Am 20. September wird aus dem DAX 30 der DAX 40, zehn Werte werden neu aufgenommen. Die größte DAX-Reform, die je durchgeführt worden ist, seit der Index im Januar 1988 gestartet ist, fand damit ihren Höhe- und, zumindest vorläufigen, Endpunkt. Denn der DAX wurde nicht nur quantativ vergrößert, er sollte auch qualitativ verbessert werden. Hintergrund war die leidige Geschichte mit Wirecard (DE:WDIG): Trotz Bilanzbetrug, Insolvenz und Kursturz blieb das Unternehmen noch wochenlang im deutschen Leitindex, zum Leidwesen vieler Investoren und Fondsanbieter. Doch was hat die Deutsche Börse, beziehungsweise ihr Indexanbieter Qontigo, unternommen, um den Index, der nichts weniger als die deutsche Wirtschaft repräsentiert, zu verbessern? Wir stellen die Analyse von Ulrich Kirstein für die Börse München vor.
Qualitative Verbesserungen
Unmittelbar infolge der Wirecard-Insolvenz begann die Deutsche Börse mit Nachbesserungen an ihrem Leitindex:
- Bereits im Dezember 2020 legte sie fest, dass jedes Unternehmen in den vergangenen beiden Jahresabschlüssen ein positives EBITDA, also ein positives Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen, erzielt haben muss. Börsenlieblinge mit hohen Umsätzen und ebenso hohen Verlusten sollten damit – zumindest künftig – ausgeschlossen werden, denn die Regel gilt nicht rückwirkend für Unternehmen, die bereits im DAX gelistet sind.
- Seit März 2021 ist es nicht mehr notwendig, dass die Unternehmen im Prime Standard der Deutschen Börse (DE:DB1Gn) gelistet sind, um in den DAX aufgenommen zu werden. Es reicht der Regulierte Markt.
- Es wurden Pflichten zur Finanzberichterstattung festgeschrieben, Geschäftsberichte und Quartalsberichte müssen rechtzeitig abgegeben werden, die Nichteinhaltung führt zu Sanktionen.
- Bestimmte Vorschriften des Deutschen Corporate Governance Kodex (ein Prüfungsausschuss im Aufsichtsrat wird Pflicht) müssen erfüllt sein.
- Auch im März und nicht nur im September werden die DAX-Unternehmen überprüft, ob sie noch den Kriterien (Regular Entry und Regular Exit) entsprechen, so können Unternehmen schneller aus dem DAX genommen werden.
- Im September wurde er dann nicht nur aufgestockt, die Rangfolge wird jetzt ausschließlich durch die Marktkapitalisierung der Unternehmen vorgegeben, die Börsenumsätze werden nicht mehr mit einbezogen.
- Aber es muss eine gewisse Mindestliquidität an der Börse garantiert werden.
- Der Hauptsitz der DAX-Konzerne muss nicht in Deutschland liegen, das hatte bisher schon Linde (DE:LING) mit dem Umzug von München nach Irland erfüllt. Mit Airbus (PA:AIR) kommt nun ein weiteres Unternehmen hinzu, das seinen Firmensitz nicht in Deutschland hat.
Die Neuen: Verjüngungskur
Wer aber sind die Neuen im deutschen Leitindex? Die meisten sind aus dem MDax bekannt, einige waren bereits einmal im Oberhaus gewesen und insgesamt verjüngen sie die Mannschaft deutlich. Denn mit Zalando (DE:ZALG) (2008 gegründet, 2014 an die Börse), Siemens Healthineers (DE:SHLG) (Abspaltung von Siemens (DE:SIEGn), Börsengang 2018) und HelloFresh (DE:HFGG) (Börsengang im zweiten Anflauf 2017) sind allein drei Unternehmen dabei, die noch keine zehn Jahre an der Börse sind, aber bereits im MDax vertreten waren. Mit Symrise (DE:SY1G) (Börsengang auch erst 2006), Sartorius (DE:SATG), Brenntag (DE:BNRGn) (Börsengang 2010) und Qiagen (DE:QIA), ebenfalls alle aus dem MDax kommend, ist die Branche Chemie/Pharma/Gesundheit stark vertreten, mit Zalando und HelloFresh kommen zwei weitere eCommerce-Unternehmen zum bisherigen Einzelkämpfer Delivery Hero (DE:DHER) hinzu und mit Puma (DE:PUMG) erhält adidas nun auch im DAX Konkurrenz aus der Heimat Herzogenaurach. Mit Airbus und der Porsche (DE:PSHG_p) Holding folgen außerdem noch zwei Mobilitätskonzerne, wobei Porsche eher als Finanzholding firmiert und bisher noch nicht im MDax war. Schlecht gelaufen ist es für die Beiersdorf AG (DE:BEIG), die lange Zeit als Anwärter galt, den DAX 40 jedoch knapp verfehlte. Das kann sich ändern, denn wenn die Deutsche Wohnen (DE:DWNG) und Vonovia (DE:VNAn) zusammengehen, wird ein Platz im DAX wieder frei.
Wir haben einmal kurz die aktuelle Marktkapitalisierung analysiert: Mit Stand 15. September zählen wir 1,9 Billionen Euro, Schwergewicht unter den Neulingen ist Airbus mit über 90 Milliarden Euro, gefolgt von Siemens Healtheneers mit über 62 Milliarden, Spitzenreiter bleiben SAP (DE:SAPG) mit 145 und Linde mit 137 Milliarden Euro.
Die (bitteren) Folgen für den MDax
Leiden muss der Mittelstandsindex MDax, denn er wird nicht nur (wieder) auf 50 Werte zurückgefahren, er verliert auch seine potentesten Unternehmen. Während der neue DAX mehr als 80 Prozent der gesamten Marktkapitalisierung des Prime Standard beinhaltet, verliert der MDax in etwa die Hälfte seines Volumens. Gebeutelt wird er jedoch nicht nur durch die Aufsteiger, ihn müssen auch noch fünf Gesellschaften aufgrund der Indexüberprüfung verlassen, sie rutschen in den SDax ab: Hochtief, Morphosys (DE:MORG), Encavis (DE:ECVG), Nordex (DE:NDXG) und ShopApotheke heißen die Kandidaten. Sie werden ersetzt durch den Börsenneuling Vantage Towers (DE:VTWRn), Befesa (DE:BFSA), Zooplus (DE:ZO1G), Hypoport (DE:HYQGn) und Jungheinrich. Das muntere Stühlerücken setzt sich fort, aus dem SDax steigen Süss MicroTec (DE:SMHNn), Borussia Dortmund (F:BVB), Vossloh (DE:VOSG), Medios (DE:ILM1k), ElringKlinger (DE:ZILGn) und Hamburger Hafen (DE:HHFGn) (HHLA) ab, hinzu kommen dafür Suse (DE:SUSEG), Synlab (DE:SYAB), About You (DE:YOUG), Secunet (DE:YSNG), PVA TePla (DE:TPEG) und Sto (DE:STOG_p). Fondsgesellschaften, die ETFs auf die DAX-Familie laufen haben, dürften also einiges zu tun gehabt haben.