Das, was sich gestern an den US-Börsen (ETR:SXR4) abspielte, war eine böse Überraschung. Nachdem sich viele Anleger gerade wieder darauf positioniert hatten, den Kurseinbruch als Chance zu nutzen, kam es im Sitzungsverlauf zu einer äußerst scharfen Kehrtwende. Teils hohe Zugewinne wandelten sich bei vielen Titeln bis zum Börsenschluss in heftige Verluste. Am Markt werden drei Auslöser genannt. Ein Grund dürfte der sein, den ich hier bereits angesprochen habe: die Kombination aus geopolitischen Sorgen mit dem Fehlen von Liquidität aus den geschlossenen Carry Trades. Beides blockiert den Weg nach oben. Konkreter ist das zweite Argument: die Auktion neuer US-Staatspapiere mit zehnjähriger Laufzeit sei schleppend verlaufen. Die 42 Mrd USD seien nur zögerlich und mit Renditeaufschlägen aufgenommen worden, was als Indiz gedeutet wird, dass wenig Fantasie für die 10y-Rendite besteht, dass diese markant unter die 4% Marke fällt. Erschwerend kam hinzu, dass zugleich auch in großem Umfang neue Unternehmensanleihen aufgelegt wurden, Bloomberg beziffert diesen Wert auf 31,8 Mrd USD. Das sorgte für Kursschwäche bei den Small Caps, für die niedrige Zinsen teilweise überlebensnotwendig sind: der Russell 2000 ETF notiert heute früh 2,1% niedriger als gestern zum Xetraschluss. Jedoch ergeht es dem großen Bruder, dem S&P 500, nicht besser. Hier ist insbesondere der Kursverlust einiger Tech-Schwergewichte verantwortlich: so verliert der Nasdaq 100 aktuell knapp 3%. Sündenbock ist Super Micro (NASDAQ:SMCI) Computer. Der Anbieter von KI-Servern, der auch Partner von Nvidia (NASDAQ:NVDA) ist, verfehlte mit seinem Report die Erwartungen des Marktes. Der Börsenliebling verlor 20% und belastete mit seinen Aussagen den ohnehin bereits abgekühlten KI-Hype. So verloren Nvidia 5% und Broadcom (NASDAQ:AVGO) 5,3%. Beide Aktien waren mit deutlichen Kursgewinnen in den Handelstag gestartet. Das wäre alles halb so schlimm, wenn Rotation stattgefunden hätten. Aber Fehlanzeige! Low Vola heute früh ebenfalls -1,7%, der S&P Equal Weight -2,1%. Anleihen treten auf der Stelle. Im Grunde sind die US-Börsen gestern Abend weit unter unser Stopp Loss Limit gefallen, so dass wir im Tagesverlauf wohl einen Teil der US-Position abhedgen werden. Reuters veröffentlichte heute einige interessante Zahlen: der S&P Techsektor wird aktuell mit dem 26,1fachen der erwarteten 12-Monats Gewinne bewertet. Im Hoch lag dieser Wert im Juli bei 31,3, was dem Top Level des Jahres 2002 entspricht. Der Zehnjahresdurchschnitt liegt bei 20,7. Zudem läge die Bewertung um 32% über der des S&P 500, das sei doppelt so viel wie in der letzten Dekade. Das lässt natürlich keinen Raum für Enttäuschungen. Freilich haben Technologie/Communications bislang in Q2 erneut geliefert und ihre Gewinne im Schnitt um über 20% gesteigert. Zudem sind die Zahlen dezidiert zu betrachten. So wird z.B. Meta (NASDAQ:META) mit KGV 21 unter seinem 10-Jahres Schnitt bewertet, Microsoft (NASDAQ:MSFT) mit 30 aber darüber.
Nikkei und Topix verloren heute früh knapp 1%, Festlandchina und Hongkong notierten stabil. Europas STXE 600 gibt aktuell 0,8% ab, notiert jedoch oberhalb unseres Stopp Loss -Limits. Gute Zahlen von Allianz (ETR:ALVG) und Dt. Telekom (ETR:DTEGn) befördern die beiden DAX-Komponenten an die Spitze von STXE 50 sowie ESX 50. Am hinteren Ende ASML (AS:ASML), die den schwachen Vorgaben der Halbleiterunternehmen aus den USA folgen.
Laut den Statistiken von JPMorgan (NYSE:JPM) sind inzwischen 75% der von ihr verfolgten globalen Carry Trades aufgelöst. Die Gewinne daraus seien seit Mai um 10% gesunken und damit die Profite seit Jahresanfang ausgelöscht. Auch für die verbliebenen noch offenen Trades sähe das Risiko-Ertrags Profil nicht sonderlich attraktiv aus. Heute relevant werden neue US-Arbeitsmarktdaten. Manche Anleger hoffen auf schwache Werte und eine baldige Notfallzinssenkung der Fed. Das halte ich für ausgeschlossen, die US-Notenbank beugt sich nicht dem Druck von Wall Street wegen ein paar Prozent Kursverlust. Denkbar ist jedoch, dass sie in der September-Sitzung ggf. eine Anpassung um 0,5 Prozent vornimmt.