Der Rallye in New York wird seit Langem vorgeworfen, dass sie zu einseitig ist. Aber stimmt das auch? Die laufende Berichtssaison bietet eine ausgezeichnete Gelegenheit in die frischen Zahlen der Unternehmen abzutauchen und zu überprüfen, wer denn im S&P 500 Index wie viel Geld verdient, wer wichtig ist und wer nicht.
Wichtig sind natürlich alle. Ich möchte die Bedeutung keines der S&P 500 Index Unternehmen unter den Scheffel stellen, denn wer es in die Gruppe der 500 geschafft hat, der hat alles richtig gemacht. Aber im Hinblick auf die Bedeutung der einzelnen Unternehmen für die Börse gibt es doch erhebliche Unterschiede. In der vergangenen Woche ging es um das Thema, wie viel Gewinnwachstum wir für das 3. Quartal aus den USA erwarten können. Dieses Mal geht es um die Frage:
Wer macht wie viel Geld im S&P 500 Index? Ich will Sie nicht mit der Gaußschen Normalverteilung langweilen, sondern auf ein wichtiges Thema eingehen, dass in den letzten Quartalen häufig angesprochen wurde, aber gerne von der Wall Street ignoriert wird, solange es funktioniert: Die Einseitigkeit der Rallye.
Dass die Glorreichen Sieben ein hohes Gewicht am Gewinnwachstum haben, liegt auf der Hand. Aber gilt das auch noch für das 3. Quartal oder haben sich die Verhältnisse im 2. Halbjahr verschoben? Fakt ist, dass noch vier der sieben Unternehmen zu den wichtigsten Gewinntreibern zählen. Konkret sind das Nvidia (NASDAQ:NVDA), Alphabet (NASDAQ:GOOGL), Amazon (NASDAQ:AMZN).com und Meta (NASDAQ:META).
In den Top 5 erwarten wir jedoch nur noch zwei der Glorreichen Sieben. Neben Nvidia ist das Alphabet. Die anderen Plätze werden von Micron (NASDAQ:MU) Technology, Pfizer (NYSE:PFE) und Moderna (NASDAQ:MRNA) belegt, wobei sich alle drei durch eine vorteilhafte Vergleichsbasis im 3. Quartal 2023 auszeichnen, als sie Verluste schrieben und nun eine deutliche Verbesserung erwartet wird. Was die Reihenfolge angeht, so bleibt Nvidia unangefochten auf der Nummer 1 und Alphabet belegt den Platz Nummer 5.
Die Gewinne der Glorreichen Sieben dominieren
Das erwartete Gewinnwachstum der Glorreichen Sieben ist durchaus beeindruckend. Im Jahresvergleich reden wir über ein prognostiziertes Gewinnwachstum von 18,1 % für diese Gruppe. Ob das zutrifft, werden wir bald erfahren, denn ein Großteil der Gruppe wird in der kommenden Woche berichten. Doch was ist mit dem Rest des S&P 500 Index?
Wie viel Gewinnwachstum liefern die restlichen 493 Unternehmen? 0,1 %. In diesen 0,1 % Wachstum sind bekannte Namen wie American Express (NYSE:AXP), Berkshire Hathaway (NYSE:BRKa), Coca-Cola (NYSE:KO) bis hin zu Walt Disney (NYSE:DIS) enthalten. Und 0,1 % bedeutet selbstverständlich nicht, dass diese Unternehmen einzeln betrachtet nur ein Mini-Wachstum im Jahresvergleich hinbekommen. Es geht darum welche Bedeutung das Gewinnwachstum der 493 Unternehmen im Verhältnis zum Gewinnwachstum der Glorreichen Sieben hat. Die Quintessenz des Vergleichs ist:
Das Gewinnwachstum der Glorreichen Sieben ist das Einzige, was für den Index (!) zählt. Was die restlichen 493 Unternehmen machen, ist für die Bewertung des S&P 500 Index auf gut Deutsch gesprochen wurscht. Der Trend der Benchmark wird nur von dieser kleinen Gruppe bestimmt. Wohin sie geht, geht auch der Index.
Im Guten wie im Schlechten
Die Equity-Stories der einzelnen Unternehmen läuft natürlich unabhängig von dieser Erkenntnis. Was hat schon das Gewinnwachstum von beispielsweise Walmart (NYSE:WMT) mit dem Gewinnwachstum der Glorreichen Sieben zu tun? Auf den ersten Blick nichts. Da eine bedeutende Benchmark wie der S&P 500 Index jedoch im Wesentlichen vom passiven Kapital bewegt wird, das den ganzen Index kauft und verkauft, ist die Walmart Aktie jedoch sehr wohl betroffen. Frei nach dem Motto: Mitgehangen, mitgefangen!
Das Thema heißt Klumpenrisiko. Das ist per se nicht schlecht, denn wenn dieser „Klumpen“ ausgezeichnet performt, dann profitieren auch alle anderen davon im Index, denn sie werden schlicht und einfach mit nach oben gezogen. Man muss sich nur bewusst sein, dass es keine Gruppenrotation der Welt gibt, die eine Korrektur des Index aufhalten kann, wenn die Glorreichen Sieben an Glanz verlieren. Denn es gibt schlicht und einfach keine andere Gruppe, die ähnlich gewaltige Gewinne liefern könnte.
Das hat auch seine gute Seite, denn: Wenn Sie nur wenig freie Zeit neben dem Beruf für die Börse haben, schauen Sie einfach auf die Berichte der wenigen großen Unternehmen und insbesondere darauf, wie die Börse die Zahlen und die neue Prognose für das 4. Quartal (und 2025) aufnimmt. Mit diesem Short-Cut decken Sie im Kern alles Wichtige ab, was Sie derzeit für den zukünftigen Trend an der Wall Street wissen müssen.
Ein Artikel von
Mikey Fritz
Chefredakteur Zürcher Finanzbrief