Das besonders Erfreuliche am gestrigen Handelstag war die ausgeprägte Marktbreite, mit welcher die globalen Börsen nach oben getragen wurden. In Europa verzeichneten alle Sektoren Zugewinne. Wir kauften bereits am Vormitttag die Region wieder massiv zurück, als dem STXE 600 die Rückeroberung des Zweimonatsdurchschnitts gelang. Dennoch bleiben wir, wie gestern geschrieben, derzeit hier mit engem Stopp Loss äußert wachsam. In den USA legten 27 der 30 Dow Jones Komponenten zu. Alle Top-10 Titel im Global Titans Index kletterten und auch der S&P 500 Equal Weight legt heute früh 0,6% zu. Die Rallye ging heute früh in Fernost weiter: erstmals in seiner Historie überwand der Nikkei 225 die Marke von 42000 Punkten und der Hang Seng Tech Index kletterte um dynamische 2,75%. Der Shanghai Composite Index stieg um 1,1%, Taiwan auf ein neues Rekordhoch. Auch die Börsen in Südkorea und Australien legten zu.
Begründet wird diese Begeisterung mit der Interpretation von Jerome Powells Worten an Tag 2 seiner Anhörung auf Capitol Hill. Gestern früh bereits habe ich hier im Blog geschrieben, dass seine Wortwahl eine Vorbereitung auf eine baldige Zinssenkung zu sein scheint. Diese Meinung manifestierte sich im Tagesverlauf an den Börsen und erhielt weiteren Auftrieb mit dem zweiten Auftritt des Fed-Chefs. Nun wird es jedoch darauf ankommen, ob nachher die US-Verbraucherpreise (CPI) diesen Optimismus rechtfertigen. Es gibt viele „Falken“ innerhalb des Fed-Direktoriums. Eine Abweichung von den Prognosen nach oben dürfte deshalb die mittlerweile vom Markt eingepreiste Hoffnung einer US-Zinssenkung im September konterkarieren und somit den Handelstag verderben. Folgende Zahlen werden für 14:30h MEZ erwartet: +0,1% versus Mai und +3,1% ggü. Juni 2023. Für die Kernrate liegen die Prognosen bei +0,2%/+3,4%. Zweiter Haussefaktor gestern war Taiwan Semiconductor (NYSE:TSM) (+3,5%): das asiatische Superschwergewicht übertraf bei den Einnahmen in Q2 die Erwartungen der Analysten, was die beeindruckende Sonderrallye der Halbleiteraktien weiter anschob. Der dritte treibende Faktor war Frankreich: im Lauf des Vormittags endeten die politisch bedingten Abgaben, der CAC40 konnte einen Großteil seiner heftigen Verluste vom Dienstag aufholen und bewegt sich heute früh „inline“ mit dem freundlich tendierenden europäischen Gesamtmarkt. Das BIP in Großbritannien ist im Mai um 0,4% gewachsen, Volkswirte hatten lediglich +0,2% erwartet.
Zurück zur US-Notenbank: Jerome Powells Aussagen waren auch deshalb so wertvoll, weil er beschrieb, was nach Analyse der FED die Auslöser der Inflation waren. Mit der Abkühlung am Arbeitsmarkt schwinde derzeit eine potenzielle Inflationsquelle,. Dieser Prozess sei mittlerweile so weit fortgeschritten, dass eine weitere Abkühlung nicht nur unnötig, sondern sogar unerwünscht sei. Das ist eine 180 Grad Wende zu den Aussagen der vergangenen Jahre. Die Inflationstreiber der letzten Jahre waren des Weiteren das Zusammentreffen hoher Nachfrage mit gestörten Lieferketten. Die Inflation sei zuletzt gesunken trotz solidem Wirtschaftswachstum. Das läge daran, dass sich die Engpässe sowohl auf dem Arbeitsmarkt als auch in den Produktmärkten entspannt hätten. Das lässt sich so interpretieren, dass aus Sicht der FED die Sondereffekte aus Covid und dem Beginn des Krieges in der Ukraine mittlerweile verpufft sind und sich die Inflation sozusagen von selbst wieder beruhigt. Daraus lässt sich deutliche Zinssenkungsfantasie für 2025 ableiten – zumindest für die USA.
China verschärft die Regeln für Leerverkäufe, um den Kursverfall zu stoppen: ab dem 22. Juli muss ein Margin-Deposit von 100% hinterlegt werden. Bislang waren 80% erforderlich. Beobachter sehen kurzfristig darin Kurs treibende Effekte, zweifeln aber an dem Einfluss, den Shortseller auf den Gesamtmarkt haben. Wichtiger ist, dass die zunehmenden Spannungen zwischen der NATO und China internationale Anleger davon abhalten, in China zu investieren.
STXE 600 und DAX: +6 im APX.