Der US-Aktienmarkt ist deutlich unter Druck geraten. Das sollte jedoch für niemanden eine echte Überraschung sein. Schließlich waren die Bewertungen vieler Aktien auf historisch hohen Niveaus angelangt. Mit den gestiegenen Kapitalmarktzinsen befindet sich die Wall Street nun mitten in einer massiven Neubewertung.
Die epochale Kursrallye wurde von der Idee angetrieben, dass niedrige Zinsen die PE-Multiples ausweiten könnten. Aber die Kapitalmarktzinsen sind in den letzten Wochen stark angestiegen. Diese höheren Zinsen machen den Aktienmarkt im Vergleich zu den Anleiherenditen teurer. Wenn Aktien aufgrund dieser Zinsverschiebung neu bewertet werden müssen, könnte dies zu einem einem ziemlich steilen Ausverkauf am Aktienmarkt führen - womöglich um mehr als 20%.
Das KGV des S&P 500 ist seit den Tiefstständen im März 2020 auf ein historisch hohes Niveau geklettert. Tatsächlich wurden inzwischen so hohe Stände erreicht wie seit den späten 1990er Jahren nicht mehr. Der S&P 500 wird jetzt mit dem etwa 22-fachen der zu erwarteten 12-Monatsgewinne in Höhe von 176,03 Dollar gehandelt. So hoch war die Bewertung auf Basis der zukünftigen Gewinnmultiplikatoren seit den frühen 2000er Jahren nicht mehr.
Wenn man den S&P 500 auf Basis der Gewinnrendite im Vergleich zu den 10-jährigen Breakeven-Inflationserwartungen bewertet, stellt man fest, dass die Bewertungen auf Extremniveaus liegen. Mit einem Spread von derzeit 2,5% gegenüber einem gleitenden 200-Tage-Durchschnitt von 2,8% und einem langfristigen Durchschnitt von 4,24% seit 1997 würde dies bedeuten, dass steigende Renditen bei den 10-jährigen Treasuries und 10-jährigen TIPS dem Aktienmarkt schaden und zu einer massiven Neubewertung führen könnten.
In den letzten 5 Jahren lag der durchschnittliche Spread zwischen dem S&P 500 und den zehnjährigen Breakeven-Inflationserwartungen bei etwa 3,9%. Unter der Annahme, dass sich dieser Spread auf den langfristigen Durchschnitt von 3,9% erhöht, ergäbe sich für den S&P 500 wieder eine Gewinnrendite von etwa 6%. Das würde dem S&P 500 ein KGV von etwa 16,5 geben. Basierend auf den zu erwarteten Gewinnen von 176,03 Dollar könnte der Index also auf etwa 3.000 fallen und damit um etwa 27% einbrechen.
Technologieaktien haben in den letzten 12 Monaten gleich mehrere Expansionsphasen durchlaufen und könnten in einem durch steigende Kapitalmarktzinsen ausgelösten Repricing am stärksten unter Druck geraten. Die signifikanten und stetigen Wachstumsraten wurden zu einer Art Sicherheitsnetz für jene Anleger, die auf der Suche nach einem sicheren Ort für ihr Geld waren.
Amazon (NASDAQ:AMZN) wird beispielsweise mit dem 3,2-fachen der erwarteten 12-Monats-Umsätze gehandelt, was am oberen Ende der historischen Spanne liegt und deutlich über dem Durchschnitt von etwa 2. Bei NVIDIA (NASDAQ:NVDA) ist das KGV-Multiple auf das ca. 45-fache der geschätzten 12-Monats-Gewinne gestiegen und befindet sich damit am oberen Ende der 5-Jahres-Spanne.
Bankaktien gehören dagegen zu den großen Gewinnern der jüngeren Vergangenheit. Obwohl sie fraglos in einen Abwärtsstrudel geraten könnten, profitieren sie wahrscheinlich längerfristig. Steigende Renditen am langen Ende der Zinskurve haben die Kurve dramatisch steiler werden lassen. Dies dürfte sich positiv auf die Umsätze und Nettozinserträge der Banken auswirken und die Gewinne steigern.
Aktien wie JPMorgan (NYSE:JPM) oder Bank of America (NYSE:BAC) sind zwar nach einem enormen Kursanstieg auf dem aktuellen Niveau nicht mehr billig, könnten aber bei einem tieferen Pullback am Aktienmarkt zweifelsohne attraktiv werden. Vor allem, wenn das höhere Zinsumfeld mit einem anhaltenden Wirtschaftswachstum einhergeht.
Eine Marktkorrektur wäre nach dem epochalen Lauf der letzten zwölf Monate sicherlich eine willkommene Abwechselung. Den genauen Zeitpunkt für einen Pullback vorherzusagen, ist nie einfach und sicherlich keine leichte Aufgabe. Aber anziehende Kapitalmarktzinsen und ein extrem teurer Aktienmarkt bilden zusammen einen perfekten Sturm.