Der DAX konnte gestern ein neues Allzeithoch erreichen (siehe grüner Kreis im folgenden Chart).
Und schon sind die Medien voll des Lobes für den deutschen Leitindex. Er habe jetzt Kurspotential bis auf 14.500 Punkte, hieß es in einem Bericht.
Als Grund für die jüngsten Kursgewinne wurde das Teilabkommen zwischen den USA und China genannt. Das ist auch grundsätzlich nicht falsch, denn der Teilerfolg der USA im Handelsstreit mit China hat natürlich geholfen, die Aktienkurse weiter nach oben zu treiben. Doch dieses Thema ist hinlänglich bekannt und daher längst in den Kursen eingepreist. Wäre das Teilabkommen wirklich der entscheidende Grund für das neue Allzeithoch im DAX, hätte dem Index schon vor Tagen der Sprung auf dieses Niveau gelingen müssen.
Ein neues Allzeithoch ist kein Garant für steigende Kurse
Und nur weil der Index ein neues Allzeithoch erreicht hat, bedeutet dies nun nicht, dass er dadurch Kurspotential bis auf 14.500 Punkte hat. Ein Kurspotential ergibt sich nicht allein durch das Überwinden einer alten Chartmarke bzw. eines horizontalen Widerstandes. Sondern es errechnet sich aus fundamentalen Daten, wie zum Beispiel einem „fairen“ oder durchschnittlichen Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), oder durch charttechnische Formationen, die sich zuvor ausgebildet hatten.
Kursziel aus aufsteigendem Dreieck
So zum Beispiel das aufsteigende Dreieck (dicke Linien im folgenden Chart), welches ich vorgestern erwähnt hatte und aus dem der DAX gestern idealtypisch nach oben ausgebrochen ist.
Aus einer solchen Formation ermittelt man ein Kursziel, indem man den größten Abstand von der Unterstützungs- zur Widerstandslinie misst und dieses Ausmaß auf das Ausbruchsniveau legt (siehe grüne Striche im folgenden Chart).
Die horizontale Widerstandslinie des Dreiecks liegt bei 13.548 Punkten, der Ausgangspunkt der Aufwärtslinie bei 13.362 Zählern. Der breiteste Abstand beträgt also 186 Punkte. Legt man dieses Ausmaß auf die Widerstandslinie, so ergibt sich ein Kursziel für den DAX von 13.734 Zählern.
DAX zeigt sich weiterhin zögerlich
Dieses Kursziel ist nur ein Beispiel. Und es gibt übergeordnete Formationen, aus denen sich auch ein Kursziel von ca. 14.500 Punkten ergibt. Doch durch den Anstieg über den markanten Widerstand des ehemaligen Allzeithochs ergeben sich diese Kursziele nicht, sondern ein Erreichen der Kursziele ist lediglich wahrscheinlicher, weil das Allzeithoch als Widerstand überwunden wurde.
Aber dass es mit dem DAX nun schon in Kürze auf deutlich höhere Niveaus geht, darf bezweifelt werden. Denn der deutsche Leitindex befindet sich trotz des neuen Allzeithochs in keiner besonders starken Verfassung. Insbesondere gegenüber den US-Indizes zeigt der DAX schon lange eine relative Schwäche. Und die moderaten Kursgewinne, die er jüngst erzielen konnte, waren sehr holprig erarbeitet. Da passt es nur ins Bild, dass auch der Sprung auf ein neues Allzeithoch gestern nicht nachhaltig gelungen ist (siehe roter Bogen oben rechts im folgenden Chart).
Stattdessen sind die Kurse nach dem kurzen Ausflug nach oben wieder in den Bereich des aufsteigenden Dreiecks zurückgefallen. Und damit ist das neue Allzeithoch bislang lediglich eine erneute Bullenfalle. Derartige Fehlsignale mussten wir im DAX schon mehrfach erleben (siehe übrige rote Bögen).
Es droht ein Doppeltop im DAX
Und vor diesem Hintergrund bleibe ich skeptisch für die Aktienmärkte. Zumal die Bullen nun das Allzeithoch als Kursziel abhaken können, welches sie offenbar unbedingt noch erreichen wollten. Kommt es jetzt in den völlig überkauften US-Indizes zu einem scharfen Rücksetzer, dann droht im DAX ein Doppeltop, auf dessen Möglichkeit ich bereits am 7. November 2019 hingewiesen hatte.
Aktuell würde sich dafür ein fast idealtypischer Verlauf abzeichnen. Und wenn der DAX nun unter die Aufwärtstrendlinie der Dreiecksformation und in den Bereich der mehrwöchigen Seitwärtstendenz (gelbe Rechtecke in den Charts oben) zurückfällt, wäre dies ein Grund, kurzfristig sehr vorsichtig zu werden.
Fazit
Ein neues Allzeithoch ist natürlich bullish zu werten. Und wenn dem DAX ein nachhaltiger Ausbruch gelingt, dann sind höhere Kursziele, die sich aus charttechnischen Formationen ergeben, deutlich leichter erreichbar. Allerdings zeigt der DAX derzeit keine klare Stärke. Und daher solte man nun nicht uneingeschränkt darauf setzen, dass der DAX zum Beispiel auf 14.500 Punkte steigen kann. Stattdessen sollte man damit rechnen, dass es noch zu einem Rücksetzer kommt, bevor der nachhaltige Ausbruch auf ein neues Allzeithoch gelingt und die höheren Kursziele erreicht werden können.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Geldanlage
Sven Weisenhaus