PARIS/LONDON (dpa-AFX) - Die Anleger in Europa haben am Mittwoch erneut das Risiko gescheut. Zu viele Unsicherheiten galt es abzuwägen. Eine wichtige Frage lautet, ob China die USA im Handelsstreit hat auflaufen lassen. Bisher gibt es von chinesischer Seite keine Details zu dem von US-Präsident Donald Trump für Januar avisierten vorläufigen "Waffenstillstand".
Zudem steigt angesichts der unerbittlichen Brexit-Debatte im britischen Parlament die Nervosität, dass es doch noch zu einem ungeregelten Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) kommen könnte. Der Schuldenhaushalt Italiens bereitet ebenfalls Sorgen, auch wenn das Eurozonen-Land nach der EU-Kritik nun einen neuen Budgetentwurf vorlegen will.
Der EuroStoxx 50 (Euro Stoxx 50) fiel um 1,22 Prozent auf 3150,27 Punkte. Der französische Cac 40 (CAC 40) verlor 1,36 Prozent auf 4944,37 Punkte. In London büßte der FTSE 100 1,44 Prozent auf 6921,84 Zähler ein.
Auf den Rausch am Montag ist nach den Worten von IG-Marktanalyst Salah-Eddine Bouhmidi prompt die Katerstimmung gefolgt. "Zu viele Risikofronten schüchtern die Marktteilnehmer ein und lassen nur noch wenige von einer Jahresendrally träumen."
Wirtschaftsdaten hatten entsprechend wenig Einfluss, zumal nur Italien positiv überraschte. So war im November die Unternehmensstimmung im Euroraum auf den tiefsten Stand seit gut zwei Jahren gefallen. Damit steckt sie, wie Markit-Chefökonom Chris Williamson sagte, "weiter in einer Wachstumsdelle". Italiens Einkaufsmanagerindex für das Dienstleistungsgewerbe dagegen stieg in den Wachstumsbereich, was laut Analyst Patrick Boldt von der Landesbank Helaba erfreulich und womöglich eine erste Auswirkung der Kompromissbereitschaft Roms im Haushaltstreit sei. In Großbritannien zeigten sich ferner die Dienstleister so pessimistisch wie zuletzt nach dem Brexit-Votum im Juli 2016.
Unter den Branchen Europas gab der Baustoffe-Sektor (Stoxx 600 Construction Materials PR) mit minus 2,14 Prozent besonders stark nach. Im Cac 40 etwa sackten die Aktien von Saint-Gobain (9:SGOB) um rund 3 Prozent ab und unter den kleineren französischen Werten büßten Tarkett sogar fast 5 Prozent ein. Beide litten unter einer negativen Studie der US-Bank JPMorgan (NYSE:JPM).
Die Papiere der europäischen Versicherer (Stoxx 600 Insurance PR) gerieten ebenfalls unter Druck und verloren 1,82 Prozent. Händler führen die Einbußen vor allem auf die niedrigen Zinsen bei länger laufenden Anleihen in den USA zurück. Eine derartige Zinskurve kann auf eine Rezession hindeuten.
Zu den stabilsten Sektoren Europas zählte indes die Immobilienbranche (STOXX Europe 600 RE Cap EUR Price), die sich moderat im Plus hielt. Es waren vor allem britische Aktien aus diesem Bereich, die gefragt waren: Land Securities (3:LAND), Hammerson (3:HMSO), Derwent London (3:DLN) und British Land (3:BLND) legten dort zwischen gut 1 und knapp 2 Prozent zu. Im "Footsie" gewannen zudem Taylor Wimpey (3:TW), Barratt Developments (3:BDEV) und Berkeley Group (3:BKGH) bis zu knapp 6 Prozent. Am Markt wurde darauf verwiesen, dass angesichts der heftigen Debatten zum Brexit-Abkommen im Unterhaus wohl auf ein zweites Referendum zum Ausstieg Großbritanniens aus der EU gehofft werde.
Unter den Einzelwerten machten in London außerdem die Papiere des Pharmaherstellers Shire (3:SHP) im allgemein schwachen Marktumfeld einen Sprung nach oben und zogen um gut 3 Prozent an. Auslöser für die gute Laune der Anleger war, dass der japanische Pharmakonzern Takeda (20:4502) von seinen Aktionären die Zustimmung erhalten hatte, den britischen Branchenkollegen übernehmen zu dürfen. Die Anteilseigner von Shire sind ebenfalls einverstanden, so dass die Übernahme am 8. Januar abgeschlossen sein dürfte.