. Aktien, die in den vergangenen Wochen am meisten heruntergeprügelt wurden, würden nun gekauft, so Stanzl. Zur Wochenmitte standen europaweit die Technologiewerte (STOXX Europe 600 Technology) am höchsten in der Gunst der Investoren. Sie kletterten im Schnitt um zuletzt 1,16 Prozent. Im Gegenzug wurden Banken und Finanzwerte aus den Depots geworfen, da angenommen wird, dass die Erträge der Branche unter sinkenden Zinsen leiden könnten. Im EuroStoxx 50 gaben Societe Generale (9:SOGN) mit minus 0,80 Prozent am deutlichsten nach.
Auf Branchenseite waren indes europaweit die Öl- und Gaskonzerne die größten Verlierer mit im Schnitt 0,61 Prozent Minus. Aktien des italienischen Anbieters Eni (6:ENI) gaben am Eurostoxx-50-Ende 1,31 Prozent nach. Total (9:TOTF) verloren ebenfalls mehr als ein Prozent.
Aktien des norwegischen Aluminiumproduzenten Norsk Hydro (8:NHY) stachen mit einem Kursaufschlag von zuletzt mehr als vier Prozent heraus. Hier kam gut an, dass das Unternehmen, das im März unter einer Cyberattacke gelitten hatte, für das erste Quartal einen Gewinn über den durchschnittlichen Analystenschätzungen ausweisen konnte. Die Konzernführung kündigte eine strengere Kostenkontrolle und eine Überprüfung der Strategie an, um die Gewinne zu steigern.
Gefragt waren auch die Papiere des Luxusgüterkonzerns LVMH (9:LVMH) nach einer positiven Studie der Citigroup (NYSE:C) - sie kletterten um mehr als zweieinhalb Prozent und führten damit den europäischen Leitindex an. Laut Citigroup-Analyst Thomas Chauvet, der aus einer Frage- und Antwortrunde mit Konzernchef Michael Burke zitierte, verzeichnet LVMH trotz des US-chinesischen Handelskrieges derzeit so hohe Wachstumsraten in Asien wie kaum zuvor.